Gedichte-Eiland

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Dana 13.02.2013 19:49

Zwischengedanken
 
.
.


Ich stöbere und räume ohne Ziel,
sortiere neu, entstaube, es gibt viel
zu tun, obwohl ich nur vorüberging
und eigentlich mit einem andern Ding
beschäftigt war und gänzlich es vergaß.

Ich bin so stolz auf meine Bibliothek,
die Bücherreihen sind mir wie ein Weg
des eignen Seins, in dem sich wiederspiegelt,
dass alles anders kommt und unbesiegelt
mir Ordnung und das Chaos offenbart.

Ich stand davor und ohne Übergang
las ich in Briefen, alt und überlang.
Am Boden sitzend, hab ich mich erinnert,
wie man im Eifer Sachen nur verschlimmert,
indem man besser um das Beste weiß.

So lang schon ist es her, dass du verletzt
dich fühltest und ich heute erst entsetzt
und wütend auf mich bin, du hattest Recht.
Auf Liebe sich berufen, kann auch schlecht
herüberkommen, kannst du mir verzeihn?

Kannst du mir glauben, dass ich lange schon
unendlich glücklich bin, dass du mein Sohn
noch immer unterschreibst: „Ich hab dich lieb.“
Es ist das Größte, was im Ganzen blieb,
verstehst du auch, warum ich dieses schrieb?
.
.

a.c.larin 13.02.2013 21:55

liebe dana,

ich sehe das Lyrich beim lesen sofort da sitzen: in der bibliothek, umgeben von büchern, ein wenig ordnend und sichtend und schon liest es sich irgendwo fest:
die vergangenheit bleibt im geschriebenen wort lebendig.
manchmal versetzt sie auch in verwunderung , erstaunen.
das dürfte hier geschehen sein.

das lyrIch sieht sich selbst und seine handlungsweisen nun aus der durch zeit erworbenen distanz. so manches ereignis erhält dadurch einen ganz anderen blickwinkel....

da geht etwas unter die haut, das zwischen den zeilen spürbar wird!
möge das band der liebe, das manche belastung überdauert hat, noch lange halten.


berührende zeilen von großer innigkeit!
lg, larin

Thomas 13.02.2013 22:21

Hallo Dana,

inhaltlich wunderschön und die Idee der Form mit der "nachhängenden" fünften Zeile, die das Gedicht in der letzten Strophe reimen schließt, ist sehr interessant und gut - finde ich.

Liebe Grüße
Thomas

Erich Kykal 13.02.2013 22:28

Hi, Dana!

Die ersten drei Strophen gefallen mir sehr gut.

Die beiden letzteren - obwohl durchaus würdig in ihrer Aussage - wirken sprachlich nicht ganz so souverän auf mich und tragen doch ein paar lyrische Schwachstellen, zumindest nach meinem subjektiven Empfinden, zB das angehängt wirkende "du hattest Recht" in S4Z3, das recht allgemeinsprachliche "herüberkommen" in S4Z6 (im Sinne von "wirken") oder die vorletzte Zeile von S5 (da gefällt mir die Art der Formulierung einfach nicht...Geschmackssache).

Dennoch insgesamt sehr gern gelesen!

LG, eKy

Dana 15.02.2013 19:22

Hi Lipiwig,

Zitat:

Zitat von Lipiwig
Ein schönes Werk! Das "ohne Übergang" gefällt mir sehr gut! Das "berufen" ist mE i.O. - ein Sohn wird das so annehmen können. Als Sohn mit einer hineinlesbaren Geschichte weiß ich, wovon ich tippe!

Der Schluss passt übrigens auch

lieben Dank für den "Sohnbezug", denn du bist ja auch einer.:)
Das lyr. Ich fühlt sich verstanden.

Liebe Grüße
Dana


Liebe Larin,

genau so war es.:) Und so wird es wohl immer sein, auch dann, wenn man es nicht im Gedicht formuliert.

Du hast etwas sehr Wichtiges und Wahres gesagt:

Zitat:

Zitat von a.c.larin
das lyrIch sieht sich selbst und seine handlungsweisen nun aus der durch zeit erworbenen distanz. so manches ereignis erhält dadurch einen ganz anderen blickwinkel....

da geht etwas unter die haut, das zwischen den zeilen spürbar wird!
möge das band der liebe, das manche belastung überdauert hat, noch lange halten.

Die durch Zeit und Erfahrung erworbene Distanz ist eine Chance für jeden. Die Zeit vergeht ja nicht nur für das lyr. Ich und Liebe hat die Fähigkeit alles zu überdauern, um Liebe zu sein.

Ich danke dir besonders für deine Schlusszeilen.

Liebe Grüße
Dana

Lieber Thomas,

wenn du das sagst und wie du das sagst, dann kommt es auch so an. Ich danke dir.

Liebe Grüße
Dana

Lieber eKy,

du hast es gern gelesen und wohl kommentiert - das freut mich.:)
Ich versuche mal das Anliegen des lyr. Ich zu erklären:
Es hat ein Sohn einen Brief geschrieben, ein sehr junger Sohn. Reagiert hat einst eine Mutter, eine sehr junge Mutter. Es ging um Recht und Unrecht in eigenen Sichtweisen und Handlungen. Vielleicht floss darum auch diese "Sprache" ein, weil es in einem Augenblick geschah, der in diese Zeit zurückversetzte - ich weiß es nicht.
Trotzdem werde ich noch überdenken, denn so ganz Unrecht hast du nicht.;)

Liebe Grüße
Dana

(Übrigens, ich habe wohl gesehen, dass du Thomas in mir gesehen hast.:p)

Erich Kykal 15.02.2013 20:51

Zitat:

Zitat von Dana (Beitrag 67879)
(Übrigens, ich habe wohl gesehen, dass du Thomas in mir gesehen hast.:p)

Das tut mir aufrichtig leid - ab und zu scheint mir derlei zu passieren, weiß auch nicht wie... Rechne es meiner allgemeinen Namensschwäche zu - war nicht bös gemeint! (Das weißt du natürlich, Schelmin!:p)

LG, eKy

Falderwald 29.06.2013 17:59

Liebe Dana,

vorweg, wenn ich dein Sohn wäre, würde meine Antwort lauten:

Ja, ich verstehe, warum du dieses schriebst.

Auf jeden Fall hat dieser Sohn allen Grund stolz auf seine Mama zu sein und auch auf sich, wenn ihm solche Zeilen gewidmet werden.

Auch wenn es nur "Zwischengedanken" sind, so zeigen diese doch deutlich, wo diese angesiedelt sind und wem sie gelten.
Was kann es schöneres geben, als so viel Mutterliebe, die sich sogar lyrisch ausdrückt, was ja nun nicht allen Menschen gegeben ist.

Das hast du wunderschön gemacht und dein Gedicht hat mir gut gefallen. .. .:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Chavali 08.05.2014 10:17

Liebe Dana,

beim Stöbern entdeckte ich dieses schöne, ja emotional wertvolle Gedicht von dir.
Ich weiß gar nicht, weshalb ich diesen Text übersehen habe damals, als du ihn eingestellt hast :rolleyes:

Da ich auch einen Sohn habe, kann ich diese deine Zeilen sehr gut nachvollziehen.
Ich habe auch alle Briefe und Karten und Zettel aus seiner Kindheit aufbewahrt und ich bin immer sehr berührt,
wenn sie mir mal wieder in die Hände fallen
und denke wie du darüber nach, was ich damals sah und dachte und was ich heute sehe und denke.

Die Zeiten ändern sich und die Zeiten ändern dich und dann ändert sich auch die eigene Sichtweise.

Liebe Grüße,
Chavi

Dana 09.05.2014 18:39

Liebe Chavali,

herzlichen Dank für deine Rückmeldung - je später, desto größer die Überraschung.:)

Wie wahr du interpretierst und nachfühlst. Es geht ja nicht ausschließlich um "niedliche" oder "längst erledigte" Erinnerungen und Handlungen.
Du hast richtig erkannt, dass "Sichtweisen" eine eigene Dynamik haben.
Sie können nachträglich korrigiert werden, nachträglich Einsicht zeigen und nachträglich um Verzeihung bitten. Das Miteinander wird vertieft.
Nochmals: danke dir.

Liebe Grüße
Dana

Narvik 11.05.2014 09:56

Hallo Dana,

zwar bin ich nicht dein Sohn, aber ich verstehe sehr gut, warum du diese Zeilen schriebst.
Es bedarf manchmal eines langen Zeitraumes, damit sich einiges klären kann, was schon weit in der Vergangenheit liegt. Viele Dinge sind aus bestem Wissen und Gewissen und zum Schutz für den eigenen Nachwuchs geschehen. Man wusste es auch nicht besser und tat sie, weil sie eben zu jenem Zeitpunkt richtig und wichtig erschienen.
Erst bei einem Rückblick fällt es im Nachhinein auf, dass einige vielleicht unnötig, ja sogar kontraproduktiv gewesen sind.
Ich bin mir aber sicher, dass ein Kind, in diesem Falle der Sohn, wenn er die richtige Reife erlangt hat, das verstehen wird, denn schließlich ist es ja die Absicht die zählt.
Schön, dass der Sohn in deinem Gedicht das auch erkannt hat.

Herzliche Inselgrüße

Narvik

juli 11.05.2014 19:26

Liebe Dana
 
Das ist so ein schönes Gedicht!:)


Ich stöbere und räume ohne Ziel,
sortiere neu, entstaube, es gibt viel
zu tun, obwohl ich nur vorüberging
und eigentlich mit einem andern Ding
beschäftigt war und gänzlich es vergaß.

Ich habe ein Zimmer und einen Boden voller Bücher, und wenn ich diese Räume betrete vergesse ich manchmal alles Andere. Ich kenne das.

Ich bin so stolz auf meine Bibliothek,
die Bücherreihen sind mir wie ein Weg
des eignen Seins, in dem sich wiederspiegelt,
dass alles anders kommt und unbesiegelt
mir Ordnung und das Chaos offenbart.

Ich veruche die Bibliothek zu sortieren:rolleyes::D:), jeoch wähle ich meist ein Buch und lese, ist das auch mein Sein? Sicherlich.

Ich stand davor und ohne Übergang
las ich in Briefen, alt und überlang.
Am Boden sitzend, hab ich mich erinnert,
wie man im Eifer Sachen nur verschlimmert,
indem man besser um das Beste weiß.

Alte Briefe oder Postkarten haben Bedeutungen, sie rufen Erinnerungen hervor: wer hat diese Karte/Brief geschrieben wie ging es ihm damals , wie ist es jetzt....und ja, ich habe auch schon in Eifer Dinge gesagt, die vielleicht nicht gesagt hätte werden sollen...

So lang schon ist es her, dass du verletzt
dich fühltest und ich heute erst entsetzt
und wütend auf mich bin, du hattest Recht.
Auf Liebe sich berufen, kann auch schlecht
herüberkommen, kannst du mir verzeihn?

Das ist eine sehr gefühlsbetonte S., sie nimmt den Leser gefühlsmäßig mit. Ja, ich kenne das Gefühl jemanden so verletzt zu haben, das Hoffen darauf, das der Andere einem verzeiht, die Liebe, die wehtun kann ...

Kannst du mir glauben, dass ich lange schon
unendlich glücklich bin, dass du mein Sohn
noch immer unterschreibst: „Ich hab dich lieb.“
Es ist das Größte, was im Ganzen blieb,
verstehst du auch, warum ich dieses schrieb?

Heute ist Muttertag, und der Satz: Ich hab Dich lieb. Ist wirklich das größte Geschenk. Der letzte Satz ist eine Liebeserklärung:)

Dana, ich habe Dein Gedicht sehr sehr gerne gelesen.:)

LIebe Grüße sy

Dana 12.05.2014 18:20

Lieber Faldi, :o
was soll ich jetzt sagen?

Es tut mir sehr, sehr leid. Solch ein schöner, einfühlsamer und lieber Kommentar mit fast einjährigem Schweigen "belohnt", selbst nach Chavalis Kommentar immer noch übersehen.:eek:

Ich danke dir so innig ich kann (und das kann ich;)).

Soll nie wieder vorkommen, versprochen.

Hallo Narvik,

was bei diesem Gedicht auffällt, ist, dass alle Kommentare verständig, gefühlvoll ausschließlich auf den Inhalt eingehen. Das macht mich ganz besonders froh, denn es geht um Liebe zu den eigenen Kindern, die sich auch lyrisch mitteilen wollte und was scheinbar gelungen ist. Deine, eure Worte sagen es mir - dafür herzlichen Dank.

Liebe Syranie,

was ich Narvik und allen anderen schrieb - nochmals für dich.
Du hast liebend geantwortet.:) Wir kennen uns, wir haben Kinder und wir wissen ganz genau, was wir denken und fühlen.
Das I-Tüpfelchen ist: Du hast am Muttertag geschrieben.:)
Ob Zufall oder Absicht ist gleich - es trifft aber das Anliegen.

Ich danke euch,
liebe Grüße
Dana


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