Gedichte-Eiland

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-   -   An den Baum (http://www.gedichte-eiland.de/showthread.php?t=13632)

Erich Kykal 13.07.2015 17:17

An den Baum
 
Du, im Verzweigten auferstanden,
sich nährend aus der Erde Kraft,
vermehrt von grünenden Gewanden,
und von den Lüften aufgerafft -

Du, in des Jahres Kreis geboren,
erhoben in des Tages Licht,
dem ewig Wandelnden verschworen
und wurzelnd wie im Gleichgewicht -

Du bist der Baum, an dem ich lehne,
als wüsste ich mich selbst nicht mehr,
das starke Bild, das ich ersehne -
von außen leicht, doch innen schwer.

Falderwald 14.07.2015 18:00

Servus Erich,

ich mag Bäume auch sehr gern. :)

Wann immer ich einen interessanten Baum entdecke und eine Kamera dabei habe, dann halte ich diesen Eindruck auch fest.

Die Beschreibung ist sehr anschaulich, sogar die Jahreskreise des Baumes sind darin enthalten und das "wurzelnde Gleichgewicht" ergibt ein schönes und passendes Bild.

Die letzte Strophe erschließt sich nicht sofort und lässt Interpretationsspielraum.
Ich sehe es so, dass die Äußerlichkeiten immer nur einen oberflächlichen Eindruck hinterlassen, weil im Inneren eines Lebewesens noch eine ganz andere Tiefe herrscht, in die niemand wirklich Einblick hat.
Das ist die ganz eigene Schwere, die jeder mit sich allein herumträgt, auch ein Baum.

In Zeile zwei der ersten Strophe bin ich mir allerdings nicht ganz sicher, ob du nicht doch noch einmal recherchieren solltest und den Begriff "Erde" eventuell gegen "Sonne" austauschst.
Weil die Photosynthese ja die eigentliche Kraft der Bäume ist und die Sonne somit die Energie für das Betreiben der Protonenpumpen in der Wurzelepidermis liefert. ;):)

Der Text hat mir gut gefallen...:)


Gern gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald



Erich Kykal 14.07.2015 19:46

Hi, Faldi!

Danke für deine Gedanken!

S1Z2 - "Sonne" klänge an jener Stelle nicht so gut. Mit der Photosynthese hast du recht, aber die Erde "nährt" den Baum mit Wasser, Mineralien usw., also ist "Erde" nicht falsch.

Die Conclusio meinte ich so, dass das äußere Bild eines Baumes Leichtigkeit vermittelt, die feine Verästelung lässt ihn grazil und beinah masselos wirken. Wer aber jemals versucht hat, einen großen Stamm anzuheben, weiß um das wirkliche Gewicht dieser Form. Im übertragenen Sinne steht dieses Bild natürlich für ebenjene Weisheit, die du in deinem Kommi angesprochen hast!

LG, eKy

wolo von thurland 14.07.2015 19:55

Hallo Erich Kykal

Ich habe da drei Fragen:

a) Muss es in Zeile 2 nicht heissen:
"dich nährend"?
Oder bezieht sich das Pronomen etwa auf "das Verzweigte"? So dass dann also "das Verzweigte" Subjekt von "sich nähren" wäre?

b) Ist "wie im Gleichgewicht wurzeln" dasselbe oder das Gegenteil von "im Gleichgewicht wurzeln"? ist es gleichbedeutend mit "wurzelndes Gleichgewicht" (zit. Falderwald)?

c) Bezieht sich die letzte Zeile auf den Baum, auf das "Bild" oder auf das Lyrische Ich?

Danke für deine Antwort
wolo

Erich Kykal 14.07.2015 20:09

Hi, Wolo!

a) Das "sich" in S1Z2 bezieht sich auf den Baum, der hier zwar nicht direkt genannt wird, allerdings im Titel darüber. Das "dich" schüfe einen direkteren Bezug zum "Du" in der Zeile darüber, wohl wahr, das "sich" hingegen hält die Sache allgemeiner, als naturwissenschaftliche Aussage, wenn man will - als einer der vielen Teilsätze, die in den ersten beiden Str. das Bild "Baum" lyrisch definieren.

b) Weder noch. Das "wie" impliziert eine Vergleichbarkeit oder Ähnlichkeit, kein Gegenteil und keine exakte Entsprechung. Ganz im Gleichgewicht ist ein Baum nie, sein stetes Wachstum dem Lichte zu belastet immer gewisse Zonen stärker, die sich dann mühen, sich zu verdicken, um die Form insgesamt wieder zu statischer Stabilität finden zu lassen. Wind und Sturm sind weitere Faktoren, ebenso wie die winterliche Entlaubung, Frostgewicht, Regen, usw...
Es kann also immer nur ein Quasi-Gleichgewicht sein, ein stetes Sichwandeln. Dieses "wie" erschien mir die poetischste Weise, dies auf kleinem Raum anzudeuten.

c) siehe meine Antwort an Faldi im Kommi vor dem deinen. Es bezieht sich auf den Baum, damit ebenso auf das Bild - das Wort steht hier für einen erstrebten inneren Seinszustand, für den der Baum als Gleichnis steht - und damit im übertragenen Sinne auch auf das LyrIch, das diesem Bilde gleichen will.

Falderwald 15.07.2015 17:33

Servus Erich,

ich schrieb ja auch nicht, dass "Erde" falsch sei und alles was du zu diesem Begriff sagst, ist vollkommen richtig.
Es war nur ein Gedanke, der mir bei Betrachtung des Textes kam und den ich mit einfließen ließ.
Wenn dir Erde besser gefällt, dann behalte sie. :)

Manchmal obsiegt Nüchternheit gegen Romantik und Abstraktion...;)


Liebe Grüße

Falderwald



Erich Kykal 15.07.2015 18:10

Hi, Faldi!

Inwiefern ist Photosythese durch Sonneneinstrahlung "romantischer und abstrakter" als die "nüchterne"(häh?) Nährung durch Mutter Erde? :D:rolleyes:

Da komm ich nicht mit ... :Aua ;)

LG, eKy

Falderwald 15.07.2015 18:27

Servus Erich,

ich wusste es...:Aua:D

Die Erde ist ein blau-grüner Misthaufen, auf dem allerlei Verklärte ihr Unwesen treiben, also der Nährboden für jegliche Romantik.

Aber ohne ihren Stern gäbe es sie erst gar nicht und sie würde, plötzlich seiner physikalischen Kräfte beraubt, sofort zu einem lichtlosen, eisigkalten und toten Ort verkümmern.

So sieht das nüchterne Universum aus...:D;):)


Liebe Grüße

Falderwald



juli 15.07.2015 18:58

Hallo eKy :)
 
Hier bei mir in der Nähe gibt es den Segeberger Forst. Es ist ein Mischwald und jeder Baum ist ein Unikat. Nicht umsonst gibt es ja auch schon Waldfriedhöfe, wo Menschen ihr letzte Ruhestätte finden. Bäume sind starke Retter mit der Verbindung zum Himmel, sie berühren ihn.

Ich interpretiere die Letzte S. so, daß der Mensch etwas von der Festigkeit und Stärke des Baumes abbekommt, selbst wenn der Mensch gerade unsicher und vielleicht traurig ist.
Etwas melancholisch ist sie schon die Strophe.:)

Ein "Erich Kykal - Naturgedicht" sehr gerne gelesen:Blume::Blume::Blume:
sy

Erich Kykal 15.07.2015 19:40

Jaja, der Faldi - ein Romantiker durch und durch vor dem (natürlich nichtexistenten) Herrn!;):D


Hi, Sy!

Danke für deine Interpretation. Ich bin keiner von der Baumumarmerfraktion, rede auch nicht mit Pflanzen, aber deine Sichtweise trifft einen Kern der Sache.
Ich atme auf in Wäldern und suche stets markante und große Bäume in der Landschaft. Auch wenn ich die Sache philosophischer betrachte, verhehle ich nicht, an diesem Bilde zu wachsen und Kraft daraus zu schöpfen!


LG, eKy

wolo von thurland 16.07.2015 16:14

Hallo Erich Kykal

Beispiel:
Ich, vor Hitze schwitzend, sich labend an der Quelle Nass.
Das wäre nach dir also korrekt, und nicht
"Ich, vor Hitze schwitzend, mich labend an der Quelle Nass"???

Der Baum, von aussen leicht? Habe ich das so richtig verstanden?

Entschuldige, aber das flimmert mir beides vor den Augen. Muss die Hitze sein.

Gruss
Wolo

Dana 16.07.2015 19:13

Lieber eKy,

eine zauberhafte Ode an den Baum, die mir nur gefallen kann.
Nicht weniger Deine stete Beteuerung, nicht romantisch zu sein.:Kuss:p
Ich will Dir nicht (mehr) einreden, dass Du es doch bist - darum erkläre ich es so:
Manchmal macht man in der Politik irgend jemand zum Minister, der mit dem zu erfüllenden Gebiet nichts im Sinn hatte, und jener wächst mit der Aufgabe.
(Hm, mir fällt jetzt namentlich keiner ein - aber die hat es sicherlich gegeben, oder?:D Wenn nicht da, dann sicher in der Wissenschaft, Schule usw.)
Du begeisterst mit wunderschönen Werken.
Übrigens, als Gottlose: Ich rede mit Bäumen, tausche mit ihnen Energien aus, bestaune, bewundere sie und erfühle ihre positive Reaktion.:Herz:

Ein Feines und Gutes!!!

Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal 16.07.2015 19:57

Hi, wolo!

Dein Beispiel ist falsch und auf meine Textstelle so nicht anwendbar. Ich habe aber keine Lust, dir das zu erklären.

Das mit der filigran verästelten, von außen dadurch leicht wirkenden Form habe ich in verhergehenden Kommis schon hinlänglich erklärt.


Hi, Dana!

Jeder wie er mag! Mir reicht die allgemeine Schönheit der Natur zum Auftanken - an Energieübertragung mittels Emotion oder Berührung glaube ich nicht. Da reden sich die Esoteriker die Welt gerne so zurecht, wie sie sie gern hätten - aber das ist bloß meine eigene subjektive Ansicht!

Vielen Dank für dein positives Echo und deine Gedanken!

LG, eKy

Falderwald 16.07.2015 20:51

Servus Erich, moin wolo,

entschuldigt, dass ich mich hier einmische.

Die von wolo angeführte Stelle in Zeile 2 mit "sich"/"dich" ist mir zunächst gar nicht aufgefallen.

Ich habe den Text daraufhin noch mehrere Male durchgelesen.
Meines Erachtens erfolgt durchgehend an den Zeilenanfängen eine direkte Ansprache an den Baum:

1. Du, im Verzweigten auferstanden,
2. Du, in des Jahres Kreis geboren,
3. Du bist der Baum...

Zudem habe ich mir die erste Zeile noch einmal genau angeschaut:

Du, im Verzweigten auferstanden,
sich nährend aus der Erde Kraft,
vermehrt von grünenden Gewanden,
und von den Lüften aufgerafft -


Die ganze Strophe ist eine Aufzählung von aktiven und passiven Eigenschaften und ergibt noch nicht einmal einen vollständigen Satz, da die Aufzählungen ja in der zweiten Strophe weiter gehen und erst in der ersten Zeile der dritten Strophe zusammengeführt werden, auch um den Satz grammatisch zu vervollständigen, was vollkommen in Ordnung geht.

Wenn ich mir die erste Strophe so anschaue, dann sehe ich dort, wie schon erwähnt, aktive und passive Eigenschaften.
Am Anfang der Strophe steht "Du" und dieses "Du" ist für jede nachfolgende Zeile präsent.

Erste Version:

Du (bist) im Verzweigen auferstanden,
(du) nährst dich aus der Erde Kraft,
(du wirst) vermehrt von grünenden Gewanden
und (du wirst) von den Lüften aufgerafft -

Hier hätten wir auf jeden Fall "dich", so hat es wolo gemeint.

Zweite Version:

Du (bist) im Verzweigen auferstanden,
(du,) der sich nährt aus der Erde Kraft,
(du wirst) vermehrt von grünenden Gewanden,
und (du wirst) von den Lüften aufgerafft -

So würde es funktionieren und wir hätten "sich" und ich denke, so hat es Erich gemeint.

Alle Zeilen funktionieren nach demselben Schema:

Du, im Verzweigten auferstanden, bist der Baum, an den ich lehne.
Du, sich nährend aus der Erde Kraft, bist der Baum, an den ich lehne.
Du, vermehrt von grünenden Gewanden, bist der Baum, an den ich lehne.
Du, von den Lüften aufgerafft, bist der Baum, an den ich lehne.

Du, in des Jahres Kreis geboren, bist der Baum, an den ich lehne.
Du, erhoben in des Tages Licht, bist der Baum, an den ich lehne.
Du, dem ewig Wandelnden verschworen, bist der Baum, an den ich lehne.
Du, wurzelnd wie im Gleichgewicht, bist der Baum, an den ich lehne.

Fazit:

Du, sich nährend aus der Erde Kraft, bist der Baum, an den ich lehne.
Du, dich nährend aus der Erde Kraft, bist der Baum, an den ich lehne.

Ich finde den ganzen Satz mit seiner Partizipbildung an dieser Stelle ein wenig problematisch, doch ich denke, es geht beides.
Aber - entscheidet selbst...:)


Liebe Grüße

Falderwald



Erich Kykal 16.07.2015 22:15

Hi, Faldi!

Vielen Dank für die klärende Aufschlüsselung! Da war ich zu faul zu. Ich bin auch der Ansicht, dass beides möglich ist - je nach Bezugswort für das "dich" oder das "sich".
Ich hätte es so erklärt: Der Baum wird zwar anfänglich persönlich angesprochen, aber dann folgen viele das Baumbild beschreibende Teilsätze, die nicht unbedingt den Baum direkt ansprechen müssen, sondern teils ganz allgemein Eigenschaften erläutern.
Bezöge ich jede Zeile auf das einleitende "Du", so müsste ich "dich" nehmen. Beziehe ich die Sprachbilder aber alle auf "der Baum", das Gleichsetzungsglied in S3Z1, so passt das "sich".
Also ist diese Zeile (S3Z1 - "Du bist der Baum") die entscheidende - der Kulminationspunkt dieses Konstrukts.

LG, eKy

a.c.larin 25.08.2015 07:10

Hey, Erich,
Bäume sind was ganz Feines, besonders Laubbäume:
Sie zeigen uns ihre innere Struktur und Ordnung auf einen Blick!.
Die verwirrrenden Verästelungen mögen auf den ersten Blick chaotisch erscheinen, folgen aber doch dem inneren Gesetz von Differenzierung und Verfeinerung.

Ich denke, so ist das " von außen leicht" zu verstehen.
Das LyrIch erkennt sich in dem Baum wieder, indem es meint:
Das, was euch an mir so banal, nebensächlich erscheinen mag, hat tiefe Wurzeln und gute Gründe, die oft weit in die Vergangenheit zurück reichen!

Die Verbindung mit der Erde berührt uns, wohl deshalb, weil Bäume mitunter an geradezu unmöglichen Stellen wachsen.

Und:
Wir werden sie noch dringend brauchen, um das Klima der Erde zu stabilisieren.

In dem Sinne: Liebt sie Bäume!

Danke, dass du uns daran erinnert hast.
LG, larin


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