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Nun möchte ich auch eins von den Gedichten einstellen, die mich faszinieren. Nicht zuletzt hat mich Achim Reichel mit seiner Liedversion entsprechend beeinflusst.
Regenballade (Ina Seidel) Ich kam von meinem Wege ab, weil es so nebeldunstig war. Der Wald war feuchtkalt wie ein Grab und Finger griffen in mein Haar. Ein Vogel rief so hoch und hohl, wie wenn ein Kind im Schlummer klagt und mir war kalt, ich wusste wohl, was man von diesem Walde sagt! Dann setzt’ ich wieder Bein vor Bein und komme so gemach vom Fleck und quutsch’ im letzen Abendschein schwer vorwärts durch Morast und Dreck. Es nebelte, es nieselte, es roch nach Schlamm, verfault und nass, es raschelte und rieselte und kroch und sprang im hohen Gras. Auf einmal, eh ich’s mich versehn, bin ich am Strom, im Wasser schier. Am Rand bleib ich erschrocken steh’n, fast netzt die Flut die Sohle mir. Das Röhricht zieht sich bis zum Tann und wiegt und wogt soweit man blickt und flüstert böse ab und an, wenn es im feuchten Windhauch nickt. Das saß ein Kerl! Weiß Gott, mein Herz stand still, als ich ihn sitzen sah! Ich sah ihn nur von hinterwärts, und er saß klein und ruhig da. Saß in der Abenddämmerung, die Angelrute ausgestreckt, als ob ein toter Weidenstrunk den dürren Ast gespenstisch reckt. "He, Alter!" ruf ich, "beißt es gut?" Und sieh, der Baumstamm dreht sich um und wackelt mit dem runden Hut und grinst mit spitzen Zähnen stumm. Und spricht, doch nicht nach Landesart, wie Entenschnattern, schnell und breit, kommt’s aus dem algengrünen Bart: "Wenn’s regnet, hab’ ich gute Zeit!" "So scheint es", sag ich und ich schau in seinen Bottich neben ihn. Da wimmelt’s blank und silbergrau und müht sich mit zerfetzem Kiem’, Aale, die Flossen zart wie Flaum, glotzäugig Karpfen. Mittendrin, ich traue meinen Augen kaum, wälzt eine Natter sich darin! "Ein selt’nes Fischlein, Alter, traun!" Da springt er froschbehend empor. "Die Knorpel sind so gut zu kau’n" schnattert listig er hervor. "Gewiss seid ihr zur Nacht mein Gast! Wo wollt ihr heute auch noch hin? Nur zu, den Bottich angefasst! Genug ist für uns beide drin!" Und richtig watschelt er voraus, patsch, patsch am Uferrand entlang. Und wie im Traume heb ich auf und schleppe hinterdrein den Fang. Und krieche durch den Weidenhag, der eng den Rasenhang umschmiegt, wo, tief verborgen selbst am Tag, die schilfgebaute Hütte liegt. Da drinnen ist nicht Stuhl, nicht Tisch, der Alte sitzt am Boden platt, es riecht nach Aas und totem Fisch, mir wird vom bloßem Atmen satt. Er aber greift frisch in den Topf und frisst die Fische kalt und roh, packt sie beim Schwanz, beißt ab den Kopf und knirscht und schmatzt im Dunkeln froh. "Ihr esst ja nicht! Das ist nicht recht!" Die Schwimmhand klatscht mich fett aufs Knie. "Ihr seid vom trockenen Geschlecht, ich weiß, die Kerle essen nie! Ihr seid bekümmert? Sprecht doch aus, womit ich Euch erfreuen kann!" "Ja", klappre ich: "Ich will nach Haus, aus dem verfluchten Schnatermann." Da hebt der Kerl ein Lachen an, es klang nicht gut, mir wurde kalt. "Was wisst denn Ihr vom Schnatermann?" "Ja", sag ich stur," so heißt der Wald." "So heißt der Wald?" Nun geht es los, er grinst mich grün und phosphorn an: "Du dürrer Narr, was weißt du bloß vom Schnater-Schnater-Schnatermann?!" Und schnater-schnater, klitsch und klatsch, der Regen peitscht mir ins Gesicht. Quatsch’ durch den Sumpf, hoch spritzt der Matsch, ein Stiefel fehlt - ich acht es nicht. Und schnater-schnater um mich her, und Enten- ,Unken-, Froschgetöhn. Möwengelächter irr und leer und tief ein hohles Windgestöhn... Des andern Tags saß ich allein, nicht weit vom prasselnden Kamin und ließ mein schwer gekränkt’ Gebein wohlig von heißem Grog durchziehn. Wie golden war der Trank, wie klar, wie edel war sein starker Duft! Ich blickte nach dem Wald - es war noch sehr viel Regen in der Luft... |
Hallo Lai,
"Quoth the raven, `Nevermore.'" ;-) Das habe ich mit Absicht nicht eingestellt, sollte ja eigentlich jeder kennen. Denke ich zumindest. ... und die Überversetzung unter dem Gedicht ist ein Wikipediading, ich kann allerdings keinen Autor dazu finden. Vielleicht machst du uns ja mal eine Translation. ;-) Ich bin darin nicht wirklich gut muss ich zugeben, klar schreie ich dass eine Übersetzung besser sein könnte, hänge aber selber schon seit zwei Monaten an einer Verdeutschung für "In the Ghetto", von daher, wer bin ich, dass ich mit Steinen werfe. Einen lieben Gruß C. |
Hallo Cebrail,
ja, ich könnte mich wohl wirklich mal an eine Übersetzung wagen. Zu übertragen, wie 'Unbekannt' es mit Annabel Lee gemacht hat, da ist nix dabei. Mir jedoch gefiele die Herausforderung, es gereimt zu versuchen. ;) Ich werd mich mal dahinterklemmen und schauen, wie ich vorankomme. Da Du ein Poe-Fan bist, möchte ich Dir ans Herz legen, die Übersetzung / Nachdichtung des Rabens von unserem Forumkollegen Thomas zu lesen. Die ist mM nach um Längen besser als alle, die ich bisher gelesen habe, einschließlich die wohl bekannteste von Wollschläger, die von manchen Quellen auch als die beste bezeichnet wird. Für mich ist sie im Vergleich zu Thomas' schwach. Ich muß gleich nachgucken, ob Thomas' Werk hier am Eiland eingestellt ist. Fündig geworden. :) www.gedichte-eiland.de/showthread.php?t=8884 LG von Lai :) Lieber Sid, DAS ist ja ein tolles Werk! Der Name Ina Seidel ist mir völlig unbekannt. Bizarr, surreal und dabei witzig. Ganz super! Danke fürs Vorstellen. :) |
Rainer Maria Rilke
DER BLINDE KNABE An allen Türen blieb der blinde Knabe, auf den der Mutter bleiche Schönheit schien, und sang das Lied, das ihm sein Leid verliehn: "Oh hab mich lieb, weil ich den Himmel habe." Und alle weinten über ihn. An allen Türen blieb der blinde Knabe. Die Mutter aber zog ihn leise mit; weil sie die andern alle weinen schaute. Er aber, der nicht wusste, wie sie litt, und nur noch tiefer seinem Dunkel traute, sang: "Alles Leben ist in meiner Laute." Die Mutter aber zog ihn leise mit. So trug er seine Lieder durch das Land. Und als ein Greis ihn fragte, was sie deuten, da schwieg er, und auf seiner Stirne stand: Es sind die Funken, die die Stürme streuten, doch einmal werd ich breit sein wie ein Brand. So trug er seine Lieder durch das Land. Und allen Kindern kam ein Traurigsein. Sie mussten immer an den Blinden denken und wollten etwas seiner Armut weihn; er nahm sie lächelnd an den Handgelenken und sang: "Ich selbst bin kommen euch beschenken." Und allen Kindern kam ein Traurigsein. Und alle Mädchen wurden blass und bang. Und waren wie die Mutter dieses Knaben, der immer noch in ihren Nächten sang. Und fürchteten: wir werden Kinder haben, - und alle Mütter waren krank . . Da wurden ihre Wünsche wie ein Wort und flatterten wie Schwalben um die Eine, die mit dem Blinden zog von Ort zu Ort: "Maria, du Reine, sieh, wie ich weine. Und es ist seine Schuld. In die Haine führe ihn fort!" Bei allen Bäumen blieb der blinde Knabe, auf den der Mutter müde Schönheit schien, und sang das Lied, das ihm sein Leid verliehn: "Oh hab mich lieb, weil ich den Himmel habe -" Und alle blühten über ihm. DER SCHAUENDE Ich sehe den Bäumen die Stürme an, die aus laugewordenen Tagen an meine ängstlichen Fenster schlagen, und höre die Fernen Dinge sagen, die ich nicht ohne Freund ertragen, nicht ohne Schwester lieben kann. Da geht der Sturm, ein Umgestalter, geht durch den Wald und durch die Zeit, und alles ist wie ohne Alter: die Landschaft, wie ein Vers im Psalter, ist Ernst und Wucht und Ewigkeit. Wie ist das klein, womit wir ringen, was mit und ringt, wie ist das groß; ließen wir, ähnlicher den Dingen, uns so vom großen Sturm bezwingen, - wir würden weit und namenlos. Was wir besiegen, ist das Kleine, und der Erfolg selbst macht uns klein. Das Ewige und Ungemeine will nicht von uns gebogen sein. Das ist der Engel, der den Ringern des Alten Testaments erschien: wenn seiner Widersacher Sehnen im Kampfe sich metallen dehnen, fühlt er sie unter seinen Fingern wie Saiten tiefer Melodien. Wen dieser Engel überwand, welcher so oft auf Kampf verzichtet, der geht gerecht und aufgerichtet und groß aus jener harten Hand, die sich, wie formend, an ihn schmiegte. Die Siege laden ihn nicht ein. Sein Wachstum ist: der Tiefbesiegte von immer Größerem zu sein. DER APFELGARTEN Komm gleich nach dem Sonnenuntergange, sieh das Abendgrün des Rasengrunds; ist es nicht, als hätten wir es lange angesammelt und erspart in uns, um es jetzt aus Fühlen und Erinnern, neuer Hoffnung, halbvergeßnem Freun, noch vermischt mit Dunkel aus dem Innern, in Gedanken vor uns hinzustreun unter Bäume wie von Dürer, die das Gewicht von hundert Arbeitstagen in den überfüllten Früchten tragen, dienend, voll Geduld, versuchend, wie das, was alle Maße übersteigt, noch zu heben ist und hinzugeben, wenn man willig, durch ein ganzes Leben nur das Eine will und wächst und schweigt. DER FREMDE Ohne Sorgfalt, was die Nächsten dächten, die er müde nichtmehr fragen hieß, ging er wieder fort, verlor, verließ - . Denn er hing an solchen Reisenächten anders als an jeder Liebesnacht. Wunderbare hatte er durchwacht, die mit starken Sternen überzogen enge Fernen auseinanderbogen und sich wandelten wie eine Schlacht; andre, die mit in den Mond gestreuten Dörfern, wie mit hingehaltnen Beuten; sich ergaben, oder durch geschonte Parke graue Edelsitze zeigten, die er gerne in dem hingeneigten Haupte einen Augenblick bewohnte, tiefer wissend, dass man nirgends bleibt; und schon sah er bei dem nächsten Biegen wieder Wege, Brücken, Länder liegen bis an Städte, die man übertreibt. Und dies alles immer unbegehrend hinzulassen, schien ihm mehr als seines Lebens Lust, Besitz und Ruhm. Doch auf fremden Plätzen war ihm eines täglich ausgetretnen Brunnensteines Mulde manchmal wie ein Eigentum. RÖMISCHE FONTÄNE Zwei Becken, eins das andre übersteigend aus einem alten runden Marmorrand, und aus dem oberen Wasser leis sich neigend zum Wasser, welches unten wartend stand, dem leise redenden entgegenschweigend und heimlich, gleichsam in der hohlen Hand, ihm Himmel hinter Grün und Dunkel zeigend wie einen unbekannten Gegenstand; sich selber ruhig in der schönen Schale verbreitend ohne Heimweh, Kreis aus Kreis, nur manchmal träumerisch und tropfenweis sich niederlassend an den Moosbehängen zum letzten Spiegel, der sein Becken leis von unten lächeln macht mit Übergängen. SONETT XXIX (aus dem 2. Teil der Sonette an Orpheus) Stiller Freund der vielen Fernen, fühle, wie dein Atmen noch den Raum vermehrt. Im Gebälk der finstern Glockenstühle laß dich läuten. Das, was an dir zehrt, wird ein Starkes über dieser Nahrung. Geh in der Verwandlung aus und ein. Was ist deine leidenste Erfahrung? Ist dir Trinken bitter, werde Wein. Sei in dieser Nacht aus Übermaß Zauberkraft am Kreuzweg deiner Sinne, ihrer seltsamen Begegnung Sinn. Und wenn dich das Irdische vergaß, zu der stillen Erde sag: Ich rinne. Zu dem raschen Wasser sprich: Ich bin. DER BALL Du Runder, der das Warme aus zwei Händen im Fliegen, oben, fortgibt, sorglos wie sein eigenes; was in den Gegenständen nicht bleiben kann, zu unbeschwert für sie, zu wenig Ding und doch noch Ding genug, um nicht aus allem draußen Aufgereihten unsichtbar plötzlich in uns einzugleiten: das glitt in dich, du zwischen Fall und Flug noch Unentschlossener: der, wenn er steigt, als hätte er ihn mit hinaufgehoben, den Wurf entführt und freiläßt - , und sich neigt und einhält und den Spielenden von oben auf einmal eine neue Stelle zeigt, sie ordnend wie zu einer Tanzfigur, um dann, erwartet und erwünscht von allen, rasch, einfach, kunstlos, ganz Natur, dem Becher hoher Hände zuzufallen. DIE GAZELLE (Gazella Dorcas) Verzauberte: Wie kann der Einklang zweier erwählter Worte je den Reim erreichen, der in dir kommt und geht, wie auf ein Zeichen. Aus deiner Stirne steigen Laub und Leier, und alles Deine geht schon im Vergleich durch Liebeslieder, deren Worte, weich wie Rosenblätter, dem, der nicht mehr liest, sich auf die Augen legen, die er schließt: um dich zu sehen: hingetragen, als wäre mit Sprüngen jeder Lauf geladen und schösse nur nicht ab, solang der Hals das Haupt ins Horchen hält: wie wenn beim Baden im Wald die Badende sich unterbricht: den Waldsee im gewendeten Gesicht. DER SCHWAN Diese Mühsal, durch noch Ungetanes schwer und wie gebunden hinzugehn, gleicht dem ungeschaffnen Gang des Schwanes. Und das Sterben, dieses Nichtmehrfassen jenes Grunds, auf dem wir täglich stehn, seinem ängstlichen Sich-Niederlassen - : in die Wasser, die ihn sanft empfangen und die sich, wie glücklich und vergangen, unter ihm zurückziehn, Flut um Flut; während er unendlich still und heiter immer mündiger und königlicher und gelassener zu ziehn geruht. DIE HEILIGE Das Volk war durstig; also ging das eine durstlose Mädchen, ging die Steine um Wasser anflehn für ein ganzes Volk. Doch ohne Zeichen blieb der Zweig der Weide, und sie ermattete am langen Gehn und dachte endlich nur, dass einer leide, (ein kranker Knabe, und sie hatten beide sich einmal abends ahnend angesehn). Da neigte sich die junge Weidenrute in ihren Händen dürstend wie ein Tier: jetzt ging sie blühend über ihrem Blute, und rauschend ging ihr Blut tief unter ihr. EINSAMKEIT Die Einsamkeit ist wie ein Regen. Sie steigt vom Meer den Abenden entgegen; von Ebenen, die fern sind und entlegen, geht sie zum Himmel, der sie immer hat. Und erst vom Himmel fällt sie auf die Stadt. Regnet hernieder in den Zwitterstunden, wenn sich nach Morgen wenden alle Gassen und wenn die Leiber, welche nichts gefunden, enttäuscht und traurig voneinander lassen; und wenn die Menschen, die einander hassen, in einem Bett zusammen schlafen müssen: dann geht die Einsamkeit mit den Flüssen . . . WELCHE WIESEN . . Welche Wiesen duften deine Hände? Fühlst du wie auf deine Widerstände stärker sich der Duft von draußen stützt. Drüber stehn die Sterne schon in Bildern. Gib mir, Liebe, deinen Mund zu mildern; ach, dein ganzes Haar ist unbenützt. Sieh, ich will dich mit dir selbst umgeben und die welkende Erwartung heben von dem Rande deiner Augenbraun; wie mit lauter Liderinnenseiten will ich dir mit meinen Zärtlichkeiten alle Stellen schließen, welche schaun. DER TOD DER GELIEBTEN Er wusste nur vom Tod was alle wissen: dass er uns nimmt und in das Stumme stößt. Als aber sie, nicht von ihm fortgerissen, nein, leis aus seinen Augen ausgelöst, hinüberglitt zu unbekannten Schatten, und als er fühlte, dass sie drüben nun wie einen Mond ihr Mädchenlächeln hatten und ihre Weise wohlzutun: da wurden ihm die Toten so bekannt, als wäre er durch sie mit einem jeden ganz nah verwandt; er ließ die andern reden und glaubte nicht und nannte jenes Land das gutgelegene, das immersüße - und tastete es ab für ihre Füße. DER BLINDE (Paris) Sieh, er geht und unterbricht die Stadt, die nicht ist auf seiner dunkeln Stelle, wie ein dunkler Sprung durch eine helle Tasse geht. Und wie auf einem Blatt ist auf ihm der Widerschein der Dinge aufgemalt; er nimmt ihn nicht hinein. Nur sein Fühlen rührt sich, so als finge es die Welt in kleinen Wellen ein: eine Stille, einen Widerstand - , und dann scheint er wartend wen zu wählen: hingegeben hebt er seine Hand, festlich fast, wie um sich zu vermählen. EINE WELKE Leicht, wie nach ihrem Tode trägt sie die Handschuh, das Tuch. Ein Duft aus ihrer Kommode verdrängte den lieben Geruch, an dem sie sich früher erkannte. Jetzt fragte sie lange nicht, wer sie sei (: eine ferne Verwandte), und geht in Gedanken umher und sorgt für ein ängstliches Zimmer, das sie ordnet und schont, weil es vielleicht noch immer dasselbe Mädchen bewohnt. DER BALKON Von der Enge, oben, des Balkones angeordnet wie von einem Maler und gebunden wie zu einem Strauß alternder Gesichter und ovaler, klar im Abend, sehn sie idealer, rührender und wie für immer aus. Dieses aneinander angelehnten Schwestern, die, als ob sie sich von weit ohne Aussicht nacheinander sehnten, lehnen, Einsamkeit an Einsamkeit; und der Bruder mit dem feierlichen Schweigen, zugeschlossen, voll Geschick, doch von einem sanften Augenblick mit der Mutter unbemerkt verglichen; und dazwischen, abgelebt und länglich, längst mit keinem mehr verwandt, einer Greisin Maske, unzugänglich, wie im Fallen von der einen Hand aufgehalten, während eine zweite welkere, als ob sie weitergleite, unten von den Kleidern hängt zur Seite von dem Kinderangesicht, das das Letzte ist, versucht, verblichen, von den Stäben wieder durchgestrichen wie noch unbestimmbar, wie noch nicht. DON JUANS KINDHEIT In seiner Schlankheit war, schon fast entscheidend, der Bogen, der an Frauen nicht zerbricht; und manchmal, seine Stirne nicht mehr meidend, ging eine Neigung durch sein Angesicht zu einer die vorüberkam, zu einer die ihm ein fremdes altes Bild verschloss: er lächelte. Er war nicht mehr der Weiner, der sich ins Dunkel trug und sich vergoß. Und während ein ganz neues Selbstvertrauen ihn öfter tröstete und fast verzog, ertrug er ernst den ganzen Blick der Frauen, der ihn bewunderte und ihn bewog. DAME VOR DEM SPIEGEL Wie in einem Schlaftrunk Spezerein löst sie leise in dem flüssigklaren Spiegel ihr ermüdetes Gebaren; und sie tut ihr Lächeln ganz hinein. Und sie wartet, dass die Flüssigkeit davon steigt; dann gießt sie ihre Haare in den Spiegel, und, die wunderbare Schulter hebend aus dem Abendkleid, trinkt sie still aus ihrem Bild. Sie trinkt, wie ein Liebender im Taumel tränke, prüfend, voller Mißtraun; und sie winkt erst der Zofe, wenn sie auf dem Grunde ihres Spiegels Lichter findet, Schränke und das Trübe einer späten Stunde. DIE FLAMINGOS In Spiegelbildern wie von Fragonard ist doch von ihrem Weiß und ihrer Röte nicht mehr gegeben, als dir einer böte, wenn er von seiner Freundin sagt: sie war noch sanft von Schlaf. Denn steigen sie ins Grüne und stehn, auf rosa Stielen leicht gedreht, beisammen, blühend, wie in einem Beet, verführen sie verführender als Phryne sich selber; bis sie ihres Auges Bleiche hinhalsend bergen in der eignen Weiche, in welcher Schwarz und Fruchtrot sich versteckt. Auf einmal kreischt ein Neid durch die Volière; sie aber haben sich erstaunt gereckt und schreiten einzeln ins Imaginäre. DER PAVILLON Aber selbst noch durch die Flügeltüren mit dem grünen regentrüben Glas ist ein Spiegeln lächelnder Allüren und ein Glanz von jenem Glück zu spüren, das sich dort, wohin sie nicht mehr führen, einst verbarg, verklärte und vergaß. Aber selbst noch in den Steingirlanden über der nicht mehr berührten Tür ist ein Hang zur Heimlichkeit vorhanden und ein stilles Mitgefühl dafür - , und sie schauern manchmal, wie gespiegelt, wenn ein Wind sie schattig überlief; auch das Wappen, wie auf einem Brief viel zu glücklich, überstürzt gesiegelt, redet noch. Wie wenig man verscheuchte: alles weiß noch, weint noch, tut noch weh - , Und im Fortgehn durch die tränenfeuchte abgelegene Allee fühlt man lang noch auf dem Rand des Dachs jene Urnen stehen, kalt, zerspalten: doch entschlossen, noch zusammzuhalten um die Asche alter Achs. |
G.E.Lessing
Abschied an den Leser Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt, |
Seufz und schmelz... Der Pavillon, Eky
so schön, dass es weh tut. Jetzt sind es ein paar ACH's mehr. Chavi, Lessings Winzling ist auch nicht ohne. Schmunzel. |
Freiheit
Das ganze halbverweste Sein durchbrochen! Die Klage, die um niedre Leiden stöhnt, die Freude, die den Schmerz der Seele höhnt: an's ehrne Tor des Todes anzupochen. Der Geist zerreibt sich, und die Sinne kochen, an Schmutz und Tollheit jahrelang gewöhnt... doch wo die Mahnung zur Vernichtung tönt, ist jedem Mann der Rettungsweg versprochen. Nun raffe ich die halberloschnen Flammen zu letztem, heldenhaftem Tun zusammen, die Riegel sprengend meiner Kerkerhaft. Mit meinem Blut den Frieden zu erwerben, die Freiheit mit des Lebens fliehnder Kraft, die nirgend ich erblicke denn im Sterben. Stuttgart, 13. März 1905 Wolf von Kalckreuth ... . Der Kreislauf der erblichnen Stunden drückt dich mit schwerer Müdigkeit; mit Ketten ist dein Fuß gebunden, die dich umschließen allezeit, bis sie mit leiser Traurigkeit die Stärke deines selbst vernichten: die Hand sinkt lahm, der Blick wird weit; denn sehend werden heißt verzichten. Der Ton, den andere gefunden, dem deine Seele Leben leiht, blüht in der Öde deiner Wunden mit seltsam fahler Farbigkeit. Er gibt dir flüsternd das Geleit, wohin sich deine Schritte richten. Du fühlst nur fremdes Glück und Leid; denn sehend werden heißt verzichten. Du denkst der Zeiten, die entschwunden, verlorner Tage Herrlichkeit. Doch fehlt die Kraft dir zu gesunden, es flammt kein Strahl, der dich befreit. Die Liebe, der du einst geweiht, dünkt dir ein lästiges Verpflichten - ein Schauspiel voller Seltsamkeit - denn sehend werden heißt verzichten. Ihr Glücklichen, sei euch geweiht mein traurig Sinnen und mein Dichten... lebt fort in blinder Seligkeit - denn sehend werde heißt verzichten. Wolf von Kalckreuth ... . Die Gärten in dem Schoß der großen Wüste, weit hinter fahlem Sand und Wellenblauen, wo Sommerwolken duftig niedertauen: Sie sind die Heimat meiner Sehnsucht, Süßte. Die Schar der Träume, die mich leuchtend grüßte, wann ich entschlief im leisen Abendgrauen, sie ließen jenes holde Land mich schauen und Sonnenlicht – das zärtlichste und frühste. Durch den Jasmin verrieseln klare Quellen, und blaue Winden spiegeln in den Wellen, die um die Lauben rinnen lautern Scheins. Und wie die Liebe sorglich uns geleitet, stand im Gefild ich, das sich prangend breitet – und du und jene Gärten waren eins. Wolf von Kalckreuth |
Dies ist wohl eines der schönsten deutschen Gedichte. Ein Meisterwerk, das der junge Kalckreuth schon in solch zartem Alter schrieb.
Man staune wie er diese sehr sehr fordernde Form beherrschte und trotz der vielen gleichen Reime nie die Aussage vernachlässigte. Grandios und unübertroffen. Der Abendhorizont vergangner Stunden, der zitternd mein ermüdet Auge bannt, rankt seine weißen Blüten, zartgewunden, aufhellend, um das traumbetaute Land. Und liliengleich sprießt alles, was entschwand, als ob ein fremder Hauch es aufwärts triebe - und zitternd flimmern durch die Nebelwand der Stern der Sehnsucht und der blassen Liebe. Wie Weihrauchduft durch fern Gewölb empfunden hat sich ein Schleier über ihn gespannt, das fast dem weiten Äther er entschwunden, in dem er leise knisternd aufgebrannt. Es ist, als ob auf lieblichem Gewand gestreifter Blumen Goldstaub haften bliebe. So hingeweht perlt er am Himmelsrand, der Stern der Sehnsucht und der blassen Liebe. Ein Dunkel ohne Morgen deckt die Wunden, die ich betastet mit entweihter Hand, und deren Schmerz so köstlich ich erfunden, so oft die Sterne scheidend sich gewandt. Doch wie ein silbern, windentwehtes Band hält mich der Strahl, ob alles auch zerstiebe, und zaubert über Flut und weißen Strand den Stern der Sehnsucht und der blassen Liebe. Du, Liebste, hast allein mein Herz gekannt; und wann der Zukunft Machtwort es zerriebe, stets strahlt mir, ein entwichner Diamant, der Stern der Sehnsucht und der blassen Liebe. Wolf von Kalckreuth |
Das ist wirklich atemberaubend schön! Terrapin, DANKE fürs Einstellen, ich kannte Kalckreuth bisher nur dem Namen nach. Jetzt aber will ich mehr von ihm lesen, seine Poesie begeistert mich.
HG von Lai:Blume: |
Hallo Lailany!
Klackreuth ist in der Tat ein beeindruckender und ergreifender Dichter. Ein Ausnahmetalent wie Arthur Rimbaud. Als ich vor Jahren durch Zufall eines seiner Sonette gelesen habe erlag ich sofort seinem Zauber und verschlang alles von ihm. Es war diese schwingende Leichtigkeit in seinen Versen vereint mit köstlich treffender Aussage. Die Silben und Worte fließen so vorbestimmt und erhaben. Leider ist es mitunter recht mühsam an seine Werke zu gelangen. Doch wiegt der Klang der Lieder die Anstrengungen weitüber auf. Um ehrlich zu sein sind viele seiner Gedichte meine Lieblinge. In jedem einzelnen liegt der flammende Hauch eines hehren Geistes und die gewaltige Sehnsucht nach dem Tod. Ach, ich könnte schon wieder unnütz in aller Leidenschaft gefangen, haltlos Schwärmen. Hier ein Link, wo ich einen Teil seines Werkes für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich gemacht habe, das er mir nicht irgendwann gänzlich vergessen wird. (Ich hoffe das das gestattet ist.) link entfernt - siehe nutzungsbedingungen chavali/mod Ich will auch gleich das erste Sonett, das ich von ihm las, beilegen. Die Lüfte werden seltsam kalt und leicht, denn alle Hoffnung ist im Sand bestattet, und selbst die Macht der Schwermut ist ermattet, die ich geliebt, wie alles, was entweicht. Nun ist der Pfad der blassen Nacht erreicht, den ihr im Leben längst vergessen hattet. Er ist so zart, so wundersam beschattet, das kein Gefilde ihm an Wehmut gleicht. Der Pfad auf weißem, schleierhaftem Moose, der Pfad ins Niebetretne, Wesenlose. - Und wenig nehme ich dahin von hier. Doch eh die Sinne sich in Nacht versenken, schenkt mir ein leises, zitterndes Gedenken, schenkt die Erinnrung toter Sehnsucht mir. Um Weihnachten 1905 Liebe Grüße, Terrapin. |
Der schöne Faden liegt schon viel zu lange brach, drum möchte ich ihn wieder aufleben lassen mit einem Werk von R.M.Rilke.
Der Panther Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, daß er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, der sich im allerkleinsten Kreise dreht, ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein großer Wille steht. Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf - dann geht ein Bild hinein, geht durch der Glieder angespannte Stille - und hört im Herzen auf zu sein. Wer bei einem Gedicht noch nie geweint hat, der lasse die letzte Zeile ins Gemüt einsinken. So schlicht, so banal die Wortführung und dennoch beinhaltet sie die stumme Trauer und das Leid aller gequälten Kreaturen dieser Welt. Dieses Werk von Rilke kannte ich noch nicht, hab es eben erst entdeckt und gleich bei meinen Lieblingsgedichten eingereiht. |
Ja, Lai, *Der Panther* ist auch eines meiner Lieblingsgedichte :) |
ein schöner Faden,:) in dem ich gerne mal wieder schnuppern werde.
Der Panther ist auch mein Lieblingsgedicht, ich hätte ihn auch eingestellt. Sehr schön finde ich auch die Gedichte von Kalkreuth. da muss ich noch mal stöbern! und natürlich alles von Rilke, was Erich eingestellt hat. LG von Agneta |
Fresko Sonett an Christian S. von Heinrich Heine
II. Gib her die Larv', ich will mich jetzt maskieren In einen Lumpenkerl, damit Halunken, Die prächtig in Charaktermasken prunken, Nicht wähnen, ich sei einer von den Ihren. Gib her gemeine Worte und Manieren, Ich zeige mich in Pöbelart versunken, Verleugne all die schönen Geistesfunken, Womit jetzt fade Schlingel kokettieren. So tanz ich auf dem großen Maskenballe, Umschwärme von deutschen Rittern, Mönchen, Kön'gen, Von Harlekin gegrüßt, erkannt von wen'gen. Mit ihrem Holzschwert prügeln sie mich alle. Das ist der Spaß. Denn wollt ich mich entmummen, So müßte all das Galgenpack verstummen. |
Da ich neben Rilke immer auch schon eine Schwäche für satirische Humoristen hatte, mochte ich immer auch Eugen Roth .
Hier eines meiner Lieblinge von ihm: "Immer höflich - von Eugen Roth Ein Mensch grüßt, als ein Mann von Welt, wenn man ihm einmal vorgestellt. Er trifft denselben äußerst spärlich, wenn´s hochkommt, drei- bis viermal jährlich und man begrinst sich, hohl und heiter, und geht dann seines Weges weiter. Doch einmal kommt ein schlechter Tag, wo just der Mensch nicht grinsen mag. Und er geht stumm und starr vorbei, als ob er ganz wer andrer sei. Doch solche Unart rächt sich kläglich: Von Stund an trifft er jenen täglich! ------- |
Caspar Hauser singt
Als schlichter Waise, reich genug an meiner Augen stillem Scheine, kam ich zur Stadt, fremd und alleine, die Männer fanden mich nicht klug. Mit zwanzig Jahren wurde ich im Feuer der verliebten Sinne der Weiber süßer Schönheit inne: doch freilich schön fand keine mich. Wenn auch in keines Königs Sold, ich Heimatloser Ruhm erworben, wär' gern ich doch im Krieg gestorben, doch hat der Tod mich nicht gewollt. Kam ich zu früh, kam ich zu spät in diese Welt voll herber Trauer? Was soll mir, ach, des Lebens Dauer? Denkt an mich Armen im Gebet! Paul Verlaine Übertragung von Wolf von Kalckreuth La Chanson de Gaspard Hauser Je suis venu, calme orphelin, Riche de mes seuls yeux tranquilles, Vers les hommes des grandes villes : Ils ne m’ont pas trouvé malin. À vingt ans un trouble nouveau Sous le nom d’amoureuses flammes M’a fait trouver belles les femmes : Elles ne m’ont pas trouvé beau. Bien que sans patrie et sans roi Et très brave ne l’étant guère, J’ai voulu mourir à la guerre : La mort n’a pas voulu de moi. Suis-je né trop tôt ou trop tard ? Qu’est-ce que je fais en ce monde ? Ô vous tous, ma peine est profonde : Priez pour le pauvre Gaspard ! |
Danke @Lailany - Der Panther ist auch mein großer Favorit.
Falls jemandem gerade romantisch zumute ist, mir gefällt auch das hier: Der Asra Täglich ging die wunderschöne Sultanstocher auf und nieder Um die Abendzeit am Springbrunn, Wo die weißen Wasser plätschern. Täglich stand der junge Sklave Um die Abendzeit am Springbrunn, Wo die weißen Wasser plätschern; Täglich ward er bleich und bleicher. Eines Abends trat die Fürstin Auf ihn zu mit raschen Worten: Deinen Namen will ich wissen, Deine Heimat, deine Sippschaft! Und der Sklave sprach: Ich heiße Mohamet, ich bin aus Yemmen, Und mein Stamm sind jene Asra, Welche sterben, wenn sie lieben. Heinrich Heine |
Emmanuel Geibel
Hier etwas Passendes zur Jahreszeit: |
DAS kam mir heute zufällig unter die Augen, in denen ich am Ende Tränen hatte: |
Paul Verlaine
Übersetzungen: Wolf von Kalckreuth Wundersame Dämmerung Erinnerung in Dämmerlicht verglühend Zittert und loht am fernen Himmelsrand Der Hoffnung, die geheimnisvoll bald fliehend Bald wachsend flammt, wie eine Scheidewand. Wie mancher Blume farbenbunt Gewand, Wie Dalie, Tulpe, Lilie erblühend, Ein Gitter rings umrankend und umziehend Mit gift'gem Hauch, der all mein Wesen bannt; Voll schweren Wohlgeruchs, der zu mir fand, Aus Dalie, Tulpe, Lilie erblühend, Ertränkend Seele, Sinne und Verstand, Bis mich mit schwerer Ohnmacht übermannt Erinnerung in Dämmerlicht verglühend. Abendsonnen Blass giesst im Verrinnen Auf Felder und Rain Schwermütiges Sinnen Der scheidende Schein. Schwermütiges Sinnen Wiegt flüsternd mich ein, Mein Herz zu umspinnen Im scheidenden Schein. Und fremde Träume Ziehn sonnengleich Über Heiden und Bäume, Rotflimmernd und weich, Endlos durch die Räume Ziehn sonnengleich Sie über das Reich Der Heiden und Bäume. Herbstlied Den Herbst durchzieht Das Sehnsuchtslied Der Geigen Und zwingt mein Herz In bangem Schmerz Zu schweigen. Bleich und voll Leid, Dass die letzte Zeit Erscheine, Gedenk' ich zurück An fernes Glück, Und ich weine. Und so muss ich gehn Im Herbsteswehn Und Wetter, Bald hier, bald dort, Verweht und verdorrt Wie die Blätter. Vom Mondenschein ist Der Wald so blass. Im ganzen Hain ist Ein Flüstern, das Vom Laubdach tönte: O Vielersehnte! Im tiefen Teiche Bespiegeln lind Sich schwarze Sträuche, Es weint der Wind In Weidenbäumen ... Zeit ist zu träumen. Ein zartes Schweigen Scheint sanft und rein Herabzusteigen Vom Dämmerschein Der Sternenrunde ... Das ist die Stunde. Weinlese Die Dinge, die in uns singen, Wann unser Bewusstsein ruhte, Sie tönen in unserem Blute, O fernes, verschwiegenes Klingen! Horcht! Unser Blut ist's, das leidet, Wann unsere Seele entflohn ist, Wie so fremd und seltsam sein Ton ist, Der bald im Schweigen verscheidet. O Blut der rosigen Traube, O Wein der schwärzlichen Venen, Wein und Blut, verklärender Glaube. Singt! Löst unsre Seele in Tränen, Und bis in die Tiefen hernieder Durchbebt unsre armen Glieder. Dies sind wirklich die besten Verlaineübersetzungen in Versform und kommen dem musikalischen Ton des Original am nächsten. |
Also ich hätte drei Lieblingsgedichte beizusteuern und wenn ich
mich nicht vertan habe sind sie auch noch nicht gekommen. Das ist zum ersten von Rilke, der ja durchaus gut vertreten ist: Nachthimmel und Sternenfall Der Himmel, groß, voll herrlicher Verhaltung, ein Vorrat Raum, ein Übermaß von Welt. Und wir, zu ferne für die Angestaltung, zu nahe für die Abkehr hingestellt. Da fällt ein Stern! Und unser Wunsch an ihn, bestürzten Aufblicks, dringend angeschlossen: Was ist begonnen, und was ist verflossen? Was ist verschuldet? Und was ist verziehn? Dann etwas ganz Gegensätzliches von meinem "Freund" Trakl: Untergang Über den weißen Weiher Sind die wilden Vögel fortgezogen. Am Abend weht von unseren Sternen ein eisiger Wind. Über unsere Gräber Beugt sich die zerbrochene Stirne der Nacht. Unter Eichen schaukeln wir auf einem silbernen Kahn. Immer klingen die weißen Mauern der Stadt. Unter Dornenbogen O mein Bruder klimmen wir blinde Zeiger gen Mitternacht. Und zum Schluss eine neue Entdeckung für mich und ganz begeisternd, hatte es auch schon mal in anderem Zusammenhang erwähnt, ein Gedicht von Wolfenstein: Städter Dicht wie Löcher eines Siebes stehn Fenster beieinander, drängend fassen Häuser sich so dicht an, daß die Straßen Grau geschwollen wie Gewürgte stehn. Ineinander dicht hineingehakt Sitzen in den Trams die zwei Fassaden Leute, wo die Blicke eng ausladen Und Begierde ineinander ragt. Unsre Wände sind so dünn wie Haut, Daß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine. Flüstern dringt hinüber wie Gegröhle: Und wie stumm in abgeschlossner Höhle Unberührt und ungeschaut Steht doch jeder fern und fühlt: alleine. Gibt natürlich noch mehr Texte die mich begeistern, aber das sind schon ganz wichtige die mich immer wieder begleiten. |
Wie rafft ich mich auf in der Nacht, in der Nacht,
Und fühlte mich fürder gezogen, Die Gassen verließ ich, vom Wächter bewacht, Durchwandelte sacht In der Nacht, in der Nacht, Das Tor mit dem gotischen Bogen. Der Mühlbach rauschte durch felsigen Schacht, Ich lehnte mich über die Brücke, Tief unter mir nahm ich der Wogen in Acht, Die wallten so sacht In der Nacht, in der Nacht, Doch wallte nicht Eine zurücke. Es drehte sich oben, unzählig entfacht, Melodischer Wandel der Sterne, Mit ihnen der Mond in beruhigter Pracht, Sie funkelten sacht In der Nacht, in der Nacht, Durch täuschend entlegene Ferne. Ich blickte hinauf in der Nacht, in der Nacht, Ich blickte hinunter aufs neue: O wehe, wie hast du die Tage verbracht! Nun stille du sacht In der Nacht, in der Nacht, Im pochenden Herzen die Reue! August Graf von Platen Tolles Gedicht. |
Drei meiner Lieblingsgedichte:
Ernst Goll (1887-1912) Heimweg Die Sonne schied – ein letztes Leuchten blieb noch hängen in den herbstgoldroten Zweigen. Ein dunkler Knabe führt sein blondes Lieb den Waldpfad heim. Die dunklen Lippen schweigen. Doch wo der Weg in Vorstadtgärten mündet, reicht er dem Mädchen seine kühle Hand und fühlt erschreckend, wie die Liebe schwindet, die ihre Seelen aneinanderband. Unter eines Tages Summe Unter eines Tages Summe ist der schwarze Strich gemacht, und wir reichen uns die stumme Hand zum Abschied: "Gute Nacht!" Schien die Sonne uns vergebens? Oh, wir sagen lächelnd: "Nein!" Und ins goldne Buch des Lebens schreiben wir: Beisammensein. Abschied Meine armen Wege gehen wieder ferne von den deinen, vor dem dunklen Fenster stehen wir, und unsre Seelen weinen. Jahr und Tag und Stunden schwinden, meine Gärten stehn verlassen – weiß nur, dass ich Liebe finden wollte auf den dunklen Straßen. |
Lieblingsgedichte
An die Parzen (Hölderlin)
Nur Einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen! Und einen Herbst zu reifem Gesange mir, Daß williger mein Herz, vom süßen Spiele gesättiget, dann mir sterbe. Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht; Doch ist mir einst das Heilge, das am Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen, Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt! Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel Mich nicht hinab geleitet; Einmal Lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht. |
Mondnacht
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Selige Sehnsucht
Goethe Johann Wolfgang von
Westöstlicher Divan Moganni Nameh - Buch des Sängers Selige Sehnsucht Sagt es niemand, nur den Weisen, Weil die Menge gleich verhöhnet, Das Lebend'ge will ich preisen, Das nach Flammentod sich sehnet. In der Liebesnächte Kühlung, Die dich zeugte, wo du zeugtest, Überfällt dich fremde Fühlung, Wenn die stille Kerze leuchtet. Nicht mehr bleibest du umfangen In der Finsternis Beschattung, Und dich reißet neu Verlangen Auf zu höherer Begattung. Keine Ferne macht dich schwierig, Kommst geflogen und gebannt, Und zuletzt, des Lichts begierig, Bist du, Schmetterling, verbrannt. Und solang du das nicht hast, Dieses: Stirb und werde! Bist du nur ein trüber Gast Auf der dunklen Erde. Tut ein Schilf sich doch hervor, Welten zu versüßen! Möge meinem Schreibe-Rohr Liebliches entfließen! |
Schillers Nänie
Nänie
Auch das Schöne muß sterben! Das Menschen und Götter bezwinget, Nicht die eherne Brust rührt es des stygischen Zeus. Einmal nur erweichte die Liebe den Schattenbeherrscher, Und an der Schwelle noch, streng, rief er zurück sein Geschenk. Nicht stillt Aphrodite dem schönen Knaben die Wunde, Die in den zierlichen Leib grausam der Eber geritzt. Nicht errettet den göttlichen Held die unsterbliche Mutter, Wann er, am skäischen Tor fallend, sein Schicksal erfüllt. Aber sie steigt aus dem Meer mit allen Töchtern des Nereus, Und die Klage hebt an um den verherrlichten Sohn. Siehe! Da weinen die Götter, es weinen die Göttinnen alle, Daß das Schöne vergeht, daß das Vollkommene stirbt. Auch ein Klaglied zu sein im Mund der Geliebten ist herrlich; Denn das Gemeine geht klanglos zum Orkus hinab. |
[B]Der Gott und die Bajadere[/B]
Johann Wolfgang von Goethe
Indische Legende Mahadöh, der Herr der Erde, Kommt herab zum sechsten Mal, Dass er unsersgleichen werde, Mitzufühlen Freud und Qual. Er bequemt sich, hier zu wohnen, Lässt sich alles selbst geschehn. Soll er strafen oder schonen, Muss er Menschen menschlich sehn. Und hat er die Stadt sich als Wandrer betrachtet, Die Großen belauert, auf Kleine geachtet, Verlässt er sie abends, um weiter zu gehn. Als er nun hinausgegangen, Wo die letzten Häuser sind, Sieht er, mit gemalten Wangen, Ein verlornes schönes Kind. "Grüß' dich, Jungfrau!" - "Dank der Ehre! Wart, ich komme gleich hinaus." "Und wer bist du?" - "Bajadere, Und dies ist der Liebe Haus." Sie rührt sich, die Cymbeln zum Tanze zu schlagen; Sie weiß sich so lieblich im Kreise zu tragen, Sie neigt sich und biegt sich und reicht ihm den Strauß. Schmeichelnd zieht sie ihn zur Schwelle, Lebhaft ihn ins Haus hinein. "Schöner Fremdling, lampenhelle Soll sogleich die Hütte sein. Bist du müd, ich will dich laben, Lindern deiner Füße Schmerz. Was du willst, das sollst du haben, Ruhe, Freuden oder Scherz." Sie lindert geschäftig geheuchelte Leiden. Der Göttliche lächelt; er siehet mit Freuden Durch tiefes Verderben ein menschliches Herz. Und er fordert Sklavendienste; Immer heitrer wird sie nur, Und des Mädchens frühe Künste Werden nach und nach Natur. Und so stellet auf die Blüte Bald und bald die Frucht sich ein; Ist Gehorsam im Gemüte, Wird nicht fern die Liebe sein. Aber sie schärfer und schärfer zu prüfen, Wählet der Kenner der Höhen und Tiefen Lust und Entsetzen und grimmige Pein. Und er küsst die bunten Wangen, Und sie fühlt der Liebe Qual, Und das Mädchen steht gefangen, Und sie weint zum erstenmal; Sinkt zu seinen Füßen nieder, Nicht um Wollust noch Gewinst, Ach! und die gelenken Glieder, Sie versagen allen Dienst. Und so zu des Lagers vergnüglicher Feier Bereiten den dunklen, behaglichen Schleier Die nächtlichen Stunden, das schöne Gespinst. Spät entschlummert unter Scherzen, Früh erwacht nach kurzer Rast, Findet sie an ihrem Herzen Tot den vielgeliebten Gast. Schreiend stürzt sie auf ihn nieder; Aber nicht erweckt sie ihn, Und man trägt die starren Glieder Bald zur Flammengrube hin. Sie höret die Priester, die Totengesänge, Sie raset und rennet und teilet die Menge: "Wer bist du? was drängt zu der Grube dich hin?" Bei der Bahre stürzt sie nieder, Ihr Geschrei durchdringt die Luft: "Meinen Gatten will ich wieder! Und ich such ihn in der Gruft. Soll zu Asche mir zerfallen Dieser Glieder Götterpracht? Mein! er war es, mein vor allen! Ach, nur eine süße Nacht" Es singen die Priester: "Wir tragen die Alten, Nach langem Ermatten und spätem Erkalten, Wir tragen die Jugend, noch eh sie's gedacht. "Höre deiner Priester Lehre: Dieser war dein Gatte nicht. Lebst du doch als Bajadere, Und so hast du keine Pflicht. Nur dem Körper folgt der Schatten In das stille Totenreich; Nur die Gattin folgt dem Gatten: Das ist Pflicht und Ruhm zugleich. Ertöne, Drommete, zu heiliger Klage! O nehmet, ihr Götter! die Zierde der Tage, O nehmet den Jüngling in Flammen zu euch!" So das Chor, das ohn Erbarmen Mehret ihres Herzens Not; Und mit ausgestreckten Armen Springt sie in den heißen Tod. Doch der Götterjüngling hebet Aus der Flamme sich empor, Und in seinen Armen schwebet Die Geliebte mit hervor. Es freut sich die Gottheit der reuigen Sünder; Unsterbliche heben verlorene Kinder Mit feurigen Armen zum Himmel empor. |
Vor Gericht
Von wem ich es habe, das sag ich euch nicht,
das Kind in meinem Leib. „Pfui!“ speit ihr aus: „die Hure da!“ Bin doch ein ehrlich Weib. Mit wem ich mich traute, das sag ich euch nicht. Mein Schatz ist lieb und gut, trägt er eine goldene Kett am Hals, trägt er einen strohernen Hut. Soll Spott und Hohn getragen sein, trag’ ich allein den Hohn. Ich kenn ihn wohl, er kennt mich wohl, und Gott weiß auch davon. Herr Pfarrer und Herr Amtmann ihr, Ich bitte, lasst mich in Ruh! Es ist mein Kind, es bleibt mein Kind; ihr gebt mir ja nichts dazu. Goethe schrieb dieses Gedicht als 26-jähriger während seiner Sturm-und-Drang-Zeit. Es war in dem Jahr, in dem er erstmals nach Weimar kam (im November 1775), aber auch noch in Frankfurt eine Anwaltskanzlei führte. |
H. Hesse
Gestutzte Eiche, Juli 1919 Wie haben sie dich, Baum, verschnitten Wie stehst du fremd und sonderbar! Wie hast du hundertmal gelitten, Bis nichts in dir als Trotz und Wille war! Ich bin wie du, mit dem verschnittnen, Gequälten Leben brach ich nicht Und tauche täglich aus durchlittnen Roheiten neu die Stirn ins Licht. Was in mir weich und zart gewesen, Hat mir die Welt zu Tod gehöhnt, Doch unzerstörbar ist mein Wesen, Ich bin zufrieden, bin versöhnt, Geduldig neue Blätter treib ich Aus Ästen hundertmal zerspellt, Und allem Weh zu Trotze bleib ich Verliebt in die verrückte Welt. |
Hakodate
Leb wohl denn, Murasaki! Dein Blick ist tränenschwer, nun teilen Bett und Saki wir zwei nicht mehr. Der Kaiser läßt marschieren, die Sonnen leuchten klar: nun gilt es zu verlieren, was lieb uns war. Mach's kurz, das ist am besten - es bleibt des Glücks Beschluß, daß ich im fernen Westen mich schlagen muß. Und jede, die sich frei sah, die freute es wie dich... du kriegst 'nen tapfren Taisa als Tausch für mich. Ihr reizenden Geschöpfe, uns allen Schmuck und Zier, wir schneiden Russenköpfe und Rosen ihr. Drum schaut nicht nach der See aus und nicht den Strand hinab, die Geisha kommt ins Teehaus - der Mann ins Grab. Stuttgart, März 1905. [Die Gedichte sind aus der Zeit des Russisch-Japanischen Krieges, den Kalckreuth sehr interessiert über die damaligen Medien verfolgte und in etlichen lyrischen Stücken habhaft wurde.] Abschied Der Fuji glimmt im ganzen Kreis vom roten Abendstrahle, im Dämmerwinde wogt der Reis im grüngestuften Tale. Des Tages letzte Feuer fliehn, rings hüllen graue Schleier ihn, ein fernes Rauschen hör ich im Röhricht. Da ist im Wehn des kühlen Winds ein Funkeln aufgeglommen. Es sind die Truppen der Provinz, die dort vom Berghang kommen. - Sie ziehen durch den Abendtau, Gamaschen weiß und Röcke blau, zu finstren Heerkolossen geschlossen. In weitem Bogen rollt das Meer um Yamatos Gefilde. Vom Höhenkamme staunt das Heer vor dem gewalt'gen Bilde. Vom abenddunklen Flutenschwall hebt sich der rote Sonnenball, und Feuergluten weht er zum Äther. Die weite Fläche liegt besonnt, und Well und Eiland blinken, bis in den düstren Horizont die Flammen jäh versinken. Und über der verglommnen Pracht hebt sacht sich die Azurne Nacht, und deckt in blauem Bogen die Wogen. Da ringt ein Stahlgeklirr sich los aus der Kolonnen Tiefe, als ob die Seele Yamatos zu seinen Kriegern riefe: Mein Flammengruß ist im Verglühn, die Schwerter fest – und tretet kühn den Weg zu Tod und Grab an für Japan! Stuttgart, 5. April 1905. |
„Misanthropologie" von Erich Kästner:
Schöne Dinge gibt es dutzendfach. Aber keines ist so schön wie diese: eine ausgesprochen grüne Wiese und ein paar Meter veilchenblauer Bach. Und man kneift sich. Doch das ist kein Traum. Mit der edlen Absicht, sich zu läutern, kniet man zwischen Blumen, Gras und Kräutern. Und der Bach schlägt einen Purzelbaum. Also das, denkt man, ist die Natur? Man beschließt, in Anbetracht des Schönen, mit der Welt sich endlich zu versöhnen. Und ist froh, dass man ins Grüne fuhr. Doch man bleibt nicht lange so naiv. Plötzlich tauchen Menschen auf und schreien. Und schon wieder ist die Welt zum Speien. Und das Gras legt sich vor Abscheu schief. Eben war die Landschaft noch so stumm. Und der Wiesenteppich war so samten. Und schon trampeln diese gottverdammten Menschen wie in Sauerkraut herum. Und man kommt, geschult durch das Erlebnis, wieder mal zu folgendem Ergebnis: Diese Menschheit ist nichts weiter als eine Hautkrankheit das Erdenballs. |
...was für eine geniale Menschenstudie, lieber EV :) |
Hi Chav,
ja - es ist absolut genial! Jede Zeilen hat ihre Berechtigung! Gern, gern. vlg EV |
Liebe Chavali,
Beides von Christian Morgenstern »Lachen und Lächeln sind Tor und Pforte, durch die viel Gutes in den Menschen hineinhuschen kann.« »Jede Landschaft hat ihre eigene besondere Seele, wie ein Mensch, dem du gegenüberlebst.« |
Einsamer nie −
Einsamer nie als im August: Erfüllungsstunde – im Gelände die roten und die goldenen Brände, doch wo ist deiner Gärten Lust? Die Seen hell, die Himmel weich, die Äcker rein und glänzen leise, doch wo sind Sieg und Siegsbeweise aus dem von dir vertretenen Reich? Wo alles sich durch Glück beweist und tauscht den Blick und tauscht die Ringe im Weingeruch, im Rausch der Dinge −: dienst du dem Gegenglück, dem Geist. Gottfried Benn |
Charles Baudelaire
Der freudige Tote Schwer soll der Grund und reich an Schnecken sein, Wo meine Gruft zu schaufeln ich begehre, Dass dort zum Schlaf sich streckt mein alterndes Gebein Und im Vergessen ruht gleich wie der Hai im Meere. Ich hasse Testamente, Grab und Stein, Und von der Welt erbettl ich keine Zähre; Nein, lieber lüde ich den Schwarm der Raben ein, Damit er stückweis mein verwesend Aas verzehre. O Würmer! Schwarz Geleit ohn Auge, ohne Ohr! Ein Abgeschiedner kommt, der froh den Tod erkor. Ihr Söhne des Zerfalls, die dem Genusse leben, Durch meine Trümmer kriecht mit reuelosem Mut Und sagt mir: kann es wohl noch eine Folter geben Für den entseelten Leib, der tot bei Toten ruht? (aus dem Französischen von Wolf von Kalckreuth) |
Das Bißchen Ruhm
Was ähnelt wohl dem bißchen Ruhme So sehr wie eine Treibhausblume? Soll dir das arme Pflänzchen sprießen, Mußt du es täglich brav begießen. Und Dünger streun. Und Unkraut jäten. Aufs Wetter sehn. Und leise treten. Doch pfeifst du drauf, so wirst du nie Gekrönt von der A-ka-de-mie. Mascha Kaleko |
Keiner wartet
Alle müssen sie heim. Nur ich muß nicht müssen. Keiner wartet, daß ich ihm das Essen richte. Keiner sagt, komm, setz dich her. Wie bist du müde! Schneidet mir keiner das Brot. Keiner weiß, wie ich war mit achtzehn, damals. Keiner stellt mir den ersten Flieder hin, Holt mich vom Zug mit dem Schirm. Ist keiner, dem ich beim Lampenlicht lese, Was der Chinese vom Witwentum sagt: „Die Gott liebhat, nimmt er zu sich, Ehe er ihr den Geliebten nimmt.“ Mascha Kaleko |
Eines der Besten überhaupt!
Memento Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang, Nur vor dem Tode derer, die mir nah sind. Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind? Allein im Nebel tast ich todentlang Und laß mich willig in das Dunkel treiben. Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben. Der weiß es wohl, dem gleiches widerfuhr; – Und die es trugen, mögen mir vergeben. Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur, Doch mit dem Tod der andern muß man leben. Mascha Kaleko |
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Dana und Falderwald
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