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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Was heißts wohl...


a.c.larin
22.11.2009, 21:53
Was heißts wohl, beflissen zu dichten?
Den Kummer besiegen? Mitnichten?
Mitnichten das Leid auch zu lösen:
Du, Mensch, bist verfallen dem Bösen -
und ferne dem Paradies.

Was heißts wohl, beflissen zu singen?
Das Wunder, die Gottheit zu zwingen?
Zu zwingen, den Zwiespalt zu lösen?
Du, Mensch, bist verfallen dem Bösen -
und ferne dem Paradies.

Was heißts wohl, beflissen zu leben,
zu achten, zu ehren zu streben?
Im Senken des Fußes, im Heben:
Du Mensch trittst beflissen daneben -
so ferne dem Paradies.

Was heißts wohl, letztendlich, zu sterben?
Zu fallen, zu sinken? Verderben?
Du Mensch, kennst die Düfte, die herben -
und wünscht dir kein Paradies.

Archimedes
23.11.2009, 17:20
Liebe Larin, sehr pessimistisch, dein Gedicht. Du, Mensch, bist verfallen dem Bösen -
und ferne dem Paradies. Heißt das, der Mensch kann garnicht anders als Böse sein? Und damit gibt es nur ein Paradies ohne den Menschen?
Du Mensch, kennst die Düfte, die herben -
und wünscht dir kein Paradies. Und hier, macht der Mensch wie der Fuchs, dem die Trauben zu sauer sind, weil er sie nicht erreichen kann?

Besonders positiv aufgefallen ist mir in den ersten beiden Strophen, dass du das Ende des Fragesatzes als Beginn des Antwortsatzes verwendet hast. Das wurde ab der dritten Strophe dann nicht weitergeführt.
Was heißts wohl, beflissen zu leben,
zu achten, zu ehren zu streben?
Im Senken des Fußes, im Heben:
Du Mensch trittst beflissen daneben -
so ferne dem Paradies. Man könnte doch schreiben:

...zu streben?
Mit Streben des Fußes, im Heben:
...

In der letzten Strophe verlässt du dein Reimshema aabbc. In der letzten Zeile hat sich ein s verflüchtigt, aber "du wünschst" ist ist auch ein Zungenbrecher. Ich würde vorschlagen:
Kein Wunsch mehr nach Paradies.

Mit dem Gedicht hast du mir aus der Seele gesprochen.

Philosophisches

Der Mensch sich nicht als Tier erweist.
Doch stimmt das denn, man fragt es sich.
Er hat Manieren und hat Geist
und seine Langmut sich beweist
als Tugend; anders wär es ärgerlich.

Der Mensch, der ist von Haus aus gut.
Schlag nach bei Marx, Rousseau und lies:
„Mit (Um-)Ordnung, Solidarität und Mut
und stets für Frieden auf der Hut
schafft man den Weg zum Paradies.“


Der Mensch ist doch ein Tier nur schlimmer.
Er kratzt und beißt und jault und zischt.
Und unterliegt er, dann kommt immer
lautes Geschrei; doch kein Gewimmer,
hat er den Feind im Kampf erwischt.

Der Mensch, der ist von Haus aus schlecht.
Schlag einmal nach bei Kant und Hegel:
„Dem Menschen, dem hilft nur das Recht.
Bosheiten besiegen, geht nur echt
mit Toleranz und Höflichkeit als Regel.“


Der Sinn des Seins läuft aus dem Ruder.
Wo sind wir hier, was ist das Ziel?
Der reine Mensch, ist er das Luder
oder ist er doch ein guter?
Das sind der Fragen fast zuviel.

Gern gelesen, mich seelenverwandt gefühlt und kommentiert
lieben Gruß Archimedes ...der mit den Sinnkreisen

a.c.larin
23.11.2009, 21:30
lieber archimedes,

auch wenn das gedicht pessimistisch klingen mag: im grunde ist es nur realistisch gemeint.
es gibt das sogenannte "böse". (jeder trägt ein stück davon in sich. die klugen wissen es und passen gut darauf auf - die weniger klugen bekämpfen es lieber rundherum und kümmern sich nicht so sehr ums eigene mistkübelchen...)

leben pendelt zwischen den ewigen antagonisten hin und her:

eros und thanatos,
konstruktivität und destruktivität
(wobei man dazu sagen muss, dass ein gerüttelt mass an "destruktivität" schon nötig ist - denn auch beim essen eines apfels "destruieren" wir etwas mit den zähnen , kauen, zermalmen, und "konstruieren" aus den kleinsten teilen des apfels unsere eigenen kleinsten teile...)
kommentieren ist wohl auch eine art der destruktion, daher sollte der "zerlegeung" auch immer ein schuss liebe beigefügt sein....

"Böse" wirds erst, wenn die destruktivität zügellos wird und aus dem ruder läuft. die krebszelle ist destruktiv, weil sie keine grenzen mehr kennt.

insoferne ist "verfallen dem bösen" schlichtweg eine tatsache.
die welt ist komplex - die sehnsucht nach etwas einfachem, "paradiesischem" daher groß und uralt.
fragt sich, ob diese paradiesessehnsucht nicht der dunklen erinnerung an das leben im mutterleib entspringt.....

zuletzt wird das indivduum "erwachsen" - es kennt die schwierigkeiten, die mit dem "in-der-welt-sein" verbunden sind und schreit im außen nicht mehr nach der "mami" (und hoffentlich auch nicht nach einem "starken mann")

die crux daran íst die (schon wieder was "böses"?): auf dem weg der individuation kommen nicht alle bis ans ziel, manche bleiben stecken, manche biegen irgendwo verkehrt ab, andere werden krank oder verrückt, weil zu viel verschiedenes und/oder gegensätzliches an ihnen zerrt oder sie bedrückt....

manche schaffen es vielleicht bis in die mitte, dorthin, wo sie zuletzt sagen:
tod, wo ist dein stachel?
dann sind sie wunschfrei glücklich - inmitten einer welt, die nicht heil ist
und können bestehen - auch im allergrößten chaos....

ich glaube,
der mensch ist grundsätzlich weder gut noch schlecht
sondern sowohl gut als auch schlecht),
und genau wegen dieses inneren zwiespaltes hat er jede menge gewirks mit sich selber....

schönen gruß aus dem faße des diogenes
an den, der seine kreise zieht!

larin

Hans Beislschmidt
29.11.2009, 12:09
Hey Larin,

den Gerdankenaustausch mit Archimedes habe ich mit großem Interesse gelesen.

Wenn die Alternative zum Paradies das Böse ist, würde ich auch lieber das Böse wählen, denn deine in V1/3angesprochene "gelobte Beflissenheit" bedeutet für mich Anbiederung und Konformismus. Das kann und darf nicht der Preis für die paradiesische Eintrittskarte sein oder?

Herber Duftgruß vom Hans

a.c.larin
29.11.2009, 15:42
lieber hans,

da geb ich dir gerne recht: das ja-sagen bloß um des ja-sagens willen ist wohl genauso verkehrt wie das nein-sagen um des nein- sagens willen.
im grunde genommen sollte ein erwachsener mensch beides können.

und noch was sollte er können: wissen, warum er nein sagt oder ja sagt.
( und zumindest hin und wieder mal drüber nachdenken, was er mit dem einen oder anderen in der welt auslöst)

die lust an der süße des lebens in allen ehren - aber hin und wieder gehört auch ein wenig salz in die suppe. und wenn ich schreibe: ein wenig, dann sollte mans auch genau lesen.
ein wenig heißt: mit maß und ziel. alles zu seiner zeit und an seinem ort.
und nichts um jeden preis.

das würde ich dann als "kunst" bezeichnen.

das, was du unter "paradies" angesprochen hast, scheint mir eher "falscher frieden" zu sein - da "feiert" einer auf kosten des anderen, was auf die dauer nicht gut gehen kann.
unter "paradies" verstehe ich echte balance - und die erreichen wir selten.
zum einen erreichen wir sie schon selten in uns selber, im miteinander ist es dann noch ein bisschen anspruchsvoller. je mehr personen beteiligt sind, desto komplizierter wirds , weils -proportional anwachsend -unübersichtlich wird.

dem folgt, dass ein paradiesischer zustand auf erden nur annäherungsweise erreicht werden kann, dass immer wieder nachgebessert werden muss
(weil ja auch socken immer wieder mal ein loch kriegen) und dass realistsicher weise das ganze gemotze gar nichts nützt, denn auch die wäsche wird immer wieder maL dreckig.
das einzige, was nützt , ist : arbeit!
also: ärmel hochkrempeln - und ran an den mist, unparadiesischerweise, aber doch.

freut mich ,wieder mal von dir gehört zu haben,
larin

Archimedes
02.12.2009, 01:28
Liebe Diogenes larin, du schreibst so wunderbare Kommentare, ich beneide dich darum. Ich stelle fest, dass ich mich eigentlich nur in Gedichten "richtig" ausdrücken kann. Deshalb will ich hier den Aspekt des Paradieses herausgreifen:

Wo war das Paradies?

Nehmen wir das Paradies,
war alles dort umsonst
und niemals etwas fies.
Hier unbeschwert zu konnt’st,
so selig ahnungslos,
von der Erkenntnis abgewandt,
ganz frei und hüllenlos
durchstreifen, so famos,
dies schöne, weite Land.

Doch wehe, man hier nicht so wollte,
weil man doch spürte Unbehagen,
dann flog man raus, man sollte
jenseits von Eden sich durchschlagen.
Noch heute, aufgelöst in Luft,
denkt man der alten Illusion.
Kein Mensch nach diesem Eden ruft,
der schöne Schein, der ist verpufft,
man träumt nur noch davon.

Ich gebe dir recht, dass man den paradisischen Zustand in der Ausgewogenheit und Balance findet, die jedoch immer einen Gott, einen Vater, einen Chef hat der bedacht lenkend eingreift, um eben das Paradies, das Familienleben, die Firma wohlmeinend zu leiten. Für einen selbst mag ja die Idealvorstellung das Leimotiv für die innere, paradiesische Ausgeglichenheit gelten. Aber dieses schöne Gebäude stürzt immer wieder ein durch die Nörgler, Querulanten und Neider, denen die Macht wichtiger ist, als das Wohlsein.
So versuchen wir Menschen immer wieder durch Gesellschafts- und Religionsmodelle einen paradisischen Zustand neu zu definieren und zu erreichen, und es wird immer vergebens sein. "Der einzige Weg, die Welt zu ertragen, ist der, sie schön zu finden" hat ein schlauer Kopf mal gesagt. Wahrscheinlich ist das der Weg zum Paradies.

Gruß Archimedes ...der mit den Weisheitskreisen

a.c.larin
02.12.2009, 23:38
lieber archimedes,
ich glaube, dass die paradiesfrage auch immer eine frage der definition ist.
und diese definition kann sehr unterschiedlich ausfallen.

der eine wirds viellecht paradiesisch finden, wenn er jeden abend unterwegs sein kann und dabei cirka fünfundzwanzig leute um sich hat.
einem anderen kann allein die vorstellung von so viel betrieb schon schweißausbrüche entlocken...
rein hirnphysiologisch sind wir gar nicht ausgerichtet auf allzulanges glücksempfinden. unser gehirn ist viel zu sehr damit beschäftigt, unheil und gefahr abzuwenden ( das hatte evolutionstechnisch betrachtet natürlich vorteile, sonst hätten wir uns kaum zu dem emporgekämpft, wo wir heute stehen), aber uns selber vermiest es leicht den tag.
daher nehmen wir eher wahr, wenn irgendwas nicht passt, als wenns passt.

dieses : "es passt ja" müssen wir uns aber bewusst machen, weil wie gesagt "störungen vorrang" haben ( zumindest meint das unser gehirn).
ich bin mir sicher, dass die nörgler in deinem leben rein mathematisch betrachtet in der minderzahl sind, aber die zwei , drei, die es vielleicht doch gibt, beschäftigen schon deine gedanken. die zweiunndzwanzig stummen anderen , die eh so einigermaßen funktionieren, "vergisst" der hirncomputer.
ist ja beim zahnschmerz auch nicht anders. denken wir an unsere zähne, solange sie "in ordnung" sind? nö - da haben wir sofort wichtigeres zu tun.
aber wehe, einer tut weh! der fühlt sich dann an wie drei meter groß!

letztlich wird uns auch fad wenn sich allzu lange gar nichts reibt!
ohne eustress (der positive , anregende) keine endorphine!

was ist der mensch doch für ein hirngeschütteltes wesen!
wenn das so weitergeht, errichten wir hier noch einen lehrstuhl für glücksforschung! ;)

liebe grüße, larin

Leier
02.12.2009, 23:58
Liebe larin,

vorerst nur ganz kurz:
Dichten, singen, leben, sterben -daraus soll man bestehen.

Später mehr.

Lieben Gruß
von
cyparis