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Friedhelm Götz 15.04.2015 10:08

Gestatte, liebe Claudi, dass ich nochmal nachhake:

Zitat:

Leben und lässt mich nie alt aussehen || dank Zwerchfellgymnastik

Da bist Du auf das besondere Schmankerl in diesen Versen gestoßen. Hier habe ich einen geschleiften Spondeus à la Voss auf ganz moderne (und wie ich fand unaufdringliche Art) probiert. Das Wort "aussehen" wird ja normalerweise auf der ersten Silbe betont. Hier habe ich "aus" als schwere Senkung verwendet. Wohlwollend könnte man also "alt aussehen" lesen, natürlich nur, wenn man solche Spielereien mag.
Mir geht es nicht um die Betonung von "aussehen", sondern von "nie" oder "alt". Ich stellte mir vor, mehr das "nie" zu betonen:

Leben und lässt mich nie alt aussehen || dank Zwerchfellgymnastik.

Ginge das nicht auch? Du würdest nur den Trochäus vorziehen.

Abschließend möchte ich noch sagen, dass ich die Beschäftigung mit Hexametern zwar interessant, aber doch etwas frustrierend finde. Hinzu kommt, dass ich als Humordichter eher dem Reim verpflichtet bin und mir die Formenstrenge nicht länger zumuten will. Ich denke, dass Letztere auch der Grund ist, dass Hexameter in der nachklassischen Dichtung kaum noch eine Rolle gespielt haben und in der zeitgenössischen Dichtung erst recht nicht. Die hat ja auch den Reim inzwischen schon weitgehend abserviert. Ein Beispiel ist der Lyriker Jan Wagner, der nächste Woche hier in Fellbach den Mörikepreis der Stadt Fellbach erhält. Sein letzter Lyrikband „Regentonnenvariationen“ besteht nur aus ungereimten Werken, die ich teilweise mehr als in Zeilen aufgelöste Prosa lese.

LG Fridolin

Claudi 24.04.2015 01:18

Hallo Friedhelm,

ja, das "nie" vor dem "alt aussehen" ist alles andere als günstig. Dennoch hat das Adjektiv "alt" in der ganzen Konstruktion für mich deutlich die stärkste Betonung. Ich arbeite noch dran und werde mir überlegen, ob ich den Ausdruck nicht besser an den Versanfang stelle. Momentan gefällt es mir noch. Eine denkbare andere Variante, die mir natürlich weit mehr liegt, wäre ungefähr:

Liebster, du bist kein Poet, so ein Glück!, die lassen mich ziemlich
alt aussehn, balsamieren mich ein wie ägyptische Mumien.
:D


Aber als Satire habe ich das Thema bereits in einem anderen Hexa am Wickel.

Zitat:

Letztere auch der Grund ist, dass Hexameter in der nachklassischen Dichtung kaum noch eine Rolle gespielt haben und in der zeitgenössischen Dichtung erst recht nicht. Die hat ja auch den Reim inzwischen schon weitgehend abserviert. Ein Beispiel ist der Lyriker Jan Wagner, der nächste Woche hier in Fellbach den Mörikepreis der Stadt Fellbach erhält. Sein letzter Lyrikband „Regentonnenvariationen“ besteht nur aus ungereimten Werken, die ich teilweise mehr als in Zeilen aufgelöste Prosa lese.
Hm, mir scheint, gerade weil der Hexa viel näher am Prosagedicht ist, liest er sich weniger ausgelatscht als Reimgedichte. Nö, das soll jetzt nicht heißen, dass ich nur noch Hexameter schreibe. Es ist nur so, dass ich, jahrzehntelang im Endreim verhaftet, nie gesehen habe, was eigentlich einen guten Vers ausmacht. Das kommt erst jetzt allmählich durch die Beschäftigung mit reimlosen Formen.

EDIT: Hab jetzt den "alt aussehn"- Vers doch geändert. Ist es so besser?


Liebe Grüße
Claudi

Friedhelm Götz 25.04.2015 10:48

Hallo Claudi,

eigentlich bin ja ich der Lernende in Sachen Hexa, deshalb verzeih, wenn ich über deinen editierten Vers strauchle:


Zitat:

Leben. Wie würde ich alt aussehn ohne Zwerchfellgymnastik?
Nun liegt die Betonung zwar auf alt, aber wie betonst du das folgende aussehn ? Auf der zweiten Silbe, entsteht ein Hebungsprall mit dem darauffolgenden ohne. Oder bleiben aussehn und ohne unbetont?

LG Friedhelm

Claudi 28.04.2015 15:56

Hallo Friedhelm,

ich dachte mir das so:

Leben. Wie würde ich alt aussehn ohne Zwerchfellgymnastik?

Unterstrichen heißt: Die Betonungsstärke liegt nah an einer Hebung, ist aber (wegen der Wechselwirkung mit der alternierenden Metrik) beim Sprechen ein bisschen schwächer als die anderen Hebungen, so dass es formal als Senkung steht.

Ich habe den Text mittlerweile von kompetenter Seite begutachten lassen, und er wurde zu meiner Überraschung ausnahmslos gelobt. Jetzt lass ich ihn noch zwei, drei Wochen abhängen und schau dann nochmal drüber.

Es könnte sein (manchmal meine ich das in Deinen Distichen zu erkennen), dass Du noch zu sehr daktylisch fixiert bist und unbewusst versuchst, alles weitgehend daktylisch zu betonen. Im Hexa geht es aber darum, Bewegung zu erzeugen, also gezielt aus dem Grundmuster (Daktylus) auszubrechen. Es ist allerdings schwierig, das in ein paar Sätzen zu erklären.

Danke, dass Du mich hier so treu begleitet hast. :)

Liebe Grüße
Claudi


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