Gedichte-Eiland

Gedichte-Eiland (http://www.gedichte-eiland.de/index.php)
-   Finstere Nacht (http://www.gedichte-eiland.de/forumdisplay.php?f=18)
-   -   Stille, heilige Nacht (http://www.gedichte-eiland.de/showthread.php?t=4872)

Galapapa 05.01.2010 12:36

Stille, heilige Nacht
 
Alleine sitzt sie still in ihrem Zimmer,
in einer emaillierten Kanne dampft der Tee.
Ihr schwacher Schatten tanzt im Kerzenschimmer,
und draußen schwebt in dicken Flocken weißer Schnee.

Die Glocken rufen fern zur Feierstunde,
die kranken Beine halten sie zuhause fest.
Sie träumt von einstiger Familienrunde,
Erinnerung, die ihr ein müdes Lächeln lässt.

Schon früh versinkt der Tag in Dunkelheit.
Sie schließt die nassen Augen, hat genug gewacht,
von blassen Wangen tropft die Einsamkeit,
die Kerze leuchtet in die stille, heil’ge Nacht.

Leier 05.01.2010 16:08

Lieber Galapapa,


das erinnert mich an mich, aber ich bin zum Glück nicht depressiv darüber geworden.

Den "Pott" würd ich mit Topf oder Krug ersetzen, denn - subjektiv! -
denke ich bei "Pott" sofort an die Rumersatzreklame (Der gute Pott).

Und statt "sehr schnell" gefiele mir ein "sehr früh" besser.
Aber das sind meine Dir sicher bekannten Anmerkungen.

Lieben Gruß
für dieses Düsterkammergedicht!

cyparis

Galapapa 05.01.2010 17:35

Hallo Cyparis,
danke für Deinen Kommentar!
Was Du da schreibst, wär für mich schier undenkbar, ja, geradezu eine Horrorvorstellung: heilig Abend alleine dazusitzen. Bei mir hängt an Weihnachten so viel Gefühlsleben dran, daß ich mir so eine Situation kaum vorstellen kann und meinen Kindern, die jedes Jahr mit mir Weihnachten feiern, unendlich dankbar bin.
Schon eigenartig: Silvester erlebe ich seit vielen Jahren ganz allein, mag auch nie weggehen. Damit habe ich kein Problem.
Ja da hast Du recht, das ist dunkelste Düsterkammer. Vor allem viele ältere Menschen, die mit einem "traditionellen" Weihnachten aufgewachsen sind, sind da jedes Jahr übel
dran. Das tut weh.
Einen herzlichen Gruß an Dich (werd nächste Weihnachten an Dich denken)!
Galapapa

Abraxas 06.01.2010 00:38

Hallo Galapapa,

dein Gedicht hat mich ziemlich erstaunt. Bisher war ich stets sehr linientreu, was die Form eines Gedichts angeht. Speziell was die Symmetrie bei der Anzahl der Hebungen betrifft, wollte ich hier ein wenig kritteln. Aber das spar ich mir, denn obwohl sie teilweise stark und unregelmäßig variiert, liest sich das Gedicht ganz gut. Es passt einfach.

Inhaltlich ist dein Werk sehr ergreifend. Es zeichnet eine berührende Szene mit einprägsamen Bildern, die sich nicht so schnell wieder verflüchtigen und zeigt damit eine andere Seite der Weihnachts-Medaille auf, die wohl (leider?) so manche Seiten hat.

Leiers Vorschläge finde ich im Übrigen gut. Mit "Pott" verbinde ich eher den Nacht-Pott als ne Teekanne o.ä., was aber sicherlich auch rel. stark vom sprachlichen Umfeld des jeweiligen Lesers beeinflusst wird.

"sehr früh" statt "sehr schnell" zu schreiben wäre meiner Meinung nach wirklich lyrischer. Da "sehr schnell" ziemlich stark auf eine temporale Beschleunigung anspielt, während "sehr früh" das subjektive, emotionale Dunkeln der im Gedicht betrachteten/beschriebenen Person (besser) verdeutlicht, finde ich.


Gute Arbeit. :)

LG,
Abraxas

Galapapa 06.01.2010 12:40

Hallo Abraxas,
danke für Dein Lob und die Vorschläge zur Verbesserung!
Deine Bemerkung zur Form des Textes hat mich dann doch beschäftigt, und ich habe einige Veränderungen vorgenommen. Das betraf zunächst natürlich die Vorschläge von Cyparis. Auch ich finde den Beginn der letzten Strophe so besser.
Das "Pottproblem" mag regional sicher unterschiedlich ausgeprägt sein, entscheidend ist aber die Herausforderung, es möglichst vielen angenehm zum Lesen zu machen. Der Pott ist also auch weg.
Obwohl ich der Meinung bin, dass es vor allem und in erster Linie darauf ankommt, dass ein Text gefällig und angenehm zu lesen ist, habe ich doch versucht, auch Hebungen und Silbenzahl zumindest in den Strophen "symmetrischer" zu machen.
Strophe 1 sieht ge-x-t nun so aus:
xXxXxXxXxXx
xXxXxXxXxXxX
xXxXxXxXxXx
xXxXxXxXxXxX
In den anderen beiden Strophen müßte es nun auch passen, wenn man "Familien" als "Familjen" spricht und die Kommata nach "Erinnerung" und "stille" nicht als Pausenbruch sieht. Ich denke, der Text ist so noch einmal etwas "gefälliger" geworden.
Vielen Dank und einen herzlichen Gruß an Dich!
Galapapa

Medusa 06.01.2010 14:05

Hallo Galapapa,

ich kenne die "Ur"fassung leider nicht; so, wie Dein Werk hier steht, gefällt es mir sehr gut. Der Test fließt und der Inhalt ist, neben dem Bildreichtum, ergreifend und sprachlich sehr schön.

Wie sich doch die Geister scheiden: Jetzt, da meine Söhne erwachsen sind und eigene Familien haben, fällt es mir überhaupt nicht schwer, den 24. Dezember allein zu verbringen. Ich genieße die Vorfreude auf die Feiertage und verbringe die Zeit mit Vorbereitungen; ich vermisse nichts! Anders ist es schon immer an Sylvester. Da mag ich nicht alleine sein und sorge stets vor :). Ein Jahreswechsel ohne Gesellschaft ist für mich undenkbar.

Ich grüße Dich herzlich und wünsche Dir ein glückliches Neues Jahr,
Medusa.

Abraxas 06.01.2010 16:55

Hallo Galapapa,

Zitat:

entscheidend ist aber die Herausforderung, es möglichst vielen angenehm zum Lesen zu machen.
Danke für so eine Aussage - das ist eine Grundvoraussetzung für gute Verslyrik und man liest es leider viel zu selten.

Desweiteren ja, nicht schlecht. Bis auf die letzte Strophe, hast du diese auch verändert? Ich glaube, sie bestand vorher aus zwei 5- gefolgt von zwei 6-hebigen Versen. Nun sind allerdings die letzten drei Verse 6- und nur der erste 5-hebig. Das gefällt mir nicht so gut, ehrlich gesagt. Mir kommt "traurig nassen" neu vor - und etwas umständlich formuliert ggf. Hab das Original leider nicht mehr detailliert im Kopf. Aber vielleicht kannst du damit ja schon was anfangen.

LG,
Abraxas

Galapapa 06.01.2010 18:52

Hallo Medusa,
auch ich wünsche Dir ein gesundes, glückliches neues Jahr und danke Dir für Dein erbauendes Lob!
Die Änderungen, die ich vorgenommen habe, sind nicht gravierend, insbesondere was den Inhalt angeht.
Besonders freute mich Deine Aussage "sprachlich sehr schön". Ein Kompliment, das ich besonders wertschätze! Danke schön!
Ich bin am Nachdenken, was wohl das Entscheidende war, das uns beide so unterschiedlich geprägt hat hinsichtlich unseren Empfindungen gegenüber Heilig Abend und Silvester. Da müßte man glaube ich in der Kindheit nachforschen...
Sei ganz herzlich gegrüßt von mir!
Galapapa

Hallo Abraxas,
danke für Deinen weiteren Hinweis, diesmal zur letzten Strophe.
Dieses "traurig" hatte ich mit gemischten Gefühlen hineingenommen und dabei übersehen, dass in "zugemacht" und "Einsamkeit" jeweils nur eine Hebung steckt. Die erneute Änderung löst, glaube ich jedenfalls, das Problem und klingt auch besser, wobei das "wachen" auch im Sinne von "warten" verstanden werden kann.
Ich hatte bei Änderungen manchmal das Gefühl, nichts verbessert zu haben. Diesmal ist es anders! Danke!
Herzlichen Gruß!
Galapapa

Chavali 06.01.2010 22:13

Lieber Galapapa,

du lieber Himmel, was für ein Alptraum!
Aber ich glaube auch, dass es viele solcher einsamen Menschen gibt.

Dein Gedicht im Kreuzreim hält perfekt die Situation fest - es ist, als könne man die Bilder sehen,
so plastisch ist deine Beschreibung.
Sehr gut und gekonnt gemacht.
Die Miniänderungen tragen noch das Ihrige dazu bei.
Pott z.B. hatte mir auch nicht gefallen.
Jetzt liest sich alles sehr schön passend und gleichmäßig.


Lobende Grüße,
Chavali

Abraxas 06.01.2010 23:58

Hallo Galapapa,

Zitat:

dass in "zugemacht" und "Einsamkeit" jeweils nur eine Hebung steckt
Wenn dein Gedicht im Daktylus stünde, würden sie das. Da es aber im Jambus steht, haben diese Wörter an diesen Positionen in ihren Versen jeweils zwei Hebungen.

Zitat:

Schon früh versinkt der Tag in Dunkelheit. 5-hebig
Sie schließt die nassen Augen, hat genug gewacht, 6-hebig
von ihren blassen Wangen tropft die Einsamkeit, 6-hebig
die Kerze leuchtet in die stille, heil’ge Nacht. 6-hebig
Im Original hatte diese letzte Strophe deswegen mehr Symmetrie, weil zwei 5-hebige auf zwei 6-hebige Verse folgten, falls ich nicht irre. Hier aber herrscht eine stärkere Unregelmäßigkeit, da die Verhältnisse nicht mehr gleich sind; statt 2 zu 2 ists hier 1 zu 3.

Da fand ich 2 zu 2, wenngleich nicht wie zuvor abwechselnd, doch noch besser. Wenn du diese Meinung teilst, kannst du es ja entsprechend bearbeiten.

Freut mich, dir eine Hilfe sein zu können.

LG,
Abraxas

Galapapa 07.01.2010 12:57

Hallo Chavali,
was für ein wohltuendes Lob, danke schön!
Sehr unterstützend fand ich auch Deine Bemerkung zu den Änderungen. Ich bin da immer etwas verunsichert, hatte diesmal aber ein gutes Gefühl. Der Feinschliff dank Cyparis und Abraxas hat dem Text sehr gut getan. Das gilt auch nochmal für die letzte, kleine Änderung.
Für mich wäre eine solche Situation nur sehr schwer zu ertragen, und ich könnte weinen, wenn ich daran denke, dass es solche Schicksale wohl jede Menge gibt...
Den Pott habe ich nun endgültig der Rumfirma zurückgegeben. Es wundert mich, dass niemand aus Norddeutschland einschreitet (grins).
Vielen Dank und herzlichen Gruß!
Galapapa

Hallo Abraxas,
es ist ein Glück, wenn man auf so einen Experten, wie Dich trifft.
Dank Dir hab ich nämlich wieder eine Menge dazugelernt. Diese Regel zu den Hebungen war mir unbekannt. Sie macht aber absolut Sinn, weil der Text sich dann auch so rund liest. Und Du gabst mir ja Recht, das ist das Wichtigste.
Du hast Dir viel Mühe gemacht, die sich für mich allemal gelohnt hat. Alles, was ich kann,
habe ich in den zwei Lehrjahren durch hilfsbereite Fachleute, wie Du, gelernt.
Die kleine Änderung aufgrund Deiner Anregung macht die letzte Strophe nun richtig rund, finde ich.
Ganz herzlichen Dank und ebensolchen Gruß!
Galapapa

Dana 22.01.2010 18:13

Lieber Galapapa,
mit deinen "Traurigkeiten" kannst du wirklich berühren.

Ich habe keine Scheu die "Stille, heilige Nacht" nochmals auftauchen zu lassen, denn sie trifft immer wieder zu.

Es sind die Bilder, die traurig und betroffen stimmen.
Die gekonnte Umsetzung in Wort und Vers unterstreicht und transportiert das Anliegen direkt ins Herz.

Liebe Grüße
Dana

Galapapa 31.01.2010 14:21

Hallo liebe Dana,
danke für Deine lobenden und berührenden Worte. Ich sage bewußt "berührend", denn auch ein Kommentar kann den Autor, der die Zeilen mitleidend produziert hat, sehr berühren.
Es tut mir leid, dass ich so spät erst geantwortet habe. Der Job kostet mich derzeit die letzte Kraft und bei Tagungen bin ich tagelang ohne Internet.
Ich verbinde meinen Dank mit einem ganz herzlichen Gruß!
Galapapa

Falderwald 06.02.2010 12:40

Hallo Galapapa,

dieses Gedicht hatte ich schon gelesen, jedoch ist es mir wieder entglitten.

Dann wollen wir den Kommi jetzt mal nachholen.

Dieses Gedicht malt eine melancholisch stimmungsvolles Bild von der Einsamkeit im Alter.

Wieviele alte Menschen zehren nur noch von ihren Erinnerungen an vergangene Tage.
Und diese kommen gebündelt an solch "heiligen" Feiertagen wieder zum Vorschein.
Auch wenn sich viele mit dem Alleinsein schon abgefunden haben, so haben die meisten doch den sehnlichen Wunsch nach Gesellschaft, weil sie sich sonst überflüssig vorkommen.

Da hat jemand fast schon ein ganzes Leben mit Liebe, Freude, Leid und allem was dazugehört, hinter sich und wird als alter Mensch dann oft vergessen (und vielleicht sogar ins Seniorenheim) abgeschoben.

Dein Gedicht erinnert an all jene und ich werde heute Abend eine Kerze für diese einsamen Menschen anzünden.

Der Text ist sprachlich gut umgesetzt, stringent und berührt das Herz.


Gerne gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Galapapa 10.02.2010 17:17

Hallo Falderwald,
für Deinen lobenden Kommentar möchte ich mich herzlich bedanken!
Ich weiß nicht, der wievielte Text dies nun war, der sich mit den Sorgen und Leiden von alten Menschen auseinandersetzt. Es könnte der Eindruck entstehen, dass ich damit versuche, eine unterbewußte Angst zu verarbeiten. In Wirklichkeit aber habe ich schon seit jungen Jahren sehr viel mit alten Menschen zu tun gehabt, mit solchen Meschen zusammengelebt, auch außerhalb der Familie. Und ich habe alles, was ich beschreibe, auch gesehen. All das hat mich berührt und hat mir sehr weh getan.
Das ist es, was ich versuche zu "verarbeiten" oder besser zu bewältigen.
Unsere gesellschaftliche Entwicklung ist von der intakten Familie, in der alle von der Kindheit bis ins Alter einen Platz und eine Autgabe hatten und jeder für jeden da war, abgekommen auf einen anderen, egoistischen und lieblosen Weg...
Mit einem herzlichen Gruß an Dich!
Galapapa

Erich Kykal 11.02.2010 13:30

Hi, Charly!

Na, dann will ich auch noch mal "absenfen"! - Schönes Gedicht, das du da ablieferst. Die schon von anderen monierten kleinen Unregelmäßigkeiten sind ob der allgemeinen Qualität deiner Sprache leicht verdaulich, und auf kleine Unpässlichkeiten in dieser richtung haben ebenfalls andere schon hingewiesen. Bleibt mir nur zu sagen:

Auch sehr gern gelesen und nachdenklich nachempfunden (meine beiden Tanten sind im Altersheim - eine schon verstorben. Das manchmal triste Lebensgefühl dort tropft aus jeder geschmacklosen Tapetenfaser!)!

LG, eKy

PS: Den Katzen geht's gut! Mrrrrhh...

Galapapa 11.02.2010 16:57

Hallo Erich,
danke fürs Lob, das ich zu schätzen weiß!
Ich hab mich gefreut, mal wieder von Dir zu hören, auch wenn ich selber im Moment zu nichts in der Lage bin.
Das wohltuende Kompliment zur Qualität der Sprache des Textes empfand ich als alles andere als "absenfen".
Danke und herzlichen Gruß!
Galapapa

PS: Die Katzen füllen die Klos, entfernen die Tapeten, nerven ohne Ende... Herr, lass Frühling werden!


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 20:24 Uhr.

Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg