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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Frühsommerabend


Walther
17.04.2011, 20:04
Frühsommerabend


Du sitzt und träumst vom Paradies.
Ich seh Dir zu und denke mir,
Wenn ich sie weiter schlafen ließ,
Dann bliebe sie für immer hier

Und flög nicht fort ins ferne Land,
Wo Sonne ist und alles schön.
Ich nehme Deine Hand zur Hand
Und spüre, wie ich mich gewöhn,

Dass Du so nah bist und so still,
Als gäbe es nicht Hast und Last.
Ich wollt, es wär, wie ich es will.
Wenn Du mich dann verlassen hast,

Sitz ich noch immer an dem Tisch
Und schaue in das Abendrot.
Ich spüre schon, jetzt wird es frisch:
Die Kälte kommt und bringt den Tod.

Falderwald
22.04.2011, 12:12
Hallo Walther,

das ist ein sehr schöner, romantisch-melancholischer Text, dessen Aussage ich gut nachvollziehen kann.

Ein absolut friedliches und harmonisches Bild wird hier gezeichnet, was keiner weiteren Interpretation bedarf, denn die Worte sprechen für sich und passen sich der hervorragenden Sprachmelodie geschmeidig an.

Nur eine Frage bleibt für mich noch offen:

Warum "Frühsommerabend" ?

Die Protagonisten scheinen kein junges Pärchen mehr zu sein, so daß mir Spätsommerabend als Titel näher läge.
Ich weiß nicht, ob man sich in jungen Jahren schon solche Gedanken macht, denn die Worte zeugen doch schon von einer gereiften Erfahrung, auch der Tod spielt eine zentrale, ja die abschließende Rolle, mit ihm endet das Gedicht.
So scheint mir der Titel fast schon im krassen Widerstreit mit der letzten Zeile.


Gerne gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Walther
22.04.2011, 16:31
Lb. Falderwald,

wie so häufig entstand auch dieses Gedicht in Verarbeitung eines konkreten Naturerlebnisses. Die Natur hat eine inspirierende Wirkung auch mich. Vielleicht ist sie neben meiner Liebsten die Muse für mich, wenn man so will.

Ich habe genau das erlebt. In diesem Jahr sind die Tage so früh sommerlich, daß man nicht mehr von Frühling sprechen kann - wenn die kalten Nächte nicht wären. So kommt der Titel zum Text. Der Widerspruch ist also aus der Situation heraus entstanden.

Dein Hinweis ist berechtigt, ich habe diesen Titel fast so genommen, wie Du es vorschlugst. Wegen des Bezugs zur Entstehung habe ich aber mich dann doch für die aktuelle Fassung entschieden.

Danke für Deine Gedanken und Besprechung des Gedichts.

LG W.

a.c.larin
23.04.2011, 07:25
Morgen Walther,

zum Titel hat Falderwald schon Einiges angemerkt, ich kaue an ein paar formalen Dingen herum.
Mir fallen in deinem Gedicht die Konjuktive auf - manchmal mit und manchmal ohne Elision - an einer Stelle ist das weggelassene e am Ende für mich sinnstörend, bzw sinnverwirrend:

"wenn ich sie weiterschlafen ließ ( dieses "ließ" könnte ja fast auch als Mitvergangenheit gelesen werden, daher erscheint mir "ließe" dort besser, dann müsstest du darüber natürlich auch in "Paradiese" abwandeln).

Mir ist auch unklar, warum du in der ersten Strophe die Anrede wechselst.
( Erst heißt es "Du", dann plötzlich "sie". man könnte beim "Du" bleiben, dann würde es einheitlicher fließen. Abgesehen davon greifst du da "Du" ja wenig später ohnehin wieder auf)

Du sitzt und träumst vom Paradiese.
Ich seh Dir zu und denke mir,
wenn ich dich weiter schlafen ließe,
Dann bliebest du für immer hier.

Und flögst nicht fort....

Hier würd ich auch ein wenig abändern:

Ich wollt, es wäre, wie ich's will.


Bei öfterem Durchlesen erscheint mir der Titel jetzt gar nicht mehr so widersprüchlich zur Schlusszeile. Es ist doch so: Wir sind, mitten im Leben , vom Tode umgeben.....

Licht und Schatten in einem Bild - ja, das hast du sehr stimmungsvoll umgesetzt. :)

Gerne gelesen und kommentiert,
larin

Walther
23.04.2011, 17:29
Lb. larin,

danke für Deinen Eintrag.

Mit dem "denke mir" leite ich eine indirekte Rede ein. Daher ist der Perspektivenwechsel so korrekt (und auch so gewollt, um die Distanz des Betrachters zu diesen Gedanken zu erhöhen). Die Ellision bei "ließ" entspricht eher dem heutigen Sprachgebrauch und paßt besser zu den durchgängig männlichen Endreimen. S3Z3 habe ich ebenfalls bewußt so formuliert, damit das "ich" auf die betonte Silbe fällt. Denn darum geht es schließlich: Man bekommt nicht, was man will, es geschieht einfach, was geschieht.

Lieben Dank nochmals für Dein Verständnis für meine Darlegungen.

LG W.

Chavali
03.05.2011, 19:45
Lieber Walther,

dieses Liebesgedicht gefällt mir sehr gut.
Du verbindest die erlebte Natur mit zärtlichen Gefühlen für einen Menschen,
die Partnerin, die Frau...

Interpretation bedarf es wohl keiner, die Worte sprechen eine deutliche Sprache.
Passend der Kreuzreim, der sich flüssig lesen lässt und wohl auch die Klarheit der Gedanken ausdrücken soll.


Lieben Gruß,
Chavali

Walther
09.05.2011, 19:42
Lb. Chavali,

alles ist zerbrechlich: davon erzählt dieser Text. Er erzählt auch von der Liebe, die ewig versprochen ist und doch ein Ende hat, wenigstens das der Körper. Was mit dem "Geist" geschieht? Wer weiß?

Das "Philemon und Baucis" Bild wird immer wieder evoziert. Hier habe ich es versucht, mit einem Frühsommerabend zu verbinden, der bis in den Abend warm ist und mit Eintritt der Nacht sehr schnell sehr frisch wird.

Ich danke Dir für Deinen feinsinnigen Eintrag!

LG W.