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Eine deutsche Weihnacht
Die Glocken klingen laut zum Weihnachtsfeste,
ein Stern blinkt hell wie eine Leuchtreklame. Ein Fettfleck ziert das Abendkleid der Dame, ein Rotweinklecks des Hausherrn weiße Weste. Am Christbaum flackern letzte Kerzenreste. Im Kripplein liegt ein Kind. Wie war sein Name? Es ist längst tot, zu schwach war Jesses Same, und jung zu sterben war vielleicht das Beste. Im Garten kaut der Sohn auf der Zigarre, stiert in die Nacht - die Nacht, in der sie wachten, er und sein Freund, stets griffbereit die Knarre, gemeinsam über Herrenwitze lachten, jetzt liegt er unterm Schnee in Leichenstarre. Und bald geht es erneut hinaus zum Schlachten. |
Liebe Seeräuber-Jenny,
das ist ein grausig gutes Weinachtssonett, bei dessen Lektüre es einen kalt überläuft. In der ersten Strophe sehe ich die Kriegsgewinnler, in der zweiten eine der durch Entbehrungen gezeichnete Familie. Die beiden Terzette befassen sich mit dem Weihnachts-Front-Urlaub? Aufrüttelnd, auch wenn ich falsch interpretiere. Lieben Gruß von cyparis |
Ahoi Leier,
deine Interpretation ist fast richtig. Die reichen Eltern des jungen Mannes feiern Weihnachten, als ob nichts wäre. Das Kind mit der Friedensbotschaft liegt vergessen in der Krippe. Der junge Mann, auf Fronturlaub, muss bald wieder los ins Kriegsgetümmel, und man lässt ihn ziehen, denn er hat ja seine Pflicht fürs Vaterland zu erfüllen. Die Einen sterben jung, die Anderen schwimmen immer oben, wie Fettaugen auf der Brühe. Ich dachte an den 1. Weltkrieg, aber ich glaube, das Gedicht über eine deutsche Weihnacht ist zeitlos, denn auch heute sterben wieder junge Männer in Afghanistan. Lieben Gruß Seeräuber-Jenny |
Liebe Seeräuber-Jenny -
und ich dachte an den 2. Weltkrieg - aber wo sind da schon große Unterschiede. Wenn das Kind in der Krippe gemeint ist - da mach ich mir aber schwere Gedanken! Friedliebenden Gruß von cyparis |
Ahoi Leier,
die Friedensbotschaft des Kindes ist zweitausend Jahre alt. Fand sie Gehör? Nein! Lieben Gruß Seeräuber-Jenny |
Hallo Seeräuber-Jenny,
eine fabelhafte Idee hattest du da! :) Zitat:
An sich finde ich es wie gesagt klasse. :) LG, Abraxas |
Ahoi Abraxas,
danke für deine nützlichen Tipps. Habe noch ein bisschen am Text gebügelt, ich glaube, jetzt sind die letzten Fältchen raus. Lieben Gruß Seeräuber-Jenny |
Hallo,
jup, eigentlich einwandfrei. Zitat:
Einerseits richtig pfiffig, den Leser durch die erstmalige benennung der Nacht, danach beim Lesen von "durchwachten" einen Rückschluss auf "Nacht" -> Nächte machen zu lassen. Andererseits wäre es grammatisch exakter, wenn zuvor statt "Nacht" ohnehin "Nächte" stünde; da man aber nicht in die Nächte stieren kann, hat sich das ohnehin erledigt. Das kann man aber auch einfach unter künstlerischer Freiheit verbuchen und gut. :D Gute Arbeit! LG, Abraxas |
Ahoi Abraxas,
aye, künstlerische Freiheit, aber eben noch nicht vollkommen. Nun, mit dem ersten Terzett bin ich noch nicht ganz zufrieden. Ich grüble, aber bisher ist mir nichts Besseres eingefallen. Über Anregungen würde ich mich freuen. Ich möchte dir recht herzlich danken, dass du mein Sonett mit Rat und Tat begleitest. Lieben Gruß Seeräuber-Jenny |
Hallo Seeräuber-Jenny,
gerne doch. Das erste Terzett? Zitat:
Im Garten kaut der Sohn auf der Zigarre, bedenkt der Nächte Schatten, der durchwachten, mit seinem Freund, stets griffbereit die Knarre, Da hätteste sogar noch ne Metapher drin für möglicherweise erlebte, üble Dinge. :) LG, Abraxas |
Ahoi Abraxas,
Zitat:
Zitat:
Lieben Gruß Seeräuber-Jenny |
Hallo Seeräuber-Jenny,
Zitat:
Deine Idee lässt diese Metapher weg und stellt den (ursprünglich gewollten?) ausschließlichen Bezug zu den "Nächten" her. Beide Verse sind in meinen Augen gut, passend und daher natürlich auch ohne weitere Bedenken einsetzbar. Ich bin allerdings ein Freund von Text, der sich einem nicht beim ersten Blick sofort offenbart und gebe einer guten Metapher in einem Gedicht mehr Priorität, als direkten Aussagen. Das finde ich lyrischer bzw. lyrisch eleganter. Und als Leser kitzelt mich sowas auch mehr, als "Klartext" es tut. Dieses Werk ist aber dein Baby und ich bin hier "nur" Kommentator. Also nimm den Vers, der dir am besten gefällt. Hübsch ist das Baby so oder so! :) LG, Abraxas |
Edit:
Ahoi Abraxas, zwar gefallen mir die "Schatten" der Vergangenheit als Metapher sehr gut, doch sprachlich wäre es nicht korrekt. "Durchwacht" würde sich ja auf die Schatten beziehen, und es gibt keine durchwachten Schatten. Ich versuche mich ja in meinen Gedichten möglichst wenig rätselhaft auszudrücken. Allerdings hast du recht, dass gerade im klassischen Sonett möglichst starke Metaphern verwendet werden sollten. Der "Klartext" wirkte allzu simpel. Nun habe ich eine Lösung gefunden, die weniger erzwungen wirkt und auch auf die Schatten hindeutet. Zitat:
Seeräuber-Jenny |
Hallo Seeräuber-Jenny,
Zitat:
Natürlich gibt es de Facto keine durchwachten Schatten. Hier wären ja auch nicht wortwörtlich Schatten gemeint, sondern das, wofür die Schatten stehen, sonst wär es keine Metapher, sondern einfach nur irgendein Wort. Verstehst du das? Und deshalb wäre es lyrisch definitiv "korrekt" - als Metapher eben. Die Verse, wie sie in deinem letzten Post stehen, empfinde ich übrigens als Rückschritt. Statt sie so zu wählen, würde ich an deiner Stelle eine der beiden vorherigen Ideen bevorzugen, also entweder: Zitat:
Zitat:
"stiert in die Nacht - die Nacht, in der sie wachten," ist zwar auch ganz gut, aber birgt wieder das kleine Betonungsproblemchen bei "stiert in", natürlicher Sprachrhythmus und so - deswegen Rückschritt. LG, Abraxas |
Ahoi Abraxas,
ich werde das Gedicht nun vorläufig lassen wie es ist. "Stiert" mag nicht metrisch sein, doch passt es zu der unheimlichen Szenerie dieser Nacht, die allgegenwärtig ist. Das "Gras" in der letzten Strophe hatte mir auch noch nicht so gut gefallen. Heute fällt draußen Schnee, und so kam ich auf die Idee, "Schnee" draus zu machen. Der passt besser zum Tod und zur Leichenstarre. Nochmals Danke. Lieben Gruß Seeräuber-Jenny |
Hallo Seeräuber-Jenny,
wie du magst, gern geschehn. Eins sei aber noch begradigt, wenn du gestattest: Zitat:
N'guten Rutsch ins Neue! -Abraxas |
Ahoi Abraxas,
von dem Wort "stiert" vermochte ich mich nach wie vor nicht zu trennen. Doch habe ich an dem Gedicht einige Änderungen vorgenommen, vor allem in S2, weil diese missverstanden werden konnte. Und natürlich hast du recht, dass jedes Wort metrisch ist. Über die Betonung lässt sich manchmal streiten, wie schon oft in Diskussionen deutlich wurde, und wenn das Gedicht mündlich vorgetragen wird, hat man darüber hinaus auch noch mal die Möglichkeit, Betonungen zu variieren. Danke für diesen Hinweis. Die sture Ixerei mag ein Hilfsmittel sein, kann jedoch manchmal in die Irre führen, wenn die inhaltliche Aussage darunter leidet. Lieben Gruß Seeräuber-Jenny |
Hallo Seeräuber-Jenny,
Zitat:
LG, Abraxas |
Liebe Jenny, hoi Abraxas,
Zitat:
welches im Übrigen sehr gelungen ist, liebe Jenny:) Beste Grüße Feingeist |
Ahoi Abraxas,
Zitat:
Lieben Gruß Seeräuber-Jenny :) Ahoi Feingeist, danke fürs Lob! Aye, ich habe wirklich lange gegrübelt, ob sich für das in unserem Autorenkreis umstrittene "stiert" ("Unwort") eine Alternative finden ließe. Es ist mir nicht gelungen, denn es gibt nach meiner Intention keinen passenderen Ausdruck. Abraxas fand das Wort an dieser Stelle zwar grenzwertig, ließ es aber auch durchgehen, weil er es für treffend hielt. Lieben Gruß Seeräuber-Jenny |
Hallo Seeräuber-Jenny,
Zitat:
LG, Abraxas |
Ahoi Abraxas,
Zitat:
Bei manchen Reimen ist es schwierig, wie bei diesem Gedicht die Endreime auf -arre, denn hier sind die Möglichkeiten sehr begrenzt. OK, der Autor hat letztendlich noch die Möglichkeit, die entsprechenden Strophen komplett umzuschreiben, indem er andere Endreime sucht. Aber wer macht das schon gern? Herrje, das Bearbeiten eines Gedichtes kann ungleich aufwändiger sein als das Original zu verfassen! Lieben Gruß Seeräuber-Jenny |
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