Gedichte-Eiland

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Friedhelm Götz 08.03.2015 17:00

FRIDOLINS GESCHÜTTELTER OSTERSPAZIERGANG
 
GESCHÜTTELTER OSTERSPAZIERGANG

(Frei nach Johann Wolfgang von Goethe Osterspaziergang Faust Teil 1)

Vom Eise befreit sind flugs die Bäche
durch des Frühlings holden, erglühenden Blick.
Im Tale durchgrünet noch Buchs die Fläche,
doch kündet der Lenz vom erblühenden Glück.
Der alte Winter mit Schwanken und Krachen
verzog sich in Ohnmacht, dass Weißes nun endet,
ins ferne Gebirge zu Kranken und Schwachen,
weil sich die Kraft seines Eises nun wendet,
dass selbst im rauen Hinterwald
ein Halali dem Winter hallt.

Die Sonne heizt, bringt heiß die Wende,
schau! wie sich dort ein Pflänzchen regt!
Ein Wanderer, noch weiß die Hände,
mit Sorgfalt jetzt sein Ränzchen pflegt.
Wie zärtlich Osterglöckchen läuten,
die sich mit goldnen Löckchen kleiden!
Und wo sich ein Veilchen bis heute verlor,
da schaun rausgeputzt fesche Leute hervor.

Kehre dich um, nach der Stadt zu sehen,
anstatt auf Höhen satt zu stehen.
Schau nur: sie ist von Toren voll,
sie tummeln sich in Foren, toll.
Schon drängen aus dem vollen Tor,
dem finstern, sich die Tollen vor.
Doch zeigt dort heut Gewimmel Herz,
die Augen blicken himmelwärts,
wohin sie Christen gern erheben,
dem auferstandnen Herrn ergeben.

Sieh nur sieh! wie die Menge, verdreht,
kriecht aus dumpfen Plattenbauten,
wo niemals die Rabatten blauten,
Feld und Flur im Gedränge vermäht.
Aus Kellern, wo sie Gicht erleben,
zieht sie’s zum Heilandslicht, ergeben.
Sie kommen selbst von Mailand her,
dort gibt’s wohl keinen Heiland mehr.

Ein Nachen schwimmt, auf Wellen heiter,
zum Wiesengrund, dem hellen weiter,
wo Männer Lippen bärtlich zücken,
wenn sich dort Mädchen zärtlich bücken
und rosig bunt, durch schlichte Leinen,
im hellen Frühlingslichte scheinen.

Wo erst vereiste Klumpen hingen,
hört man voll Bier die Humpen klingen.
Ein Trunkenbold grölt: Märzen her!
Ein Mädchen denkt ans Herzen mehr.
Und einer, der an Scherzen hängt,
der Liebsten Schoko-Herzen schenkt.

Man freut sich des Getümmels hier,
die Schänke führt zur Himmelstür.
Und jeder redet selbst sich’s ein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!

Chavali 23.03.2015 11:26

Hi Frido,

Donnerwetter, kann ich da nur sagen :D
Was für ein imposantes Werk, viel besser als das Original ;)

Musste sehr schmunzeln ob der Fülle dazugedichteter Begebenheiten rund um den Osterspaziergang.

Lieben Gruß,
Chavali

Friedhelm Götz 23.03.2015 11:41

Liebe Chavali,

schon lange hatte ich die Absicht, Goethes Osterspaziergang in Schüttelreimen nachzudichten, wobei sich als Schwierigkeit erwies, möglichst nahe am Original zu bleiben und sowohl die inhaltliche Gliederung als auch die Reimstruktur (Umarmender Reim, Kreuzreim, Paarreim) beizubehalten. Das scheint gelungen.

Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

LG Fridolin

Friedhelm Götz 08.04.2015 18:00

Hi!

Leider ist dieser Beitrag, den ich glaubte an Ostern als Ergänzung zu dem obigen eingestellt zu haben, offenbar vom Sturm Niklas verweht worden; also hier nun noch als Nachtrag:

Vom Eis ist auch das Eiland frei,
es grüßt ein buntes Freiland-Ei.
Schau, durch die grünen Freiland-Auen
flanieren schicke Eilandfrauen.

Die Sonne macht das Eiland heiß,
die Kinder schlecken Highland-Eis.
Ein Girl, bedrängt von Eilandfreiern,
bewirft die Kerls mit Freilandeiern,

und dort die kleine Eilandmaus,
sie wanderte aus Mailand aus
und knabbert an dem Eilandmais,
noch süßer als in Mailand Eis.

Ein Grieche schwärmt, er feier gern:
»Hier ist der Pleitegeier fern!«
Und auch der Inselwurm versteht
zu feiern, denn vom Sturm verweht,

rühmt er:»Im Sand gräbt leicht sich's ein:
Hier bin ich Wurm! Hier darf ich's sein!«

LG Fridolin

Lailany 18.05.2015 03:23

Jawoll, lieber Fridolin,
gelungen!
Da hast Du Dir eine Menge zusätzliche Herausforderungen auf den Teller gelegt, wobei mir das Anlehnen ans Original als die schwierigste erscheint.

Sehr wohl wissend allein schon um die Mühe, einen so kräftig reissfesten roten Faden durch ein Werk dieser Lange zu ziehen nimm ein anerkennendes CHAPEAU von mir entgegen!
Extra Lob gibts für das hier:
Plattenbauten / RaBatten blauten :Blume:

Und:
Mailand her / Heiland mehr
Nicht nur dieser Schüttler ist originell, sein Schmunzeleffekt ist PRICELESS! :)

Sehr gern gelesen und wie immer bass gestaunt über Dein Talent hat

Lai:Blume:

Friedhelm Götz 18.05.2015 17:11

Hallo Lai,

in allen Foren, in denen ich bisher meine Schüttelreime veröffentlicht habe, wurde ich zuerst freudig begrüßt, waren doch Schüttelreimer eher selten anzutreffen. Mit der Zeit ließ das Interesse aber immer mehr nach, bis es schließlich fast völlig erlahmte. Bei dir ist es anders, du hast im Gegenteil mich immer wieder zum Schütteln ermuntert, und so freut es mich sehr, dass du nun mich wieder mit deinen Kommentaren erfreust. Besonders die Würdigung des Osterspaziergangs bedeutet mir viel; hab herzlichen Dank dafür.

Liebe Grüße
Fridolin

Friedhelm Götz 27.03.2016 15:41

Vom Eis ist auch das Eiland frei,
es grüßt ein buntes Freiland-Ei.
Schau, durch die grünen Freiland-Auen
flanieren schicke Eilandfrauen.

Die Sonne macht das Eiland heiß,
die Kinder schlecken Highland-Eis.
Ein Girl, bedrängt von Eilandfreiern,
bewirft die Kerls mit Freilandeiern,

und dort die kleine Eilandmaus,
sie wanderte aus Mailand aus
und knabbert an dem Eilandmais,
noch süßer als in Mailand Eis.

Ein Grieche schwärmt, er feier gern:
»Hier ist der Pleitegeier fern!«
Und auch der Inselwurm versteht
zu feiern, denn vom Sturm verweht,

rühmt er:»Im Sand gräbt leicht sich's ein:
Hier bin ich Wurm! Hier darf ich's sein!«

Dana 27.03.2016 20:28

Lieber Fridolin,

unverkennbar DU und unnachahmlich gut!:Blume::Blume::Blume:

Irgendwie bezwingt Deine Dichtung zum echten Osterspaziergang. Danke dafür.:)

Liebe Grüße
Dana

Thomas 28.03.2016 10:02

Lieber Fridolin,

das ist ja wieder eine Meisterleistung, die hohe Schule der Schüttelei! Der alte Goethe würde schmunzeln.

Liebe Grüße
Thomas

charis 28.03.2016 10:48

Lieber Fridolin,

Auch wenn dieses Geschüttel nicht so ganz meins ist, muss ich doch einmal einen Eintrag hier lassen: Es ist schon beeindruckend, wie du das machts! Respekt!
Aber Faust zu schütteln, also wirklich, ... das geht doch wirklich nicht. :Aua:D

Das Neue verdient einen eigenen Faden!

Amüsierten Gruß
:Blume::Blume::Blume:
charis

Friedhelm Götz 29.03.2016 17:39

Zitat:

Zitat von Dana (Beitrag 93670)
Lieber Fridolin,

unverkennbar DU und unnachahmlich gut!:Blume::Blume::Blume:

Irgendwie bezwingt Deine Dichtung zum echten Osterspaziergang. Danke dafür.:)

Liebe Grüße
Dana

Liebe Dana,

du gehörst zu den fleißigen Lesern und Kommentierern meine Schüttelgedichte. Hab Dank dafür.

Zitat:

Zitat von Thomas (Beitrag 93676)
Lieber Fridolin,

das ist ja wieder eine Meisterleistung, die hohe Schule der Schüttelei! Der alte Goethe würde schmunzeln.

Liebe Grüße
Thomas

Lieber Thomas,

auch du kommst hier immer wieder mal vorbei, wie ich auch gelegentlich im Musengarten. Ich glaube auch, dass Goethe schmunzeln würde. So humorlos war er ja auch nicht.

Zitat:

Zitat von charis (Beitrag 93679)
Lieber Fridolin,

Auch wenn dieses Geschüttel nicht so ganz meins ist, muss ich doch einmal einen Eintrag hier lassen: Es ist schon beeindruckend, wie du das machts! Respekt!
Aber Faust zu schütteln, also wirklich, ... das geht doch wirklich nicht. :Aua:D

Das Neue verdient einen eigenen Faden!

Liebe Charis,

es freut mich, dass ich dich mit meiner Schüttelei beeindrucken konnte.

Auch Goethe lässt sich schüttelnd raffen
und Faust, in Teilen, rüttelnd schaffen.

Faust zu schütteln ist aber in der Tat ein Wagnis, löst so ein Unterfangen bei Goetheanern leicht den Verdacht der Majestätsbeleidigung aus. Kein Wunder, steht der Schüttelreim doch im Ruf bloßer Trivialdichtung. Was Goethe angeht, kursierte vor Jahrzehnten in der Schüttelzunft das Gerücht, nach Mitteilungen eines lange im Weimarer Archiv tätig gewesenen Gelehrten habe sich der Dichterfürst ein ganzes Jahr mit dem Gedanken getragen, den zweiten Teil des Faust in einer nur aus Schüttelreimen bestehenden Szene ausklingen zu lassen. Das phantastische Projekt, das den Schüttelreim in den Rang ernsthafter Dichtung hätte erheben können, soll an den Einwendungen von Herrn Eckermann gescheitert sein. Also wie auch immer, Goethe hat nicht schüttelgereimt. Aber er lässt Seismo im zweiten Teil des Faust über den Aufbau der Erdoberfläche meditieren:

Hätt ich nicht geschüttelt und gerüttelt,
wie wäre diese Welt so schön!

Nochmal herzlichen Dank an alle für eure Kommis.
Nachösterliche Grüße
Fridolin

Terrapin 30.03.2016 10:59

Was als Laie noch dem Meister sagen?

Oberste Güteklasse, Fridolin!

Herzliche Grüße, Pinni.

Friedhelm Götz 30.03.2016 15:32

Zitat:

Zitat von Terrapin (Beitrag 93864)
Was als Laie noch dem Meister sagen?

Oberste Güteklasse, Fridolin!

Herzliche Grüße, Pinni.

Hi Pinni,

schön, von dir zu hören, vielen Dank für deinen Kommentar. Ich lese immer wieder gern in den Gedichten von Wolf von Kalckreuth, die du uns zugänglich gemacht hast.

LG Fridolin

Terrapin 30.03.2016 16:04

Du bist ein Fakir strenggebundener Reimkunst.
Und es macht mir Freude den Atem deiner Reime zu lesen.

Das macht die Seele glücklicher ein solches zu lesen.
Ja Wolf zu lesen ist eine Offenbarung, die Lade wahrer Dichtung.
Seine Werke sind die Manifestierung hehrster Anmut in unsrer edlen Sprache geboren.
Sie sind so unbefleckt vom bittren Wunsch nach Wirkung.
Vielleicht werde ich den Faden auch hier einbringen.
Erich sprach mich auch schon mal an, seine Werke in andere Foren zu bringen, dass sie noch mehr Dichtern zur Verfügung stehen.
Er hat es mit Sicherheit verdient, nach so langer Unbekanntheit.
Man kann seiner Kunst so viel entnehmen.

Herzliche Grüße, Pinni.

Lailany 31.03.2016 22:46

Großartig, lieber Fridolin :)
du weißt ja, wie sehr ich deine Texte mag und deine Kunst bewundere, und auch hier kann ich wieder nur großes Lob und Komplimente deponieren. :)

Sogar das hier, "nur" als Antwort gedacht, hat seinen ganz speziellen Charme und kann sehr wohl als eigenständiges Bonmot bestehen:

Auch Goethe lässt sich schüttelnd raffen
und Faust, in Teilen, rüttelnd schaffen.

:Blume:
Wie immer sehr gerne bei dir auf Besuch gewesen!

HG von Lai:Blume:


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