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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Apostrophobie


Leier
13.05.2009, 08:24
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.

'Ktober war's,
alle Illusion'n zeronn'n,
Septemb'r fledermaus'g begonn'n,
kam schon Novemb'r ..
bess'r als Dezemb'r.

Ich bin nach Apostroph'n sücht'g,
da bleib im Prob'n nachts ich tücht'g.
Ich elidier' mir kurz und klein,
was sonst in Reim nicht paßt hinein.

Paßt auch mein Kürzel nicht d'rein,
ich will es hab'n, will d'rin sein.
Es ruft' mit "folg' mir imm'rzu"
mein ew'ges nächt'ges hoh's DU
zum unvollständ'gen Reim.
Apostoph'sch macht' ich nur
auf Schneckens Schleim'sspur
ungekürzt' so 'n hon'gen Seim.

Ist dies auch nicht ganz richt'g,
ist's ohneracht
auch gar nicht wicht'g.
Ich lieb den Ap'stroph so sehr.
Ohn' ihn ich ich ohnmächt'g wär.

Feirefiz
13.05.2009, 09:56
Liebe Cyparis!

Du hast hier den Mephisto der Dichtkunst zum Thema gemacht!
Ich finde die "Elision" (das musste ich nichtmal googeln, das Gedicht spricht für sich) grauenerregend!
Für mich ist sie nichts weiter, als eine Verlegenheitsgeste.
Und du liebst sie? Ich habe noch in keinem deiner Gedichte diesen grellen Ausdruck des Nichtkönnens, diese Versuchung der Versuchsmacher, gefunden!
Mir flutscht sie immer rein.

Ich finde es großartig, dass du darüber ein Gedicht schreibst!
(das nächste könnte von Füllwörtern handeln:D)

Verschmolzene Grüße
Füllfiz

Leier
13.05.2009, 10:23
Lieber Feirefiz,

wie Du erkannt hast, mach ich mich gerne über manche Auswüchse der Dichter-Sprache lustig.
Die Füllwörter hat Medusa behandelt, da könnte ich nur hinterherhinken.

Hab Dank
von
cyparis!

Erich Kykal
13.05.2009, 13:06
Hi, cypi!

Hihi, köstliche Verarsche für all die pseudolyrischen Sprach- und Wortvergewaltigungen, die sich immer noch in der Dichtkunst herumtreiben, weil manche zu faul sind, über bessere und geeignetere Formulierungen ihrer Gedanken nachzudenken, die ohne diese unseligen Verschluckungen auskommen!
Bravo!

LG, eKy

Medusa
13.05.2009, 13:36
Liebe Cyparis,

Deine Zeilen bringen mir Gänsehaut noch und nöcher! Du weißt, wie sehr ich dagegen ankämpfe; einige Poeten haben was gelernt, andere hingegen meinen immer noch, der Apostroph sei wichtig und richtig.

Dass er sogar zu den aus Amerika eingeführten sprachlichen Unarten gehört und zur Verwahrlosung unserer Sprache beiträgt, will niemand sehen.

Sehr schön hast Du die Unverbesserlichen auf die Schippe genommen!

Herzliche Grüße,
Medusa.

a.c.larin
13.05.2009, 13:54
lb cprs!
jtzt knnt mn br ch nch d brgn nntgn bchstbn wglssn, dn wrs prfkt!

lrn

ruhelos
13.05.2009, 14:26
hallo cyparis,

welch ein satirisches Gedicht auf den Vokalschwund zugunsten der Metrik. Ja, so manchem ist jedese Mittel, selbst en Appostroph an der ungünstigsten Stelle um den Lesefluss zu erhalten. Gern und schmunzelnd gelesen.

Viele Grüße
ruh'los

ruhelos
13.05.2009, 14:28
sorry cyparis,

ich habe aus Versehen zweimal gedrückt.

Viele Grüße
ruhelos

Leier
14.05.2009, 06:38
Hallo zusammen!

Das freut mich, daß Euch mein kleiner Spaß gefallen hat!
Ich prangere gern auf lustige Art an, was mich stört.

@ larin:
w e l c h e Buchstaben???


Euch liebe Grüße
von
cyparis

a.c.larin
14.05.2009, 21:45
liebe cyparis,
alle vokale!

vollständig hieße es so:
jetzt könnte man aber auch noch die übrigen buchstaben weglassen, dann wärs perfekt!

( habe mich gestern eine zetilang mit feirefiz im chat auf diese weise unterhalten - erstaunlicherweise kann mans nach einiger zeit trotzdem lesen!
das hirn ist schon ein wunder!)

liebe grüße
larin

Leier
15.05.2009, 09:00
Liebe larin,

kreisch!

Es schüttelt mich aus den Socken!
Selten so gelacht!


Ganz lieben Gruß
von
cyparis

fee
15.05.2009, 11:37
hm, tja.


halblustig, wie das durchaus treffende gedicht von cyparis, auch mein persönliche-meinung-gedicht dazu...


wie liebt' ich immer schon die elision
ihr'n altertümelnd' klang, und die vision
von längst vergang'nem glast schon längst verstorb'ner worte
's ist eine macke, led'glich and'rer sorte

und dennoch liebenswert! g'wiss niemals zu verhöhnen.
's schmerzt sehr mich die herablassung in hies'gen tönen!
nicht jeder strebt in erster linie nach vollendung
perfekt' ge-x-e seiner botschafts-sendung.

betörn' denn flohmarkt-charme und staub zerkratzter dinge
nicht das gemüt, so sich's historisiern'd erginge?
sollt' dies denn grad beim dichten gar nicht gelten?
's gilt beides mir: alt UND modern in heut'gen welten!

das so perfekte, wortgewaltig totgereimt
indes gar manch' mal mir gefühlloser erscheint.
ganz wie die durchgestyled' designerküche,
die würd' verunreinigt durch kochgerüche.

da darf nix menscheln, all's gehört steril.
perfektioniert für's ästhetische wohlgefühl.
ich les gern beides: können UND menschlich' bewegung.
teil also nicht die hier gelesene erregung.



.fee

Leier
15.05.2009, 21:51
liebe fee!


Ja, wie wahr!
Apostrophe sind dort unbedingt zu setzen, wo sie der Dichtung dienen.
Sie leichtfertig zu verurteilen zeugt von Überheblichkeit.
Werden sie aber unpassend gebraucht, widerstreben sie mir.

Ganz lieben Gruß
von
cyparis

fee
16.05.2009, 09:28
ja, cyparis,


ich geh da ganz mit dir konform.

und ist es nicht stets eine gratwanderung, wenn es um den "angemessenen" einsatz stilistischer und technischer mittel geht? ein eitzerl zuviel schon lässt ein best-beabsichtigtes werk ganz nah zum kitsch hingleiten (und oft auch in richtung unfreiwilliger komik), ein eitzerl zu wenig macht die sache hölzern....

dass wir aber auch sooo schwer zufriedenzustellen sind. und dann noch jeder in seinem ganz eigenen maßstab. genau deshalb gibt es wohl kaum spannenderes, als wenn sich künstlerisch tätige und schaffende austauschen.

manche "ticks", die bestimmte autoren/maler/künstler eben liebgewonnen und dermaßen kultiviert haben, dass ihre eigene perspektive eher enger als weiter geworden ist (und ich meine hier definitiv - nur, damit es keine missverständnisse gibt - niemand im besonderen, sondern beobachte nur - sowohl in der bildnerischen als auch der literarischen kunst), führen zu einer gewissen manieriertheit, der man selbst dann eben auch ein wenig ambivalent gegenübersteht. man mag ja eigentlich gerade das an dem autor (sonst würde man ihn wohl nicht wiederholt lesen... außer man ist "masochist" oder will sich bewusst an solchem empören... < auch das ist nur allzu menschlich und jedem bekannt), aber irgendwann wird man des ewig gleichen (denn das ist es ja, wenn sich stets dasselbe nur an anderen inhalten wiederholt) überdrüssig...

ein thema, das sich reichlich diskutieren ließe. aber ich bin dieser diskussionen wegen schon aus foren geflogen... (kein witz!). sie gehen eben immer auch ans persönliche - nämlich die eigenen macken (jeder hat welche, und sie sind gut so!) und die macken der künstler-kollegen, die ich liebend betrachtet als "markenzeichen" und deren "individuelle note" bezeichne und eben gerne lese. sie sagen mir etwas über den menschen, der hinter dem kunstwerk steckt. über seine art, an die dinge heranzugehen. über seine sicht der welt und seinen platz darin.
DAS ist es, was ich an kunst so mag und weshalb ich ihren wert für mich persönlich über die kunstfertigkeit stelle.


so. ich bin schon wieder still. jedenfalls hat dein gedicht (mitsamt folgenden kommentaren) mir wieder mal viel denkanstoß geliefert. danke dafür.

lieber gruß,

fee