Gedichte-Eiland

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Romantiker2016 01.08.2016 16:03

Sonett
 
Die ewigen Blumen

Auf welchen himmelwärts strebenden Wiesen
wachsen in heißer Blüte Blumen der Hoffnung,
entrückt, verborgen an Hängen, die diesen
dunklen Räumen schenken uns ferne Erbauung ?


Blumen, niemals welkend, die keiner dir nimmt -
mögen Zeitenstürme auch toben und wallen -
dir sind glorreiche Blüten von Engeln bestimmt,
deren Lieder dir stets im Innersten hallen.

Ach, sind denn, jenseits von glühenden Sternen,
fernab von unsrem Versagen und Lernen,
die ewigen Auen uns fruchtbar und weit ?

Wer vermochte, ohne ein blindes Sehen,
rein und fest in diesen Reichen zu stehen ?
Doch jene Blumen sind immer für uns bereit.

Kokochanel 01.08.2016 18:23

Ich denke, du hast deinen Nick zu recht, Romantiker.:)
Eine schöne Vorstellung, ein Blumenreich, das ewig währt, als Quell der Hoffnung.

Was mich etwas stört, ist die übersteigerte Sprache "heiße Blüte".
"herzschere" hinterlässt mich ratlos...:).

Ich sehe es wegen der Metrik nicht als Sonett. Mal hast du 4, mal 5 Hebungen.
Das solte in einem Sonett nicht sein.
Dennoch, ein poetisches Stück, das ich gerne gelesen habe.
Grüße von Koko

Romantiker2016 02.08.2016 01:14

Danke für Deinen Beitrag Koko ! Du hast recht mit der Metrik, dennoch muss man sagen, dass nur wenige Dichter sich beim Sonnett ans strenge Regelwerk (also die Idealform) halten oder gehalten haben; nicht einmal Rilke hat das getan.^ Das soll aber keine Entschuldigung sein. - Immer wenn ich ein Sonett schreibe, ist ein wenig Pathos dabei, so auch hier, denn das gehört für mich persönlich einfach dazu. - Ich freue mich auf eine gute Zeit im Forum und grüße recht herzlich, Holger

Kokochanel 04.08.2016 11:21

Guten Morgen, Romantiker,

da hast du zwar recht mit Rilke, aber diese Diskussion habe ich schon in mehreren Foren gesehen. Auch deine Diskussion mit Erich habe ich mit Interesse verfolgt und möchte mich darum dazu nicht weiter äussern, außer, dass ich es grundsätzlich so sehen würde wie er.
Es ist eine Grundsatzfrage wie man zu antiken Lyrikformen steht.

Ich habe gesehen, dass die "Sommervögel", die sich hier immer eine Schreibaufgabe stellen, diesmal die Sonette gewählt haben.
Freundlich wurde auch dort bei manchen Werken Kritik angebracht. Was ich gut finde. Bisher habe ich hier nur helfen wollende und keine hoffärtige Kritik gelesen.
Das scheint dieses Forum von anderen zu unterscheiden und darum bin ich hier.
Vielleicht magst du dort einmal schnüffeln. Kann ja nicht schaden:).
Grüße von Koko

Erich Kykal 06.08.2016 17:52

Hi Romantiker, Koko!

Dieses Werk als Sonett zu bezeichnen, nur weil es 2 Quartette und 2 Terzette hat, halte ich für übertrieben. Abgesehen davon hat es nämlich absolut nichts von einem Sonett.

Sonett:
2 Quartette mit denselben umarmenden Reimen (ABBA), im 2. Quartett zuweilen auch gespiegelt (im modernen Sonett nicht Pflicht)
2 Terzette mit 2 oder 3 Reimen (die letzten beiden Zeilen des letzten Terzetts sollen nicht paargereimt sein, aber auch das ist alte Schule)
Unbetonter Auftakt, fünfhebige Verse, weibliche Kadenzen
Quartette stellen These und Antithese dar, die Terzette ihre Synthese (alte, klassische Auslegung)


Schauen wir uns mal deine erste Strophe an:

Auf welchen himmelwärts strebenden Wiesen

Die Sonettzeile hat unbetonten Auftakt (hier erfüllt), weibliche Kadenz (hier erfüllt) und ist fünfhebig: xXxXxXxXxXx. Wie sieht deine Zeile aus?

So: xXxXxxXxxXx = Auf welchen himmelwärts strebenden Wiesen

Das sind nur vier Heber, aber schlimmer sind die Senkungspralle dazwischen, die es im Sonett so nicht geben dürfte. Wendet man das korrekte Betonungsmuster auf diese Zeile an, so ergibt sich eine unnatürliche Betonung:

Auf welchen himmelwärts strebenden Wiesen


Die nächste Zeile:

wachsen in heißer Blüte Blumen der Hoffnung,

XxxXxXxXxxXx

Betonter Auftakt (andere Betonung wäre unnatürlich), wiederum unregelmäßige Senkungspralle. Im Sonettschema läse sich die Zeile so:

wachsen in heißer Blüte Blumen der Hoffnung,

was 6 Heber ergäbe, da die Zeile 12 Silben hat, eine zuviel. Zudem hätten wir so eine männliche Kadenz am Ende.


Nächste Zeile:

entrückt, verborgen an Hängen, die diesen

xXxXxxXxxXx

Wiederum nur vier Heber und Senkungspralle. Wie diese Zeile sich im korreken Betonungsschema anhören würde, kannst du dir mittlerweile denken.


Und Zeile 4:

dunklen Räumen schenken herzschere Erbauung ?

Zuerst denke ich, es soll wohl "herzschwere" heißen (Darauf hat schon Koko dich aufmerksam gemacht. Hältst du es nicht für nötig, deine Fehler auszubessern?). Vor dem Fragezeichen ist eine unnötige Leerstelle. Die unschöne Inversion in dieser Zeile gibt ihr den Rest. Das Schema hier:

XxXxXxXxxxXx

Gratuliere - ein Senkungsprall mit gleich 3 Silben, das sieht man nicht alle Tage! Nebenbei betonter Auftakt. Versteh mich richtig - ich schreibe selbst ab und zu ein Sonett mit betonten Auftakten! Aber da ist es konsequent durchgehalten von Beginn bis Ende und ein bewusst angewandtes gestalterisches Element. Bei dir gibt es nicht einmal eine Regelmäßigkeit, was das betrifft!


Strophe 2:

Blumen, niemals welkend, die keiner dir nimmt - betonter Auftakt, männliche Kadenz. Schema: XxXxXxxXxxX
mögen Zeitenstürme auch toben und wallen - betonter Auftakt, Schema: XxXxXxxXxxXx
dir sind glorreiche Blüten von Engeln bestimmt, Betonter Auftakt, männliche Kadenz. Schema: XxXxxXxxXxxX
deren Lieder dir stets im Innersten hallen. Betonter Auftakt. Schema: XxXxxXxXxxXx

Des weiteren wäre noch zu bemerken, dass deine Quartette das falsche Reimschema haben (ABAB).
Die Terzette sind nicht besser, aber die zu analysieren und mit dem Rest zu überarbeiten überlasse ich dir, solltest du überhaupt daran interessiert sein, etwas an deiner Kunst zu verbessern.

Ach, sind denn, jenseits von glühenden Sternen,
fernab von unsrem Versagen und Lernen,
die ewigen Auen uns fruchtbar und weit ?

Wer vermochte, ohne ein blindes Sehen,
rein und fest in diesen Reichen zu stehen ?
Doch jene Blumen sind immer für uns bereit.


Wozu die Leerstellen vor den Fragezeichen?

Abschließend: Jaja, ich weiß, du berufst dich auf deine "Sprachmelodie" und deine ganz persönliche künstlerische Freiheit, mit der du die klassischen Formen neu interpretierst, nur um "Freude zu bereiten". Soll sein. Ich habe mehr Freude an Sonetten, die diese Bezeichnung auch verdienen, aber das nur nebenbei. Ich hätte nichts dagegen, wenn du als Titel "Sonettexperiment" oder "Sonettartiges" gewählt hättest, das wäre korrekt gewesen.

Würde mich interessieren, ob du es auch richtig kannst. So wie die großen Maler im 19. und frühen 20. Jhdt erst gegenständlich malten, um sich dann davon zu lösen und das bewusste Abstrahieren zu erfinden (Pointilismus, Kubismus, Impressionismus, Expressionismus usw...), so sollte auch ein Dichter erst mal das klassische Handwerk beherrschen, ehe er damit herumspielt. Wenn du das beweisen kannst, nehme ich dich gerne als Künstler ernst.

Zuletzt: Rilke ist mein großes und absolutes Vorbild. Du hast recht, er hat die Sonettregeln nicht immer befolgt, und es hat seiner Kunst nicht geschadet. Aber niemals hätte er im Sonett Senkungspralle verwendet, obendrein ohne Regelmaß, und auch niemals innerhalb eines Sonetts zwischen betonten und unbetonten Auftakten gewechselt. Die Kadenzen wechselte er nur in strengem Regelmaß. So betrachtet ist dein Argument nicht stichhaltig.

Dies ist mein letzter Versuch, dir etwas klar zu machen, ohne dich herabwürdigen zu wollen. In Zukunft werde ich deinen Werken fern bleiben, wenn sich qualitativ nichts verbessert.


Alles Gute weiterhin,

eKy

Romantiker2016 07.08.2016 10:43

Hallo Erich,

danke für Deine fachliche Analyse, der nichts hinzuzufügen ist! - Nimm mir bitte ab, dass ich sehr wohl mit dem Regelwerk der Metrik vertraut bin; dennoch halte ich mich aus den schon genannten Gründen nicht strikt an die Vorgaben. - Natürlich gibt es viele Dichter, die sich überwiegend an metrische Regeln halten, aber nicht ausnahmslos. - Auch wenn´s Dir suspekt erscheint,lieber Erich: Ich lausche auf meine eigene Art meiner eigenen Harmonie nach. - Aber bei dem Thema haben wir wohl leider verhärtete Fronten.^ - Vielleicht empfindest Du dennoch ein wenig Freude an meinen Gedichten, wenn Du das Werk als solchnes wirken lässt und den Focus nicht nur auf die Metrik richtest.^- Das würde mich freuen.
"Auf seine eigene Art zu denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht auf seine eigene Art denkt, denkt überhaupt nicht." Oscar Wilde

Herzliche Grüße, Holger

Thomas 07.08.2016 11:11

Lieber Romantiker,

deine Antwort auf Erichs ausführlichen Kommentar empfinde ich als sehr unzureichend und sogar etwas arrogant. Wenn du ausdrücklich "Sonett" über einen Text schreibst, dann kann man verlangen, dass du in der Lage bist zu erklären, was du unter dem Begriff verstehst, d.h. was ein "Sonett" ist, was kein "Sonett" ist, und warum das so ist.

Selbstständig denken und in sich hineinhören sind Selbstverständlichkeiten für jeden einigermaßen ernsthaften Menschen, das bewahrt jedoch nicht davor, den größten Unsinn zu reden. Genau deswegen ist die Beschäftigung mit den alten Formen und mit genialen Dichtern so wichtig und erhellend. Dass geniale Dichter diese Formen so tief durchdringen, dass sie diese verbessern (das ist etwas anderes als verändern!) und mit ihnen "spielen", bzw. "spielend arbeiten" ist eine herrliche Erfahrung, die ich jedem gönne.

"Auf seine eigene Art zu denken ist nicht selbstsüchtig.
Wer nicht auf seine eigene Art denkt, denkt überhaupt nicht."
Oscar Wilde
"Wer denke er denkt, denk nicht immer richtig!"
Onkel Otto

Viele Grüße
Thomas

Romantiker2016 07.08.2016 17:08

Hallo Thomas,
eigentlich bin ich diese Art von Diskussionen leid, dennoch einige Worte zur Richtigstellung:
Die "herrliche Erfahrung" die Du ganz richtig anführst, hatte wohl auch Rainer Maria Rilke, als er eines der größten Werke deutscher Dichtung schuf, die ausdrücklich die "Sonette an Orpheus" von ihm genannt wurden. - Sicherlich kennst Du diese wunderbare Literatur; hätte nun (rein hypothetisch^) der Dichter einige dieser Sonnetts hier im Forum als "Sonett" vorgestellt, wären wohl einige über das Genie hergefallen. - Als Verbesserung der Form wäre das kaum anerkannt worden. Und so lassen sich bei großen Dichtern unzählige "Fehler" nachweisen. - Vielleicht ist dann und wann ein wenig Demut beim Kritiker angebracht, nicht wahr ?
Und so plädiere ich dafür, das Werk jeweils als Ganzes zu betrachten und es nicht auf das Reglement zu beschränken, denn damit läuft man Gefahr, das Gedicht selbst zu töten, auch wenn das Ansinnen lediglich eine Verbesserung anstebt. -
Im übrigen hatte ich ja schon direkt und indirekt klar gemacht, dass ich dieses Forum nicht als Schreibwerkstatt betrachte. - Andere mögen das Gegenteil im Sinn haben. - Schön wäre es, wenn man sich gegenseitig im Sinne seiner Intention respektiert, denn es ist doch für alle Platz, oder ? - Ich bitte also zu akzeptieren, dass ich mich nicht für die Form meiner Gedichte rechtfertigen werde. - Meine Dichtung ist von Literaturwissenschaftlern als Kunst anerkannt worden und Kunst muss sich eben, wie Du weißt, niemals rechtfertigen.
Herzlichst, Holger

Erich Kykal 07.08.2016 17:40

Hi Romantiker (Holger)!

Ich bin nicht stur auf Metrum geeicht, aber wenn man es ignoriert, sollte es beim Vortrag wenigstens nicht auffallen. Die Unwucht deiner "anerkannt künstlerischen" Zeilen schafft dies nicht. Das ist keine so von dir propagierte "harmonische Wortmelodie", es holpert einfach an manchen Stellen, hat mal zuviel, mal zu wenig. Klingt durch die vielen Senkungspralle auch nicht wirklich, wirkt dadurch eher pathetisch als kontemplativ und emotional. Zumindest hier ist dir deine Intention nicht geglückt, wie ich finde.

Warum du dich so strikt jeder Einsicht verweigerst, ist mir unklar - Hybris oder Mangel an lyrischem Gespür (von deiner oder meiner Seite - oder beiden?)?

Das ist nun mal mein Eindruck von diesem Werk, sorry. Ich werde dich künftig nicht mehr mit meinen Ansichten belästigen.

Zuletzt: Bessere wenigstens oben dieses unsägliche "herzschere" endlich aus - es ist unerträglich, wie gleichgültig du mit deinen Texten umgehst! Wie ein Ladeninhaber, der den Müll in seiner besten Auslage nicht wegräumt ... :Aua

Alles Gute weiterhin,

eKy

Romantiker2016 07.08.2016 18:17

Lieber Erich: Frieden zwischen uns beiden, okay?:) Ich weiß Dein großes Fachwissen durchaus zu schätzen!! - Werd mir Gedanken über die "herzschwere" (w vergessen, war mir bisher nicht aufgefallen^) Erbauung machen und das Wort eventuell gegen ein anderes austauschen.
Alles Gute!

Holger

Thomas 07.08.2016 18:28

Lieber Romantiker,

ich habe verstanden und werde mich in Zukunft in der gebotenen "Demut" dem von "Literaturwissenschaftlern als Kunst" anerkannten nähern, entschuldige, dass ich eine Frage gestellt habe, in der wohl irrigen Annahme, dass ein "literaturwissenschaftlich anerkannter" Fachmann sagen können müsste, was er unter "Sonett" versteht. Grüße bitte in Vorbeigehen auch Herr Rilke von mir und sage ihm, dass ich seine Werke schätze. Er wird sich sicher freuen, dass er mit dir nun einen kongenialen Partner hat.

Liebe Grüße
Thomas

Romantiker2016 07.08.2016 23:51

Hallo Thomas,
Du machst Dich gern lustig, selbst über das besagte Zitat von Oscar Wilde, welches ja nicht nur das eigenständige Denken betont, sondern auch die Toleranz gegnüber Andersdenkenden; wahrlich ein Aphorismus, über den man sich zynisch äußern kann, genau wie über faktenuntermauerte Ausführungen. - Gratuliere zur Entblößung Deines Charakters, Holger

Erich Kykal 07.08.2016 23:56

Hi Romantiker!

Sorry, wenn ich nochmal störe, aber deine Änderung ist NOCH falscher: Beachte bitte die Satzkonstruktion nach dem Komma in der Vorzeile:

entrückt, verborgen an Hängen, die diesen
dunklen Räumen schenken uns ferne Erbauung ?

Das "die" bezieht sich auf die "Blumen der Hoffnung". Diese also schenken den dunklen Räumen ferne Erbauung - das "uns" passt da überhaupt nicht dazu! Ein anderes Adjektiv als "herzschwere" wäre denkbar.

LG, eKy

Romantiker2016 08.08.2016 00:32

Guten Morgen Erich,
jetzt wird´s ein wenig kompliziert: Das uns habe ich deshalb kursiv geschrieben, weil es vom Sinn her folgendes meint: Die Blumen, welche den dunklen Räumen Erbauung schenken, sind uns fern, wie auch die besagten Räume selbst. - Anders ausgedrückt: Die Erbauung, welche die Blumen, die ja Bestandteil der Räume sind, also den Räumen mehr als nahe sind, wiederum den Räumen schenken, ist uns, die auf Erden sind, fern. Der vierte Vers bezieht also durch die beiden Worte "uns ferne" den Menschn mit ein; würden die Worte weggelassen, wären allein die Räume, welche die Erbauung (die uns fern ist) erfahren, gemeint. - Diese Formulierung drückt ein Getrenntsein des Menschen in körperlicher Form von der Ewigkeit aus. - Dennoch sind diese Blumen, wie im letzten Vers beschrieben, immer für uns da, weil sie ein Dasein beschreiben, welches über die körperliche Existenz hinausreicht, das Reich unserer Seele. - Die Formulierung "uns ferne Erbauung" ist also zu einer zentralen Botschaft des Gedichtes geworden.
Herzliche Grüße, Holger

Erich Kykal 08.08.2016 00:58

Hi Romantiker!

Aha. Du hast recht: Kompliziert ...

LG, eKy

Romantiker2016 08.08.2016 09:17

Guten Morgen Erich.

Ja, leider etwas kompliziert. - Natürlich hätte ich die beiden Worte "uns fern" auch in Klammern setzen können - das wäre dann deutlicher. - Ich habe aber die kursive Lösung bevorzugt. -
Mit besten Grüßen, Holger

Kokochanel 08.08.2016 09:46

Guten Morgen, Romantiker,


Ich möchte noch einmal etwas dazu sagen. Ich meine, deine Intention, höchst Niveauvolles in deinen Werken zu transportieren, zu erkennen und ich respektiere das. Aber gerade, da du dich ja auf linguistische Fakten und die Wissenschaft in der Literatur beziehst, sollte dir an diesen Fakten auch gelegen sein.
Ich habe jedoch den Eindruck, dass deine erklärenden Kommentare besser sind als die Werke, ich nehme Buddha und dieses einmal gemeinsam, weil du in deinem hohen gedanklichen Selbstanspruch und vielleicht auch in dem Anspruch, als niveauvoller Dichtender zu gefallen, eben für genau die wissenschaftlichen Fakten den Blick verlierst. Ich habe also die Hoffnung, dass unsere gemeinsame Kritik dich evtl. doch noch veranlasst,über die sprachlichen Schwächen nachzudenken.:)
Nehmen wir es einmal nicht als Sonett, denn es ist ja literaturwissenschaftlich keines, sondern als normales Gedicht und lassen auch die bereits monierten Metrikschwächen einmal außen vor.
Schau mal:


Die ewigen Blumen

Auf welchen himmelwärts strebenden Wiesen
wachsen in heißer Blüte Blumen der Hoffnung,
entrückt, verborgen an Hängen, die diesen
dunklen Räumen schenken uns ferne Erbauung ?

Du möchtest deinen Zeilen Pathos geben, das dem Inhalt angemessen ist. Dies versuchst du zu erreichen über Kettennebensätze, eingeschobenes Adjektiv, was das Ganze aber nur unübersichtlich macht. Der Kernsatz würde heißen:“ An welchen himmelwärts strebenden Wiesen wachsen…Blumen der Hoffnung, die diesen dunklen Räumen ferne Erbauung schenken.“
Durch die verschwurbelte Konstruktion fällt zunächst nicht auf, dass du im letzen Satz eine Inversion hast und zudem ein zweites Subjekt , nämlich „uns“. Dem linguistisch ungebildeten Leser mag das nicht auffallen und er sagt: Poh, toll! So’n langer Satz.“.
Faktisch ist es aber einfach falsch. Deine Erklärung zum „uns“ gut und schön, sie ändert nichts an dem grammatikalischen Lapsus.
Bei aller Freundlichkeit: den Literaturwissenschaftler möchte ich sehen, der SOWAS abnickt.





Blumen, niemals welkend, die keiner dir nimmt -
mögen Zeitenstürme auch toben und wallen -
dir sind glorreiche Blüten von Engeln bestimmt,
deren Lieder dir stets im Innersten hallen.

So wie es jetzt da steht, bezöge sich das „dir“ in Z. 3 auf die Blumen und dann wäre das PP falsch und müsste „euch“ heißen. Da auch vorher kein „Du-Protagonist“ aufgetaucht ist, steht das „dir“ ohne jeden inhaltlichen Bezug. Grammatikalisch gesehen.
Inhaltlich ist die Metapher schräg: wieso haben Engel Blüten? Normalerweise haben sie Harfen…




Ach, sind denn, jenseits von glühenden Sternen,
fernab von unsrem Versagen und Lernen,
die ewigen Auen uns fruchtbar und weit ?

Das wäre so ok.

Wer vermochte, ohne ein blindes Sehen,
rein und fest in diesen Reichen zu stehen ?
Doch jene Blumen sind immer für uns bereit.

Was ist ein blindes Sehen in diesem Zusammenhang? Entweder sieht man die Blumen und findet die Erbauung oder man sieht nix und findet den Garten Eden nicht.

Von einem Reich war vorher keine Rede. Welche „Reiche“ also?

Der Schluss mit dem „bereit“ ist zu simpel für den hohen Anspruch, der vorher gedanklich aufgebaut werden sollte. Außerdem weiß der Leser immer noch nicht, um welche Art von Blumen es sich da handeln könnte, da alles nur in Frageform dargeboten wird.

Deine Erklärungen führen dazu, dass man es mit buddhistischer Lehre, die ja auch viel optisch mit Blumen arbeiten, lesen soll. Das Gedicht aber bringt das nicht hervor.

Auf den ersten Blick jedoch ist es romantisch und nett.

Und damit setzt hier wieder die Frage des „Handwerks“ ein, die auch Erich K. und auch Thomas dir näher bringen wollten.
Versuche doch einmal, ohne jede negativen Gedanken über Kritik, dieses Gedicht so zu schreiben, dass es linguistisch in Ordnung ist und der Leser, der keinem buddhistischen Zirkel entspringt, es verstehen kann. Das wäre eine gute Basis für deine nachfolgenden Werke. Und könnte dich sprachlich wirklich weiter bringen.
Es ist schade, dass deine tiefen Gedanken an diesen mangelnden Komponenten scheitern.

Wohl meinende, linguistische Grüße von Koko

Romantiker2016 08.08.2016 12:52

Guten Tag Koko.

Deine Zeilen veranlassen mich dazu, einiges Grundsätzliches anzumerken. -
In vielen Dingen haben Kritiker von Kunstwerken formal recht. - Besonders anschaulich ist das im "Rilke Handbuch" nachzulesen, in dem Manfred Engel und seine Kollegen an einigen Stellen Gedichte von Rilke geradezu auseinander nehmen und Logikfehler sowie andere Fehler nachweisen. Es sind Satzwendungen vom Dichter benutzt worden, die einem Regelfanatiker die Haare zu Berge stehen lassen.^ - Natürlich haben die Professoren aus formalistischen Gründen recht, und oft kann man ein Gedicht in dem Sinne wirklich verbessern; richtig ist aber auch, dass Formalismen ein Gedicht kalt werden lassen können wie einen toten Fisch. - Haben nun Rilke und seine Dichterkollegen den Blick "vor den wissenschaftlichen Fakten verloren" wie Du schreibst, oder war es ihnen einfach schnuppe, was Kritiker, die sich nicht als Künstler legitimieren können, schreiben? - Die Wahrheit ist, dass die meisten Dichter niemals Kritiken an ihren Werken gelesen haben, weil sie sich, in den Räumen der Kunst seiend, stets im Recht sahen. Siehe, die Linguistik schlägt Purzelbäume und dem Künstler ist´s egal. - Dazu ein Zitat von John Keats:

„Es gibt kein Handwerk der Poesie : Wenn Poesie nicht von selbst kommt, wie die Blätter am Baum, dann ist es keine Poesie. - Man versteht ein Gedicht allein durch die Sinne; es ist eine Erfahrung, die kein Nachdenken braucht. - Wenn man in einen See steigt, um zu baden, denkt man nicht ans Ufer zurück; man ist im Genuss der Wellen. - Poesie tröstet und bringt der Seele die Welt der Geheimnisse nah.“ John Keats

Dieses Zitat weist alle formalismusgeilen Kritiker in die Schranken, nicht wahr ?

Und Hölderlin, zu den besagten Räumen der Kunst:

Ich verstand die Stille des Aethers,
Der Menschen Worte verstand ich nie.

Hölderlin (Da ich ein Knabe war)

Wie auch Schiller im Gesamtzusammenhang des Themas sagt: "Es liebt die Welt, das Strahlende zu schwärzen / und das Erhabne in den Staub zu ziehn".


Sind nun alle Künstler doof, oder sind die Kritiker doof ? - Eine provokante Frage, und da wären wir wieder bei der Frage der Demut. - Es gibt dennoch verständige Literaturwissenschaftler, die "so etwas abnickenen", wie Du es - jedoch in der Negation - ausdrückst, Koko. Der Determinismus der Metrik ist für den Künstler Richtschnur und Empfehlung, jedoch übersteigt die Hoheit der Poesie (siehe Keats) jedes Regelwerk!! - Ich weiß, dass das viele Menschen nicht verstehen werden, weil sie eben keine Künstler sind, aber wenn in diesem Zusammenhang nicht Toleranz als Imperativ auftreten sollte, wo dann ?

Was meine Dichtung betrifft: Ich habe es mit vielen Fachleuten und Autoren zu tun gehabt; keiner - wirklich keiner - der Professoren oder Dichter hat dabei ein Augenmerk auf die Metrik gerichtet; niemand hat nach Logikfehlern geschaut. - Warum ? - Diese Menschen haben das Große-Ganze im Auge gehabt; die Wirkung und die Aussage des jeweiligen Werkes. - Ist deshalb jede Kritik zu verdammen ? Natürlich nicht, wenn sie denn erwünscht ist.
Dennoch, natürlich gibt es objektiv gesehen viele Fehler, auch bei bedeutenden Dichtern. - Das sollte aber nicht dazu führen, in der Betrachtung das Werk an sich außer acht zu lassen. - Plump gesagt, man sollte sich davor hüten, den Wald vor Bäumen nicht zu sehen. - Unzählige Gedichte in den Gedichte-Foren werden als Blüte wirklicher Kunst , als Ergebnis einer empfindsamen Seele, regelrecht zertrampelt und erdrückt im Wahn von egoistischer Rechthaberei und aus Unkenntnis der wirklichen Gegebenheiten heraus.

Nun habe ich hier mehrfach kundgetan, dass ich das Forum nicht als Schreibwerkstatt sehe, und es graust mich ein wenig, wie die alleinige Sichtweise einzelner kritisierender Personen als das Maß aller Dinge erhoben wird, bei der Beurteilung von Gedichten! - Von Achtung, Demut und Akzeptanz ist dort leider keine Spur zu finden.

Was wäre zum Beispiel gewesen, liebe Koko, wenn ich in der Strophe:

Blumen, niemals welkend, die keiner dir nimmt -
mögen Zeitenstürme auch toben und wallen -
dir sind glorreiche Blüten von Engeln bestimmt,
deren Lieder dir stets im Innersten hallen.

hinter dem Wort "wallen" einen Punkt oder ein Semikolon gesetzt hätte (mir schien aber ein Gedankenstrich passender). - Schon wär´s kein Fehler mehr ? - Es ist auch so kein Fehler, denn der Gedankenstrich führt eben zu einem neuen Gedanken. - Man kann sicherlich dazu eine Frage stellen, es aber als Fehler zu kennzeichnen ist falsch.

Zitat Koko:

Wer vermochte, ohne ein blindes Sehen,
rein und fest in diesen Reichen zu stehen ?
Doch jene Blumen sind immer für uns bereit.

Was ist ein blindes Sehen in diesem Zusammenhang? Entweder sieht man die Blumen und findet die Erbauung oder man sieht nix und findet den Garten Eden nicht.


Antwort: Wir Menschen unterliegen alle einem blinden Sehen, weil wir die Welt beschränkt (als Ausschnitt der Realität) wahrnehmen; nur ein erleuchteter Mensch nimmt Dinge wahr, die darüber hinaus reichen. - Die "Reiche" sind natürlich die "dunklen Räume der Erbauung, welche von den Blumen erhellt werden". Ich habe für das Sonett das folgende Grundschema gewählt: 4 + 4 = These, 3+3= Synthese. Du scheinst die Hauptintention des Gedichtes leider überhaupt nicht verstanden zu haben, Koko


Zitat Koko:

Du möchtest deinen Zeilen Pathos geben, das dem Inhalt angemessen ist. Dies versuchst du zu erreichen über Kettennebensätze, eingeschobenes Adjektiv, was das Ganze aber nur unübersichtlich macht. Der Kernsatz würde heißen:“ An welchen himmelwärts strebenden Wiesen wachsen…Blumen der Hoffnung, die diesen dunklen Räumen ferne Erbauung schenken.“
Durch die verschwurbelte Konstruktion fällt zunächst nicht auf, dass du im letzen Satz eine Inversion hast und zudem ein zweites Subjekt , nämlich „uns“. Dem linguistisch ungebildeten Leser mag das nicht auffallen und er sagt: Poh, toll! So’n langer Satz.“.
Faktisch ist es aber einfach falsch. Deine Erklärung zum „uns“ gut und schön, sie ändert nichts an dem grammatikalischen Lapsus.
Bei aller Freundlichkeit: den Literaturwissenschaftler möchte ich sehen, der SOWAS abnickt.

Antwort: Das magst Du so sehen, es ist aber eine rein subjektive Betrachtung von Dir; andere emögen das anders sehen, und so empfindet jeder ein Gedicht anders, nämlich als ein individuelles Erlebnis. Faktisch ist nichts falsch! - Borniert wird´s nur dann, wenn man seine persönliche Meinung zu einem Gedicht als die alleinig richtige darstellt.

Ich könnte hier noch viele Seiten zum Thema Dichtung, die als Kunst erkennbar ist, schreiben, jedoch möchte ich meine Einlassung hier beenden: Wer´s nicht verstanden hat, wird´s sowieso nie verstehen.

Zum Schluss ein paar versöhnende Verse aus dem Faust; der Dichter spricht:

O sprich mir nicht von jener bunten Menge,
Bei deren Anblick uns der Geist entflieht.
Verhülle mir das wogende Gedränge,
Das wider Willen uns zum Strudel zieht.
Nein, führe mich zur stillen Himmelsenge,
Wo nur dem Dichter reine Freude blüht;
Wo Lieb und Freundschaft unsres Herzens Segen
Mit Götterhand erschaffen und erpflegen.
Ach! was in tiefer Brust uns da entsprungen,
Was sich die Lippe schüchtern vorgelallt,
Mißraten jetzt und jetzt vielleicht gelungen,
Verschlingt des wilden Augenblicks Gewalt.
Oft, wenn es erst durch Jahre durchgedrungen,
Erscheint es in vollendeter Gestalt.
Was glänzt, ist für den Augenblick geboren,
Das Echte bleibt der Nachwelt unverloren.

Hier etabliert sich unter anderem die Erkenntnis, dass ein Kunstwerk niemals fertig sein wird und auch fehlerbehaftet sein kann, jedoch der Glanz der Geburt eines wahrhaftigen Kunstwerkes wohnt ihm von Anfang an inne.

Herzlichst, Holger

Kokochanel 08.08.2016 15:29

wenn du dich, Romantiker, allerdings in der Nachfolge von Schiller und Rilke siehst, dann wird da wohl nix zu machen sein.:D
Auffällig sind deine vielfältigen Zitate von dichterischen Persönlichkeiten, die du zu deiner Rechtfertigung benutzt oder sollte ich sagen "mißbrauchst"?.
Kein einziges trifft wirklich auf dein Gedicht zu.

Auffällig ist, dass du aber mit keinem Wort auf die handwerkliche und an diversen Punkten benannte Kritik eingehst, sondern dich in Allgemeinplätzen ergehst.
Und auffällig ist ebenso, dass du keine substanziierten Kommentare schreibst.

Das lässt die Vermutung zu, dass du nur an einer "Bühne " interessiert bist um deine hochgeistige Kunst darzubieten.
Ein Forum aber lebt vom Austausch. Das mal nebenbei.;)

Dein aus dem Faust zitierter Absatz ist eigentlich kein Gedicht. Es ist ein Blankvers, der in damaligen Zeiten für Dramen gern genutzt wurde.
Im Übigen ist er zwar pathetisch, aber im Gegensatz zu deinem Gedicht metrisch und formal einwandfrei!
Was beweist, dass Autoren, die es können, durchaus auch MIT Handwerk Pathos und Gefühl in ein Werk legen können.

Dichtung ist Sprache und wenn es an der Umsetzung der Sprache hapert, dann hapert es auch mit der Dichtung.
Um mal im Bild von Keats zu bleiben:

"Wenn ich in einen See springe, der nur einen Meter Tiefe hat, dann brauche ich kein 3-Meter-Brett.".

Und um mal in meinem eigenen Bild zu bleiben: Ich habe besseres zu tun als tote Fische zu jagen.:D

Nicht zum ersten Mal treffen wir in einem Forum auf einen deines Schlages.
Einen Versuch war es wert.

Blumige Grüße von Koko, die täglich auf Erleuchtung wartet...:cool:
Habe mir jetzt bei Elambia ein paar Kerzen gekauft, die mit Batterie betrieben sind...

Romantiker2016 09.08.2016 09:23

Du kannst erleichtert sein, Koko. - Die Zeit im Forum geht für mich nun zu Ende. - Es war für mich ein Experiment, das entsprechende Resultate gezeigt hat. - Ich wünsche allen Beteiligten weitherhin ein frohes Schaffen und Freude am Leben.;) Holger

Chavali 09.08.2016 10:32

Zitat:

Zitat von Romantiker
Die Zeit im Forum geht für mich nun zu Ende. - Es war für mich ein Experiment, das entsprechende Resultate gezeigt hat. - [...]

Guten Morgen Holger,

das ist sehr schade und deshalb gehe ich auch nicht auf das Gedicht und die Kommentare und Diskussionen ein.
Ich hätte ohnehin nichts anderes dazu beitragen können.

Schade deswegen, weil du mit deinen Texten interessante Kommunikationen angestoßen hast,
die zeigen, wie unterschiedlich die Sichtweise auf Gedichte, Lyrik, Poesie und die Kunst im Allgemeinen
sein kann und auch ist.

Kluge Sprachforscher haben da sehr strenge Maßstäbe angelegt, die nicht jeder teilt.
Ich finde das legitim - dieser Zweig der schönen Künste ist schließlich keine höhere Mathematik.

Man sollte jeden schreiben lassen, wie er möchte - allerdings sollte man aber auch Meinungen
und Gegenmeinungen akzeptieren,
noch dazu, wenn die Werke öffentlich vorgestellt werden.
Dass das alles in höflichem Rahmen bleiben sollte, ist selbstredend.

Nun habe ich mir deine Website, deinen Blog, angeschaut.
Viele - die meisten - Gedichte sind fertig und eingestellt, auch wohl teilweise veröffentlicht.
Ich kann gut verstehen, dass du sie hier nun nicht mehr ändern kannst oder willst.

Doch hätte ich mir von dir auch mal einen AHA-Effekt gewünscht nach dem Motto:
Oh ja, so hätte ich es auch schreiben können...;)

Aber sag, was genau meinst du mit Experiment und welches Resultat hat es für dich gezeigt?


Schönen Tag noch und Gruß,
Chavali :)






Kokochanel 09.08.2016 13:07

Guten Morgen, Romantiker,

ich schließe mich da Chavalis Kommentar gerne an. Einen Rückzug sehe ich nicht als zwingend an, es sei denn, dein "Experiment" wäre für dich persönlich gescheitert. Durchaus würde mich dann ebenso wie Chavali interessieren, was die Basis für dieses Experiment war.
Ich wünsche dir auf deinem Weg weiterhin alles Gute. Grüße von Koko

Romantiker2016 14.08.2016 11:30

Guten Morgen Chavali.

Den Sinngehalt Deiner einfühlsamen Worte kann ich nur unterstreichen. - Ich möchte verraten, was es mit dem „Experiment“ auf sich hatte: Ein Freund von mir, bei dem es sich um einen hochmotivierter Verfasser von Gedichten handelt, der aber noch nicht gefestigt ist, was sein Selbstverständnis und seine Entwicklung in Sachen Dichtung betrifft, hatte durch das Einstellen seiner Gedichte in eine Gedichte Forum (nicht das „Gedichte Eiland“) gewissermaßen ein mentales Desaster erlitten, weil die Hauptprotagonisten dieses Forums seine Werke nicht als ein einzigartiges Ergebnis individueller Kreativität geachtet haben, sondern die Werke quasi skelettiert haben auf ihr metrisches Gerüst und gleichzeitig den Wert des jeweiligen Gedichtes ganz darauf reduziert haben. - Das Ergebnis für den sensiblen Geist meines Freundes war verheerend, er ist aus dem Forum geflüchtet und war nachhaltig enttäuscht. -
Ich hatte dann den Gedanken, dass es ihm nicht allein so gehen würde, und habe das Experiment in der spannenden Hoffnung gestartet, dass es sich im „Gedichte Eiland“ anders entwickeln würde. - Dazu habe ich einiges „geopfert“, indem ich Persönliches preisgegeben und auch bewusst ein wenig polemisch argumentiert habe, was ich ansonsten eher vermeide. - Ich bitte einige etwas harsche Worte in dem besagten Zusammenhang zu verstehen. - Niemals war es meine Absicht, jemanden persönlich anzugreifen! Falls das bei Koko oder anderen anderes aufgenommen sein sollte, so tut´s mir leid.
Natürlich bin ich ein wenig traurig, dass sich das Gebaren doch zum Teil in die Richtung entwickelt hat, wie es mein Freund erfahren musste. - Mir machen die Kritiken nichts aus, und, Chavali, Du hast vollkommen recht damit, dass man für eine konstruktive Meinung zu den Gedichten dankbar sein sollte; dementsprechend habe ich ja einen Vers im Sonett geändert, nachdem Erich dankenswerterweise die Anregung dazu gegeben hat. - Aber es gibt viele sensible Schreiber von Gedichten da draußen, die einfühlsam behandelt werden müssen, einfach um ihnen zu ermöglichen, sich fruchtbar weiter zu entwickeln. - Ich glaube, dass es in diesem Zusammenhang deutlich geworden ist, dass ich für eine ganzheitliche Betrachtungsweise von Gedichten eintrete. - Ich selbst bin bisher niemals bei der Beurteilung anderer Gedichte auf metrische Finessen eingegangen, es sei denn, es war der ausdrückliche Wunsch des Verfassers, darauf einzugehen. - Nicht das Verhältnis „Lehrer-Schüler“ sollte vorherrschen, sondern die gegenseitige Achtung und der Respekt vor einem künstlerischen Schaffen. - Jedenfalls ist das meine Meinung.
Vielleicht haben meine Gedanken im Forum dazu beigetragen, manche Sichtweise ein wenig zu hinterfragen. - Vor allem die Neulinge in unserem wunderbaren Reich der Dichtung würden es den Protagonisten danken. - Mehr, als das Erzeugen entsprechender Gedanken, wollte ich gar nicht erreichen.
Ganz liebe Grüße,
Holger

Thomas 14.08.2016 15:56

Lieber Romantiker,

ich finde das menschlich fast rührend, dass du dich hier für deinen sensiblen, jungen Freund zum Affen gemacht hast. Vielleicht kannst du anderen Menschen auch etwas Empathie zukommen lassen. Mir z.B. verursacht es fast physisch Schmerz, wenn du deine durchaus gelungene Demonstration einer vorgefassten Meinung (Beleg: Dein letzter Kommentar) als "Experiment" bezeichnest.

Es gibt verschieden Wege der Kommunikation, man muss nicht an öffentlichen Foren (d.h. einer bestimmten Form der Kommunikation, die ihrer Vor- und Nachteile hat) teilnehmen.

Das war mein letzter Kommentar, den ich an dich schreibe, ich bedauere die verschwendete Zeit.

Tschüss
Thomas

Romantiker2016 14.08.2016 18:38

Lieber Thomas,
Empathie ist immer gut. - Vielleicht kann man das Experiment als auch einen Versuch zum Guten respektive Gehaltvollen hin bezeichnen, eben die Bemühung, zukünftig allen Teilnehmern gleichermaßen Freude im Forum zu vermitteln. - Verschwendete Zeit ? : Hier geht es nicht um Anfeindungen und verletzte Eitelkeit, sondern um die Sache an sich. - Das dürfte doch klar geworden sein, oder ? Herzliche Grüße, Holger

Kokochanel 14.08.2016 20:05

Guten Abend, Romantiker,

was soll uns deine Erklärung nun sagen?
Du trittst für eine „ganzheitliche Betrachtung“ von Werken ein. Dazu müsste dann aber auch das Handwerk gehören. Also eigentlich ein Widerspruch zu deinem Kritikverhalten.
:confused:
Was haben wir also alle nun aus deinem Experiment zu lernen?

Wir können lernen:

Wir haben einen Autor, der nicht dazu lernen möchte, sich mit dem zufrieden zeigt ( hochzufrieden), was er leisten kann. Er sieht es als übergriffig und schulmeisterlich an, wenn man auf Lehrreiches hinweist, das ihm und seiner Kunst nützen könnte. Dennoch gilt es, dieses zu respektieren und zu tolerieren.

Der Autor lernt:

Wieder ein Forum von solchen, die auf Handwerk Wert legen, obwohl es doch die dichterische Freiheit beschneidet, die Poesie malträtiert und der Sargnagel allen tiefen Denkens ist.
Nun hat er allerdings schon zwei Mal die Erfahrung gemacht, dass er in einem Forum Kritik erntete anstatt überschwängliches Lob.
Sagt ihm das nichts?
Doch! Er hat die falschen Foren gewählt: nämlich solche, die den Autoren ermöglichen, sich weiter zu entwickeln. Wobei hier im Forum die Kritik sicherlich zunächst einmal auf freundlicher Basis dargelegt wird und durchaus positiven Motiven entspringt. Und nicht so, wie du es von deinem „Freund“ erzählt hast.

Was wäre also diesem Autor, also deinem "Freund", nun zu raten?
Entweder animiert und motiviert es ihn, denn „die alten Hasen“ werden wohl nicht mehr zu läutern sein. :)

Oder aber er macht sich auf die Suche nach einem Forum, das grundsätzlich alles lobt und toll findet, was eingestellt wird. Da könnte seine geschundene Seele Frieden finden.
Ich kann dir gerne per PM ein paar dieser Foren nennen. Auch dort findet man reichlich Autoren, die „Sonette“ schreiben, die keine sind. Limericks, die keine sind, Elegien, die keine sind, aber da die anderen es auch nicht besser wissen, loben sie sie. Das kann sehr freudvoll für beide Seiten sein.

Ich persönlich bin hier, weil es hier nicht so ist und weil ich es auch nicht so möchte. Ich bin in dem von dir vermutlich besagten Forum vor zwanzig Jahren in eine harte Schule gegangen – und ich bin froh darum. Ich wäre heute nicht so weit, wie ich es bin und doch bin ich weit davon entfernt, mich mit Schiller oder Rilke vergleichen zu wollen.

Jeder muss das so mit sich ausmachen, wie es für ihn lebbar oder besser schreibbar ist.
Schmunzeln und alles Gute, auch und besonders für deinen "Freund" von Koko
Sind es deine oder seine Gedichte, die du hier eingestellt hast?

Romantiker2016 15.08.2016 12:18

Hallo Koko,
so wären also die Standpunkte ausgetauscht. - Wenn ich einmal vom spöttischen Unterton absehe, kann ich Deine Ausführungen durchaus nachvollziehen. - Übrigens kannst Du (musst Du ja nicht) ruhig glauben, dass meine Person nicht identisch ist mit dem besagten Freund.
Was die Ganzheitlichkeit bei der Betrachtung eines Gedichtes betrifft: Ich setze einfach andere Schwerpunkte als Du es vielleicht tust, wenn mir Inhalt und Bedeutungstiefe (Wirkung) der Werke bei der Beurteilung am wichtigsten sind. - Hier im Forum herrscht, zumindest nach meinem Eindruck, überwiegend der Standpunkt, dass die Technik maßgeben ist. - Zum Beispiel wurde keiner meiner eingestellten Beiträge (sowohl im Feuilleton als auch bei den Gedichten) in den Antworten inhaltlich wahrgenommen. - Sicherlich gibt es andere Beispiele, und ein Jeder entscheidet ja selbst, was ihm wichtig ist.
Das unbestrittene Vorrecht der Natur ist die Fülle und das Leben, und das Vorrecht der Kunst ist es, dieser Einheit eine Sprache zu geben: die Bewusstmachung der Dinge; jenes soll für mich als Allererstes in meinen Gedichten zum Ausdruck kommen. - Die zeitweilige Auflösung des Festen und Schweren und damit das Entheben aus den alltäglichen Dingen möchten meine Versen bewirken. - Es ist schön, dass viele Leser eben dieses fühlen und verspüren.
Vielleicht halten sich ja in diesem Forum Abstoßungs- und Anzeihungskräfte die Waage. - Die Neigungen zur Harmonie hin mögen dominieren.^
Koko, auch auf die Gefahr hin, dass Du das Folgende vielleicht als arrogante Äußerung bezeichnen möchtest: Lob habe ich wirklich nicht nötig; einige meiner Bücher sind bei deutschen Universitäten in der Bibliothek eingestellt und meine persönlichen Erfahrungen mit Größen der Literatur sind eher von einer hohen Wertschätzung geprägt. - Dass das nun hier im Forum, ich sag mal, nicht besonders ausgeprägt ist, damit kann ich gut leben.^
Novalis formulierte es einst so: "Ein Mensch kann alles dadurch adeln, seiner würdig zu machen, dass er es will." - Demnach erniedrigt alles den Menschen, was er gezwungen tut.
In diesem Sinne: schmunzle weiter Koko, hab viel Freude in Deiner Welt und im Forum ( das ist keineswegs spöttisch gemeint ), lass Deine Tage gut werden, Holger

Kokochanel 15.08.2016 12:36

Guten Morgen, Romantiker,

ich verstehe nicht, wieso du die Mail, die du mir geschickt hast und die ich ausführlich und gutwillig beantwortet habe, hier nun noch einmal in abgewandelter Form, einstellst.:confused:.
Wahrscheinlich möchtest du der Welt und allen im Forum mitteilen, dass deine Bücher an " deutschen Universitäten" in den Bibliotheken stehen. In welchen Universitäten genau?
Oder meinst du die "Deutsche Gedichte-Bibliothek", die sich gerne als universitär darstellt?
Welche Größen der Literatur?

Ich hatte heute morgen auch ein Stelldichein mit Grass, ich habe nämlich im Garten gefrühstückt:D:D:D
Gestern mit Kunze, denn im Moment schellt hier (Hinz und )Kunz um Päckchen für die Nachbarn abzugeben, die alle im Urlaub sind.:D:D:D

Mein Tag wird gut, Romantiker, denn heute gibt es Buletten.:)

Grüße von Koko

Romantiker2016 15.08.2016 14:13

Hallo Koko,
Deinen privaten Brief habe ich nun auch gelesen und beantwortet. - Darin sind Quellen zu einigen der besagten Persönlichkeiten genannt sowie Links zu deutschen Universitäten eingefügt, wo meine Bücher aufgeführt und zu finden sind. - Übrigens: In "Die deutsche Gedichtebibliothek", einer Internetseite, bin ich auch mit Gedichten und Prosa vertreten.^ Zu Herrn Christian Ritter, dem Betreiber der empfehlenswerten Seite, pflege ich einen herzlichen Kontakt. - Herzlichst, Holger

Falderwald 15.08.2016 21:05

Hallo Holger,

zunächst einmal vertrete ich die Meinung, dass sich heutzutage eine Menge - auch ganz individuell verfasste Texte - "Sonett" nennen dürfen, die nicht alle Vorgaben des klassischen Sonetts erfüllen.

Ich empfehle hierfür die Lektüre "Deutsche Sonette" aus dem Reclam-Verlag, Nr. 9934, herausgegeben von Hartmut Kircher, zu lesen, vor allem dessen Nachwort, nach welchen Kriterien er die entsprechenden, z. T. auch völlig von der Norm abweichenden, Texte ausgesucht hat.

Leider ist dieses Buch nur noch gebraucht zu bekommen.

Im Text selbst werden Fragen gestellt, die sich u. a. auf die Blumen der Hoffnung beziehen.

Im ersten Quartett wird gefragt, wo sich die Wiesen mit den entsprechenden Blumen befindet.

Im zweiten Quartett erfolgt eine Beschreibung ihrer Eigenschaften und Auswirkungen.

Im ersten Terzett stellt sich die Frage, ob den Protagonisten die o.a. Wiesen, hier Auen, trotz der schroffen Realität auf Dauer zugänglich sein werden. Denn das Leben hat eben vermehrt auch seine dunklen Seiten. Und der Mensch ist nur ein Mensch, der auch Fehler macht und dann und wann versagt.

Das zweite Terzett stellt sich dann zunächst die Frage, wer es denn jemals geschafft hätte, sich ständig auf diesen Weiden aufhalten zu können (s.o. erstes Terzett).
Dann aber zieht es auch das Fazit, dass diese Blumen den Protagonisten trotzdem immer zur Verfügung stehen werden (Man muss nur nach ihnen suchen).

Und da mit diesen ja die Hoffnung gemeint ist, ist das auch stringent.

Fazit: Die Hoffnung stirbt nie.

Von daher würde ich den Text durchaus als Sonett bezeichnen. Es ist kein "Klassisches Sonett", so wie es die Aufgabe der Sommervögel forderte, aber es gehört definitv zu den "sonettartigen" Texten, was Inhalt und Darstellung betrifft.

Auch die metrischen Unebenheiten kann man durchaus beim Vortrag kompensieren und entsprechend betonen. Nach zweimaligem Lesen ist mir das prima gelungen.

Das einzige, was mich wirklich teilweise stört, ist der "sprachliche" Ausdruck.

Die Inversion im ersten Quartett wurde ja schon angesprochen, die ist wirklich nicht sehr ansprechend.

Der Rest ist Geschmackssache, ich hätte einige Stellen anders formuliert. Aber das ist ja nun mal nicht mein Text und im Großen und Ganzen sind alle Metaphern zu entschlüsseln. :)


In diesem Sinne gern gelesen und kommentiert...:)

Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald




Romantiker2016 16.08.2016 13:05

Hallo Falderwald.
Seit über hundert Jahren wird in der Dichtung häufig (früher weniger häufig) vom normativ-konservative Stil des Sonetts abgewichen. - Hier haben wir ein Beispiel aus dem Februar 1922, als Rainer Maria Rilke seine weltberühmten Sonette an Orpheus verfasst hat:

Atmen, du unsichtbares Gedicht!
Immerfort um das eigne
Sein rein eingetauschter Weltraum. Gegengewicht,
in dem ich mich rhythmisch ereigne.
Einzige Welle, deren
allmähliches Meer ich bin;
sparsamstes du von allen möglichen Meeren, –
Raumgewinn.
Wieviele von diesen Stellen der Räume waren schon
innen in mir. Manche Winde
sind wie mein Sohn.
Erkennst du mich, Luft, du, voll noch einst meiniger Orte?
Du, einmal glatte Rinde,
Rundung und Blatt meiner Worte.

Wenn hier das übliche Metrikkorsett über die Verse des Sonetts gelegt wird, sind die Abweichungen enorm. - Die Entwicklung zur Freiheit der Darstellung in der Dichtkunst hat sich mittlerweile innerhalb der Gegenwartslyrik in der Weise entwickelt, dass jegliche Metrik ausgemerzt wurde. - Das mag man mit Recht bedauern; die Protagonisten der neuen Zeit werden entgegnen, dass ein Regelwerk für die Entfaltung feinster Gedanken zwischen Unbewusstem und Bewussten eher hinderlich sei. - Dennoch bestehen Gesetzmäßigkeiten in der neuen Lyrik; es würde aber zu weit führen, sie an dieser Stelle zu beleuchten.

Es sei mir verziehen, wenn ich hier ein wenig aushole, um meinen persönlichen Gedanken zur Dichtung eine bessere Grundlage zu geben:

Es ist so, dass sich das Werk eines dionysischen Dichters durch Stimmung, Fülle und Reichtum auszeichnet; beim Lesen erfreut man sich an tausend Einzelheiten und wird am Ende dennoch wunderlich enttäuscht; gegen das Ganze wird sich der etwaige Tadel richten. - Der apollinische Dichter hingegen ist kälter und ärmer, jedoch hat er die Form in der Gewalt. - Aus diesem Grunde wird er die Herzen mit seiner Dichtung im ersten Augenblick weniger entzünden, aber der Eindruck wird leben und dauern. Die Form ist das Organische und wird aus dem Unbewussten heraus geschaffen, jedoch kann sie nicht (wie beim dionysischen Dichter) die feinste Bildung und Fülle des Geistes wiedergeben; der Körper muss nämlich aus dem Körper geboren werden. - In der Symbolik der griechischen Mythologie bedeutete Apollo die Einheit und Dionysos die Vielheit.
Meiner Dichtung liegt der Versuch zugrunde, durchglüht zu sein, sowohl von dionysischen als auch von apollinischen Klängen und Formen.
Und so gleicht alle geistige Berührung einem Zauberstab; das Gedicht stellt dabei das Zauberwerkzeug dar.
Mehr zu diesem Themenkomplex kannst Du, wenn Du magst, lieber Falderwald, einem Interview entnehmen, das ich im Feuilleton des Forums eingestellt habe.

Nun aber endlich ein paar Worte zu Deiner Einlassung zum Sonett:

Das Werk hat mehrere verschiedene, in sich greifende, Deutungsebenen; Deine Gedanken sind weitgehend zutreffend.

Ich möchte nun in aller Kürze auf die Aussagen der Verse eingehen; aus Gründen der Anschaulichkeit habe ich das Sonett hier noch einmal eingefügt:


Die ewigen Blumen

Auf welchen himmelwärts strebenden Wiesen
wachsen in heißer Blüte Blumen der Hoffnung,
entrückt, verborgen an Hängen, die diesen
dunklen Räumen schenken uns ferne Erbauung ?

Blumen, niemals welkend, die keiner dir nimmt -
mögen Zeitenstürme auch toben und wallen -
dir sind glorreiche Blüten von Engeln bestimmt,
deren Lieder dir stets im Innersten hallen.

Ach, sind denn, jenseits von glühenden Sternen,
fernab von unsrem Versagen und Lernen,
die ewigen Auen uns fruchtbar und weit ?

Wer vermochte, ohne ein blindes Sehen,
rein und fest in diesen Reichen zu stehen ?
Doch jene Blumen sind immer für uns bereit.


Das erste Quartett stellt die Frage nach dem Ort und beschreibt gleichzeitig eine unbestimmte Ahnung von fernen Gestaden, der Quelle des Daseins übehaupt. - Wir existieren als Menschen getrennt von dieser Entität und doch ist einem Jeden eine Gewissheit eingepflanzt, die man nicht verifizieren kann. - Einigen Menschen wird das, in einem zustand der Gleichzeitigkeit von Traum und Bewusstsein (siehe hierzu "Der fünfte Spaziergang" von Rousseau), beispielsweise beim Betrachten des Sternenhimmels oder einer tiefen Verbindung zur Natur, deutlich gewahr. - Gerade die besonder Formulierung "uns ferne" im vierten Vers stellt zu dieser besonderen Wahrnehmungsfähigkeit des Menschen einen Bezug her.

Das zweite Quartett betont die Konvergenzen die zwischen der Ewigkeit und unserem Dasein bestehen und beschreibt zugleich diese Entitäten als ein immanentes System, das (bewusst oder unbewusst) geahnt wird.

Das erste und zweite Quartett bilden die These.

Die Synthese erfolgt jeweils im ersten und zweiten Terzett:

Erstes Terzett:

Die ewige Frage der Menschheit (was hält die Welt im Innersten zusammen) klingt an. Einsicht und Hoffnung reichen sich die Hand; die bange Frage bleibt.

Zweites Terzett:

Wir sind quasi blind in unserem Dasein, weil wir im Allgemeinen nur einen winzigen Ausschnitt der Realität wahrnehmen; das ist wisswenschaftlich unbestritten. Es gibt also Dinge, Zustände und Wahrheiten, die weit über uns hinausreichen. - "Rein und fest in diesen Reichen (der absoluten Wahrheit) zu stehen" vermögen vielleicht spirituell höchstentwickelte Menschen.
Die Versöhnung mit der Hoffnung, welche in einem direkten Bezug zur besagten Formulierung "uns ferne" steht, formuliert die Aussage, dass die Blumen der Ewigkeit immer für uns da sind, in nächster Nähe und dennoch fern: tief in uns verwurzelt.


Sei herzlich gegrüßt, Holger

Terrapin 17.08.2016 19:10

Hallo Romantiker und alle anderen!

Dieses wilde Treiben hier habe ich gemütlich beobachtet und begleitet.
Es freut mich ja, dass Du mit deinem Sonett und den anderen Gedichten hier so einen Wirbel entfachen konntest.
Der Tatsache geschuldet, dass dein Gedicht nicht alle metrischen Anforderungen eines klassischen Sonettes erfüllt und vielleicht auch nicht erfüllen soll, würde mich, Falderwald gleich, auch nicht dazu bringen, es nicht als Sonett zu betrachten. Da sind einige Beispiele Rilkes weitaus verheerender und schauderhaft. Wo er mir oft nur als lausiger und geringer Dichter erscheint und entgegentritt. Allein schon die Vielzahl katastrophaler Enjambemants die er rhythmusbrechend überall hinkleckert. Zudem wiegen die Strophenelemente von von These- Antithese und Synthese; wie auch der sonstige Strophenaufbau ohne den ganzen Thesenkram weit schwerer als ein Rhythmus, der nicht dem Jambus entspricht.

Was mir aber missfällt, ist das die "Technik" auf reines, stumpfes Silbenzählen in welchen Versfüßen auch immer kastrierend abgeschnitten und reduziert wird.
Dabei ist das Betonungsmuster nur ein rhythmischer Reigen in dem die Gedanken zu Versen fließen und jeden Dichter ohne große Mühe und ohne bewusstes Überlegen von der Hand gehen sollte. Das rhythmische Verständnis und Gefühl muss so verinnerlicht sein, dass das Metrum keine Beschränkung mehr darstellt, sondern eine Befreiung und Erhöhung.
Und mir will auch diese Schubladentrennung von dionysisch und apollischen Schreiberlingen nicht passen. Es verschmelzen die beiden stets ineinander. Die einen frei von "Technik" und die anderen darin gekerkert und die anbetend.
Ein sicherer Dichter, auch wenn er in freien Versen dichtet, hat mehr als genug andere technische Raffinessen und rhetorische Stilmittel neben dem Metrum, mit denen er sich auskennen sollte und umgehen möchte, auf dem Kerbholz. Allein schon die Gewichtung der einzelnen Wortarten in ihren jeweiligen Positionen im Satzgebilde zu kennen ist unumgänglich und grundsätzliche Substanz. Denn auch ist und bleibt ein gesunder Rhythmus ertönend in bestechender Melodie das potenteste Wesen der Lyrik überhaupt. Um einen gediegenen Takt zu halten würde ich ohne Zaudern ein treffenderes aber holperndes Wort gegen ein schwächeres tauschen.
Diese "Techniken" abschätzig unbeachtet zu lassen gleich einem Maler, der nichts von der Farblehre wissen will.

Vorerst fertig mit dem Kommentar.

Liebe Grüße, Terrapin.

Kokochanel 17.08.2016 23:32

Guten Abend zusammen,

ich finde die Diskussion hier so langsam ärgerlich bis verwirrend.
Man einigte sich darauf irgendwie, dass es irgendwie nicht ein Sonett ist und doch möchte man es so nennen, weil es so nett ähnlich ist?
Warum?
Um einem Dichtenden, der mit namhaften ( oder auch nicht namhaften) Referenzen daherkommt und als Rechtfertigung die Sonette an Orpheus wählt, die zur damaligen Zeit bereits von Dichtern angegriffen wurden und als Lapsus Rilkes angesehen? Das ist mir zu banal.

Dieses Gedicht von Romantiker hat außer den 2 Quartetten und 2 Terzetten nichts mit einem Sonett gemein.
Die Thesenstruktur kann ich beim besten Willen nicht erkennen, die Metrik stimmt nicht und es wurden einige Fehler in Satzstruktur und Bildhaftigkeit nachgewiesen.
Ich frage mich, warum um alles in der Welt sollen wir uns nun ( und so wirkt es auf mich) unbedingt dahin entwickeln, dass wir dieses Werk so als Sonett akzeptieren?

Sicherlich hat sich die Dichtung heutzutage verändert und sicherlich gibt es viele Varianten, künstlerisch mit dem Wort umzugehen. Sicher ist auch, dass Verlage das verlegen, was sich verkaufen lässt und dieser Stil lässt sich vielleicht verkaufen. Keine Ahnung. Ich würde es nicht kaufen.

Ich muss hier nicht insistieren, im Grunde kann es mir egal sein, ob es ein Sonett ist oder nicht.
Nur, wenn sich das Forum um Glaubwürdigkeit bemühen möchte, auch und ins Besondere in Bezug auf Kritik an anderer Autoren Werken, die vielleicht ähnliche Fehler aufweisen, dann sollten wir uns hier für eine Linie der Textkritik entscheiden.Wollen wir es eng sehen oder wollen wir nicht.

Wir können alles schreiben und wir können es so nennen wie wir wollen: Wir können eine falsche sapphische Ode schreiben und können sie sapphische Ode nennen. Wir können sie auch Tischdecke nennen. Nur entscheiden müssen wir uns.
Wollen wir die klassische Dichtung erhalten, vielleicht sogar neu beleben, anerkennen oder wollen wir uns irgendwas zusammenstricken und uns darin bestätigen wie toll wir doch alle sind?

Toleranz in der Hinsicht verwässert, verwischt und löscht letztendlich aus.

Wir können Elegien schreiben ohne Zäsur und im Jambus und sie Elegien nennen, wir können Limericks schreiben ohne Metrik und ohne Witz und sie dennoch Limerick nennen. Wir können alles machen. Aber wir machen damit die Klassik kaputt.

Ich möchte die Klassik so sehen: Als Vermächtnis, als Verpflichtung.

Wer das nicht will, kann das gerne tun. Aber ich sehe nach wie vor in Dichtenden, die es so handhaben, zuerst das Unvermögen und erst dann die Möglichkeit der „dichterischen freien Abwandlung“. Ein solches Gedicht als Sonett zu bezeichnen, ist für mich, sich mit falschen Federn schmücken.

Um den Kreis zu schließen, den ich mit diesem Kommi begann: es ist für mich ärgerlich und nimmt mir die Freude daran, mich hier noch textkritisch mit Werken auseinanderzusetzen.
Denn letztendlich kann man jegliches schreiberische Unvermögen mit dem Mäntelchen der „dichterischen Freiheit“ bekränzen.

Grüße von Koko

Romantiker2016 18.08.2016 03:01

Hallo Koko,

eigentlich hatte ich mir überlegt, zu vermeiden, dass sich hier weiterhin die Wogen auftürmen, höher und höher, in einem zum Teil unversöhnlichen Schwall, jedoch veranlasst mich Deine Einlassung, nochmals Stellung zu nehmen. Vorausschicken möchte ich, dass ein jeder hier naturgemäß das Recht hat seine Meinung zu äußern. - Im idealen Fall ist solch eine Stellungnahme geprägt von Toleranz; Arroganz sollte eher mit Abwesenheit glänzen. - Ich persönlich sehe Deine Zeilen in diesem Zusammenhang nicht als ein ideales Beispiel.
Deine Fixierung auf´s Klassische, damit verbunden, es als allgemeingültig in diesem Gedichteforum darzustellen, wenn ich es recht verstehe, empfinde ich schon als kühn. - Hey, es ist ein Gedichteforum; demnach kann in diesem freien Raum beispielsweise auch Gegenwartsdichtung mit einfließen, ohne jegliche klassische Formen; das wäre doch vollkommen okay, nicht wahr ? - Sicherlich habe ich Dich missverstanden und Du räumst "anderer" Dichtung genau so einen hohen Stellenwert ein wie der klassischen.

Du findest als angemessen, mein Gedicht auch inhaltlich beurteilen zu können/wollen, obwohl Du in einem anderen Beitrag bewiesen hast, dass Du den Sinngehalt des Sonetts gar nicht verstanden hast ? - Deine Argumente (Zitat: "es wurden einige Fehler in Satzstruktur und Bildhaftigkeit nachgewiesen.") sind armselig, weil sie auf subjektive Unterstellungen aufbauen. - Solltest Du dennoch der Meinung sein, dass es Dir möglich ist, die Bedeutungstiefe anspruchvoller Gedichten zu durchdringen, empfehle ich Dir, Dich inhaltlich mit meinem im Forum eingestellten Gedicht "Der steinerne Engel" zu befassen; darin ist eine ganze Philosophie enthalten, die man umfangreich ausführen könnte.
Zudem empfehle ich Dir, bei der Betrachtung von Gedichten die Technik einmal beiseite zu lassen und das Werk aus dem Blickwinkel der Kunst (Rhythmus, Wirkung und Tiefe) zu betrachten. - Ich schreibe das deshalb, weil ich persönlich Gedichte, die ich bisher von Dir gelesen habe, als kalt, also ohne lyrisches Feuer und schon gar nicht mit einem Zauber umwoben - also als kunstfern - empfunden habe. - Andere mögen das anders sehen, und es mag auch gegenteilige Werke von Dir geben.

Um den Anflug von fragwürdigen Darstellungen (Zitat: "Um einem Dichtenden, der mit namhaften ( oder auch nicht namhaften) Referenzen daherkommt") deinerseits entgegenzuwirken, sehe ich mich veranlasst, hier Klarheit zu erbringen und hierzu einige Quellen und Referenzen bezüglich meiner Person einzufügen:

Zunächst Quellenangaben/Links als Beispiele für deutsche Universitäten ( Leipnitz Universität Hannover, Goethe Universität Frankfurt), in deren Bibliothek meine Bücher genutzt werden:

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"Links entfernt"

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Als ein Beispiel für namhafte Literaten, Professoren usw. möchte ich hier das Vorwort zu einem meiner Bücher, von Herrn Prof. Peter Demetz (einer der wichtigsten Literaturhistoriker heutiger Zeit, er hat jahrzentelang in Yale unterrichtet und ist Inhaber der Sterling Professur; näheres Wiki) vorstellen:

Brief von Prof. Dr. Peter Demetz an den Autor

Lieber Herr Jürges,

ich will Ihnen in meinem Briefe danken, dass Sie mir eine Sammlung Ihrer Gedichte hierher übersandt haben. Die Zeit, in welcher man Gedichte liest, ist nie ohne Geschichte, und der Raum nie leer – Moment und Ort entscheiden darüber, wie ich Lyrik lese. Ich lebe hier in einer reinlichen akademischen Vorstadt im Staate New Jersey, und da leben, mit mir und in meiner Nachbarschaft, Koreaner und Ungarn, Chinesen und Mexikaner, orthodoxe Juden und Italiener (um nur einige Gruppen zu nennen). In dieser
Welt ist die Gegenwart eines deutschen Gedichtes von einer Deutlichkeit, die der Lyriker, der sie schrieb, in seiner fernen Heimatstadt nie voraussehen konnte, und seine Texte, schwarz vom weißen Papier abgehoben, erzwingen, auf ihre Art, eine Konzentration meiner Aufmerksamkeit , von der sich ihr Autor, in seiner deutschen Lebenswelt, wohl keine Vorstellung zu machen vermochte.

Es wäre allzu einfach, Sie als Freund der Tradition zu bezeichnen, aber Sie erschweren mir die Frage nicht, welche Lyriker der Vergangenheit für Sie bedeutsam sind, denn einzelne Gedichte nennen Namen, George („in alten Schriften steht zu lesen”), Morgenstern ( das verwirrte Reh im Kernkraftwerk), und Eichendorff („so träum ich mich ins Weite”). Ich glaube gar, Eichendorff steht Ihnen näher als andere , denn Sie reden ihn unmittelbar an, und wenn mir einer fehlt, dann ist es der langvergessene
Alfred Mombert, mit dem Sie (Sie verzeihen das große Wort) die kosmische Weite der Perspektive gemeinsam haben, denn Sie vergessen nie, dass sich der Einzelne zugleich in seiner Einsamkeit und in einem Dasein befindet, dem sich die Himmel öffnen und das Irdische die Sterne reflektiert.

Das Romantische, das war Zwiespalt, und deshalb haben so viele ihrer Gedichte einen romantischen Klang, aber nicht im billigen Sinne, sondern im ursprünglichen Verstande der Polarität und des Gegeneinander. Eine Harmonie der Widersprüchlichkeit; das Gedicht „Dasein” stellt die wesentliche Frage und antwortet zugleich mit einem „Vielleicht”, der Einzelne, in seinem Dasein, tastet nach dem „wahren Dasein”, das sich ihm entzieht – es sei denn ein „Gesang”, der sich herniederlässt, „streifend wie ein milder Hauch”; ob in den Städten, wo wir Einzelnen „in schweren Zimmern” leben und die Traurigkeit wie unter einem Tuch „herausschaut“, oder in der grünen Offenheit, in der wir in „seidener Stille” hören wollen, welcher Wille uns in das einzelne Leben gestellt hat, in diese Zerstreuung, in der allein der Wind die einstigen Orte berührt hat, in denen wir lebten.

Ich bin geradezu versucht, Ihnen auf den Kopf zuzusagen, dass Sie kein Kind der Großstadt sind, und wenn Sie von den „Wäldern meiner Kindheit” reden, ist das keine nützliche Fiktion. In Ihren Gedichten findet der Einzelne selten Ruhe; Sie sagen zwar, das Leben „im Hiesigen” bestünde aus „ruhen, lieben, handeln”, aber aller Nachdruck liegt auf dem Lieben und Handeln, die sich mit einer unverlierbaren menschlichen Unruhe verbünden, die ihren festen Ort sucht. Auffallend, wie in vielen Ihrer Gedichte Bäume und alles in der reinen Natur Gewachsene Ruhe, Standhaftigkeit und eine Festigkeit ausstrahlen, die (ich wage fast zu sagen) einen Stoizismus , der dem umhergetriebenen Menschlichen fehlt – ob es nur ein „alter Baum” ist, der Hoffnung ausstrahlt, ein Baum, der „Sturm und Kälte überdauert“, oder „Der Eichenbaum”, der „Ewigkeit im Rindensaum” birgt. Aus vielen Gründen zähle ich Ihr Gedicht „Roter Waldholunder” zu den bedeutsamsten, die Sie geschrieben haben, denn in ihm verbinden sich viele Motive, Gedanken und Bilder, die Sie sonst in andere Gedichte verstreut haben, die „wilde Schönheit”, verschwistert mit Sonne und Wind, sich „selbst genug”, und dennoch, gerade im Selbstgenügen, das dem rastlosen Menschen fehlt, in eine höhere Ordnung gerückt, in die „Güte” der Schöpfung.

Ich glaube, lieber Herr Juerges, sie lassen sich als Lyriker, durch vergangene Diskussionen darüber, ob man schreiben soll oder was Gedichte sein sollten oder nicht, wenig anfechten, und setzen darauf, die lange Historie des Gedichtes auf Ihre Art wagemutig fortzusetzen. Der Literaturhistoriker (ich bin einer) wird natürlich einwenden, dass Arno Holz, der störrische, schon in der Tiefe des 19. Jahrhundert erklärte, die Lyrik, wie wir sie kennen, hätte als Kunst der Großväter längst bankrott gemacht; und er schiebt die Schuld an diesem Bankrott dem gereimten Wort zu, das auf die althergebrachte Weise fortlebt, obwohl, wie er sagt, 75% Prozent aller deutschen Worte nicht gereimt werden können. Deshalb reduziert sich der Horizont der Lyrik im Vergleich zur umfassenden Wirklichkeit, auf bloße 25% (gar nicht zu reden, von der alten Leier der Reime), und er empfiehlt, als Allheilmittel, den „Rhythmus”, in welchem die Realität „um Ausdruck ringt”, einschließlich der blühenden Apfelbäume, die auch er bewunderte.

Der Literaturhistoriker wird aber auch daran erinnern, dass einer der Kapitäne der Moderne nicht gewillt war, den Klang des Gedichtes zu ignorieren. Ich meine Ezra Pound (nicht den abwegigen Ideologen, sondern den Dichtungstheoretiker), der in seinem Aufsatz „How to read“ (Wie soll man lesen, 1931), darauf bestand, Gedichte seien Kombinationen aus Sinnhaftigkeit, optischen Elementen und ihrem Klange, oder ihrer „Melopoeia”, den musikalischen Qualitäten.

Ich schreibe das alles, um mir selbst Klarheit über Ihre Gedichte zu schaffen, Verse in der Tradition von der Romantik bis auf Rilke, und was Sie bestimmt, sich in dieser Tradition zu bewegen. Ihre Gedichte sind Augenblicke der Meditation, des Nachdenkens über den einzelnen Menschen im Zusammenhange der Natur, und nicht nur der grünen; und diese Gedichte wollen, gerade in ihrer Sprachstruktur, nicht verleugnen, dass es Gedichte sind, also etwas Besonderes und Magnetisches, das die Aufmerksamkeit, um nicht zu sagen, die Bereitschaft zur Einfühlung, auf sich ziehen will – das Besondere ist eben die Weite der Perspektive und das Begrenzte der Sprachgestalt, nur drei oder vier Takte in jeder Zeile, die im Wenigen das Viele bereithält. Jede Leserschaft steht ja heute in einem Sprachregen, nicht nur der alten Medien, sondern auch der neuen elektronischen, mit denen man, im wahrsten Sinne des Wortes, hantiert. Das Gedicht, das in Ihrem Sinne darauf besteht, ein Gedicht zu sein, eröffnet die Chance innezuhalten und an unerwarteten Bewusstseinsbewegungen teilzunehmen. Man tritt ein, liest und hört zu, freiwillig und bald beglückt, und, wie im Fluge, in und außerhalb der Welt zugleich.

Mit den freundlichsten Grüßen,

Ihr Peter Demetz

Anfang Januar 2012

+++++++++++++++++++++++++++++++++++

Noch ein Beispiel, diesmal für einige Artikel, die über mich geschrieben worden sind. - Die Kritik wurde von dem Kunstdozenten Martin Jasper auf der Kulturseite der Braunschweiger Zeitung veröffentlicht:


Eine Überdosis Seele „Immer ein leises Gehen“ – Gedichte des Jerxheimer Autors Holger Jürges, der im Hauptberuf Kriminal-Kommissar ist

– Martin Jasper, Braunschweiger Zeitung –

Ja ja, das Bändchen liegt schon eine ganze Weile auf dem Schreibtisch. Zugesandt von einem Dichter aus Jerxheim bei Helmstedt in der vagen Hoffnung auf Beachtung.
Man glaubt ja kaum, dass es solche Gedichte noch gibt! Das ist keine Lyrik, das ist Poesie! Dass es noch Leute gibt, die dem sanften Hauch, dem zarten Duft, dem Bächlein, dem Schimmer goldner Sterne, der lieblich blauen Blume und so weiter ihre Verse widmen, um nicht zu sagen: weihen. Und diese Verse stammen auch noch von einem Mann, der von Beruf Kriminalbeamter ist!
Holger Jürges heißt er, und es war nicht nur Arbeits-Überlastung, die sein Büchlein bisher unbeachtet liegen ließ. Es war auch eine Scheu vor dem billigen Verriss, der da ein arg spätes, weihevoll-romantisches Epigonentum erblickt, eine allzu zutrauliche, religiös aufgeladene Naturschwärmerei, eine Überdosis Seele, eine ganz und gar ungebrochene Eichendorfferei, die sich konsequent dem entzieht, was wir seit mehr als 100 Jahren die Moderne nennen. Die also nicht zeitgemäß ist.
Das ist offensichtlich, also einfach.
Schwieriger ist es, mal leise und ehrlich in sich selbst hineinzufragen, ob wir nicht trotz aller modernen Entzauberung diese tiefe Sehnsucht immer noch in uns haben (und sie nur eben nicht mehr rauslassen).
Die Sehnsucht nämlich nach einer heilen und heilenden Natur, nach dem Erfühlen der Weltharmonie im Himmel und im Blumenblatt. Und die Frage nach dem, der dies alles unendlich sanft in seinen Händen hält (um Rilke die gebührende Reverenz zu erweisen).
Jürges Gedichte – eine Mischung aus Natur- und Gedankenpoesie – sprechen rhythmussicher und solide gereimt dieses sich verströmende Weltgefühl aus. Ihm gelingen zuweilen Formulierungen von sinnlich-melodischer Schönheit, etwa im „Herbst“: „Müd steigt der Morgen aus dem Feld/ und legt gedämpfte Sonne übers Land...“ Oder in der Phänomenologie des Windes, „der wehend lau, sich selbst in Fernen trägt.“
Und, bei aller herbeigesehnten Gottgeborgenheit in der Natur, erahnen die besseren Gedichte Jürges’ eben auch die schmerzliche Geschiedenheit davon, die Einsamkeit in der Schöpfung. Etwa in dem Lied an die Nacht: „Bin ich auch winzig klein/ in dir, die alles übersteigt,/so wag ich doch zu sein,/ als Seele, die sich zu dir neigt.“ Oder im Nachsinnen eines Adlerflugs: „Der Adler gleitet weiter,/bis deine Augen ihn verliern;/ die Täler scheinen breiter, –/in deiner Seele ist ein Friern.“ Das immerhin ist eine zeitlose lyrisches Grundbefindlichkeit.

Holger Jürges, „Immer ein leises Gehen“, Edition Das andere Buch, 11,90 Euro.

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Um das Gesamtbild abzurunden, auch wenn´s iroinisch klingt, was es nicht sein soll: Gerne würde ich etwas zu Deinen Referenzen erfahren (Du hattest ja seinerzeit die meinigen verlangt); ich freue mich darauf.

Übrigens Koko und das hatte ich wohl schon erwähnt, wurde in keinem meiner Gespäche und Briefe mit den literarischen Persönlichkeiten das Thema Metrik erwähnt. - Es ging stets um die künstlerische Güte und nicht um technische Details. Ich bin fast versucht, anzunehmen, dass Dir hier der Gedanke kommt, dass all die besagten Persönlichkeiten die falsche Herangehensweise haben (der Geisterfahrer wundert sich, warum denn alle, die ihm entgegenkommen, falsch fahren^^). - Naja, es kommt eben immer darauf an, wie man die Schwerpunkte setzt.
Aus bestimmten Gründen rate ich davon ab, sich zu einem Metrikjünger zu entwickeln, es besteht nicht nur die Gefahr, dass der Blick für das jeweilge Gedicht als Gesamtwerk verwässert wird, sondern es erschafft dem Jünger auch immer einen Meister; das macht im Allgemeinen unfrei, auch in der eigenen Meinung.

Herzliche Grüße,
Holger

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Zitat:

Zitat von Romantiker2016 (Beitrag 96263)
Atmen, du unsichtbares Gedicht!
Immerfort um das eigne
Sein rein eingetauschter Weltraum. Gegengewicht,
in dem ich mich rhythmisch ereigne.
Einzige Welle, deren
allmähliches Meer ich bin;
sparsamstes du von allen möglichen Meeren, –
Raumgewinn.
Wieviele von diesen Stellen der Räume waren schon
innen in mir. Manche Winde
sind wie mein Sohn.
Erkennst du mich, Luft, du, voll noch einst meiniger Orte?
Du, einmal glatte Rinde,
Rundung und Blatt meiner Worte.

Rilke... Schon groß.
Ich hör besser doch mit Dichten auf... :(

Liebe Grüße :)
Wodziwob

PS: In einem anderen Poesieforum habe ich vor Jahren schon mal einen lebhaften Disput über die unergründlichen Geheimnisse eines Sonetts gelesen- und so nett das auch zu lesen gewesen sein mag, es will dieselben offenbar nicht preisgeben.

Falderwald 18.08.2016 20:23

Guten Abend zusammen,

mich dünkt die Diskussion hier auch langsam seltsam.

Auf allen Seiten wird hier aneinander vorbei geredet.

Inwiefern sollen hier irgendwelche Referenzen, Briefwechsel oder Interviews mit wem auch immer, dazu beitragen, wie dieser spezielle Text zu betrachten oder zu verstehen ist?

Das hat alles nichts mit diesem speziellen Text zu tun.

Ebenso ist es wenig hilfreich, einen imaginären "Freund" zu benennen und die Anwesenheit in diesem Forum als Experiment zu bezeichnen.

Wir sind doch hier keine Laborratten.

Und inwiefern hilft es bei der Diskussion weiter, die Regeln des Klassischen Sonetts rauf und runter zu beten, um die Frage zu klären, ob es sich hierbei um ein solches handelt?

Natürlich tut es das nicht. Das hat ja auch niemand behauptet.

Des weiteren frage ich mich, wieso der arme Rilke jetzt dafür herhalten soll, was er so alles verzapft und Sonett genannt hat?

Diese Texte stehen jetzt trotzdem da als Sonette, ob sie gefallen oder nicht.

Jeder Dichter kann sich nur eine eigene Messlatte legen und sich daran halten oder eben nicht, wenn er das für richtig hält.

Deshalb ist die Kunst verschieden, deshalb sind unsere Texte alle individuell und einzigartig.

Es ist müßig, darüber zu diskutieren, ob es sich bei vorliegendem Text um ein Sonett handelt oder nicht.

Der Autor kann es benennen wie er will, der Leser, Kommentator, Kritiker muss das jeweils für sich selbst entscheiden.

Deswegen wird es auch niemals in irgendeinem Diskussionsforum eine gemeinsame Linie für Textkritik geben.

Und das ist auch gut so, denn sonst bräuchten wir nämlich gar nicht mehr zu diskutieren, wir wären alle einer Meinung und würden dann nur noch alles zerpflücken und überprüfen, ob es auch nur ja den theoretischen Dogmen entspricht.

Das will ich nicht, dafür ist dieses Forum nicht gedacht.
Das Forum ist dafür gedacht, dass jeder, der möchte und sich registriert hat, seine Texte hier veröffentlichen und zur Diskussion stellen kann.
Es kann auch jeder seine Meinung zu den jeweiligen Veröffentlichungen auf angemessene Weise kundtun, dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden.

Nichts weiter habe auch ich hier gemacht, weil ich mich nämlich nicht irgendwie darauf geeinigt habe, dass der vorliegende Text eigentlich kein Sonett sei.

Das wurde bereits 28 Beiträge lang vor mir diskutiert, da war ich gar nicht involviert und dass ich eine andere Meinung darüber habe, sollte mir doch wohl zugestanden werden, zumal meine absolut nicht ausschlaggebende persönliche Meinung ja nun keinen Weltuntergang für die klassische Dichtung bedeutet, bin ich doch bei meinen Texten sehr bemüht, meine eigenen kleinen Dogmen einzuhalten.

Das Eiland erhebt auch nicht den Anspruch, ein Eliteforum zu sein. Dann könnten wir den Laden nämlich dicht machen, denn wir würden vielen Menschen den Spaß und die Freude an der Dichtung nehmen.

Ich frage mich auch, was die Klassische Dichtung mit anderen Formen zu tun haben soll?
Wer sie erhalten möchte, der möge das tun, ich tendiere auch in diese Richtung.
Ich kann auch nicht erkennen, wieso Toleranz in dieser Hinsicht verwässern, verwischen oder alles auslöschen sollte?

Diese Tendenzen kann ich beim besten Willen nicht erkennen, doch der Zeitgeist wird nicht Halt machen, weil nichts statisch und somit alles ewigen Veränderungen unterworfen ist.

Die Frage ist doch, was bleiben wird.

Der hier vorliegende und diskutierte Text wird das ganz bestimmt nicht, nicht mal als Ausnahme.

Und wenn ich ihn als Sonett bezeichnet habe, dann ist darin noch lange keine Wertung enthalten gewesen, denn für ein besonders gutes Sonett halte ich das meiner Meinung nach nicht, was zum einen mit der von mir schon angesprochenen fehlenden sprachlichen Eleganz zusammenhängt und zum anderen durch die nur scheinbare Tiefe des Themas, der durch das oberflächliche und relativ einfache Fazit der Boden entzogen wird, noch verstärkt wird.
Hier wird auch nichts Neues transportiert und letztendlich bleibt nur als Fazit: "Die Hoffnung stirbt nie".
Aus der Idee hätte viel mehr entwickelt werden können, wenn nicht letztendlich nur die altbekannten Allegemeinplätze bedient worden wären.
Somit bleibt auch die "Blumen-Metapher" ziemlich wirkungslos.

Dieser Text bleibt also meines Erachtens sowohl dionysisch wie auch apollinisch weit hinter den lyrischen Möglichkeiten, weil eine Stimmung nicht so recht aufkommen will.



Und ganz zum Schluss:

Ich habe hier niemanden kritisiert, der eine andere Meinung zum Thema hat, sondern lediglich meine persönliche Meinung zum Text dargelegt und zu begründen versucht, warum es sich meinem Dafürhalten nach im weitesten Sinne durchaus um ein Sonett handelt.
Dieses Recht steht mir genau so zu, wie allen anderen Diskutanten, zumal ich niemanden persönlich angegriffen habe, sondern lediglich eine andere Betrachtungsweise darlegte.

Das kann man akzeptieren oder auch nicht. Aber so ist es nun mal. ;):)


Liebe Grüße

Falderwald



Kokochanel 19.08.2016 11:38

Guten Morgen Falder,

es ist eine Grundsatzdiskussion, die sich eigentlich hier vom Gedicht abspalten müsste, denn was du sagst stimmt einerseits:“ Alles, was wir hier äußern, sind persönliche Meinungen“. Vielleicht sollte man diese nachfolgende Diskussion vom Werk Romantikers abspalten.

Andererseits geht es mir eben um eine Grundeinstellung.
Ich will einmal versuchen, es an einem banalen Beispiel zu erläutern:
Wenn ich einen Tisch „Tisch“ nenne und gebe ihm bestimmte Prädikate, die ihn zum Tisch machen, dann ist es sinnvoll, diese Prädikate auch nachzusuchen, wenn ich einen Tisch kaufen will. Wenn jetzt jemand einen Tisch ohne Beine „Tisch“ nennt, ist er dann ein Tisch in der herkömmlichen Definition oder ist er es nicht?
Sicherlich kann ich den Begriff Tisch modifizieren und ab dann etwas „Tisch“ nennen, was keine Beine hat. Dann stifte ich zumindest Verwirrung, denn es gibt dann verschiedene Prädikate für einen „Tisch“. Der ursprüngliche Begriff wird in seiner Definition verwässert. Vielleicht sogar irgendwann ersetzt, wenn keiner mehr einen Tisch mit Beinen will. Dann ist ein Tisch immer einer ohne Beine. :eek:Also geht der ursprüngliche Tisch komplett verloren.

Ich frage dann, warum man einen beinlosen Tisch unbedingt Tisch nennen muss. Man könnte, wenn man wirklich Neues schaffen will, einen neuen Begriff dafür kreieren.
Vielleicht „Bisch“. GGG
Dann bliebe das Alte erhalten und das Neue hätte eine Chance, wenn ein „Bisch“ angenommen wird.


Schmunzeln von Koko

Wodziwob 20.08.2016 09:08

Hallo Ihr Lieben Alle,

da auf Grund dieses Threads inzwischen eines meiner Gedichte missdeutet wurde, will ich kurz noch was dazu anmerken. Wie schon gesagt: Hab's nur quergelesen vielmehr überflogen. Gegen den Zankapfel sprich die ewigen Jagdgründe habe ich nichts einzuwenden, ist recht schön und sehnsuchtsvoll gedichtet...

und dann erlebe ich ein Déjà Vu. Vor Jahren gab es anderswo mal einen ähnlich langen und zuletzt leidlich erbittert geführten Disput über die metrischen Eigenschaften eines Sonetts, wann von einem solchen gesprochen werden kann und wann nicht, was genau ein solches ausmacht und wer oder was in der Historie der Rezension schon dies und das dazu gesagt, geschrieben und postuliert hat. Und das Ergebnis war identisch mit dem hier: Die Leute waren hoffnungslos zerstritten, das Klima vergiftet und ich als unbedarfter Leser so schlau wie davor, was nun ein Sonett genau sein soll.

Ein Tisch mit vier oder drei Beinen oder nur einem Bein? Einem Geflecht als Beinen? Mit Seitenstreben statt Beinen? ;)

Ich weiß jedenfalls, weshalb ich mich noch nie an einem versucht habe. Vielleicht solltet ihr einfach die jeweiligen Standpunkte mal stehen und gelten lassen und stattdessen eigene Sonette verfassen nach dem jeweiligen Verständnis. Wäre viel kreativer und produktiver. Das hier hat sich doch rettungslos festgefahren. :(

Als neutraler Beobachter :Kuss
Wodziwob

Kokochanel 20.08.2016 11:39

Guten Morgen, Wodziwob,

ich kann deinen Worten etwas abgewinnen. Also, ich bin raus aus der Diskussion.:)
Grüße von Koko


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