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Nevis 19.03.2009 05:23

Die Straßenbahnen des Grauens
 
Hab mal Lust, wieder eine Geschichte zu erzählen.

Und wie alle meine Geschichten ist auch diese selbst-erlebt und wahr.



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Wer mit der Straßenbahn fährt, schont die Umwelt.

Und hat in großen Städten keine Parkplatzsorgen.

Und als Fahrgast der Straßenbahn kann man Abenteuer erleben, die ein Autofahrer nicht kennt!

Davon soll nun meine Geschichte handeln.


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Es war so:

Um keine Parkplatz-Sorgen zu haben - und auch keine Promille-Sorgen - nahm ich die Straßenbahn zu einem beliebten Stadtteilfest hier.

Die Bahn war voll bis auf den letzten Platz. In der Sitzreihe vor mir ein Bahnhofspenner der eher übleren Sorte.

Sein Gesicht war richtig zerstört vom Alkohol, und sein Verstand wohl auch.

Er drehte sich zu mir um und redete auf mich ein. Lauter sinnlose Fragen, die er immer mal wiederholte ..... sinnlose Kommentare .... und das unaufhörlich.

Nun habe ich ja nichts gegen Bahnhofspenner.

Einige meiner besten Freunde SIND Bahnhofspenner.


Doch ich wollte ja nun nicht zum Bahnhof, sondern zu einem Volksfest, und pennen wollte ich auch nicht, sondern dachte eher so an eine Bratwurst vom Grill, ein kühles Bier oder einen kühlen Wein.

Ob ich das in Gesellschaft des Bahnhofspenners so richtig würde genießen können?

Ich hatte Zweifel ...

Es galt also, diese Klette höflich abzuschütteln.

Wie hättet ihr das gemacht?

Was habt ihr für Vorschläge?

Ich erzähl euch dann, wie es mir bei meinem Abschüttel-Versuch erging .....

Nevis 19.03.2009 05:24

Zunächst war es mir nicht möglich, einen anderen Platz zu suchen. Die Straßenbahn war ja überfüllt gewesen.

Doch auf einmal merkte ich, dass ich mit dem Bahnhofspenner allein war! Er hatte mich so sehr in Beschlag genommen, dass ich gar nicht gemerkt hatte, wie an einer bestimmten Haltestelle so gut wie alle Fahrgäste ausgestiegen waren.

Selber hatte ich geplant, bis zur Endhaltestelle zu fahren, und von dort aus zu dem Volksfest zu gehen. Offensichtlich aber lag da eine andere Haltestelle näher.

Nun wusste ich, dass die Endhaltestelle außerhalb des bewohnten Gebietes zwischen Büschen und Bäumen lag. Ungern wollte ich dort mit dem Bahnhofspenner alleine aussteigen müssen und durch die Dunkelheit zum Volksfest gehen.

So stieg ich ohne Kommentar und Vorwarnung schnell an der vorletzten Haltestelle aus.

Doch der Penner folgte mir treu ... und packte mich beim Aussteigen noch an der Schulter ....

Nevis 19.03.2009 05:25

Es geht weiter .....

Der Penner stieg also mit mir aus.

Zum Glück gerade an einer belebten Straßen-Kreuzung, wo viele Menschen unterwegs waren.

Ich tauchte in die Menschenmenge ein, um ihn abzuschütteln.

Und dann dachte ich,ich wäre besonders klug, und ging unvermittelt in eine kleine Nebenstraße, damit der Penner meine Spur ganz verlieren sollte.

In Filmen sieht man das doch immer so ...in Krimis und Spionage-Filmen.

Ich gratulierte mir dazu, wie clever ich doch sei ....

Doch das wirkliche Leben ist oft anders!

Ich musste feststellen, dass diese kleine Nebenstraße absolut menschenleer war!

Und finster!

Haus an Haus, aber unbeleuchtet!

Die Bewohner waren wohl alle beim Stadtteilfest!

Und dann hörte ich hinter mir die Schritte des Penners!

Jetzt hatte ich erreicht, was ich absolut hatte vermeiden wiollen:

Allein mit einem offenbar unzurechnungsfähigen Bahnhofspenner - im Dunkeln!

Und diese blöde Straße nahm kein Ende!

Hinter mir die Schritte .....

Das ist der Stoff, aus dem die Albträume sind!

Doch ich war hier mitten im wirklichen Leben ....

Nevis 19.03.2009 10:11

An dieser Stelle mal eine kleine Inhaltsangabe der gegenwärtigen und noch kommenden Ereignisse:


1. Verfolgt vom Bahnhofspenner

2. Die Hilfe-Schreie der Frau aus dem Dunkel

3. Kampf mit Krücken

4. Der Neo-Nazi mit der Bomberjacke

5. Die Unterführung des Grauens

6. Das Fest im Sumpf

7. Das Handy des Horrors


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Und alles an einem Abend - in kürzester Zeit.

Und das alles auch nur, weil ich mit der Straßenbahn gefahren bin statt mit dem Auto.

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*singt*


Aber dennoch hat der Nevis ....
sich köstlich amüsiert ......

Aber dennoch hat der Nevis ....
sich köstlich amüsiert!


Mindestens so köstlich wie jener Bolle zu Berlin.

Ich darf erinnern:


*singt*


Bolle reiste jüngst zu Pfingsten,
nach Pankow war sein Ziel.
Da verlor er seinen Jüngsten
ganz plötzlich im Jewühl

`Ne volle halbe Stunde hat er nach ihm gespürt,
aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert.
aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert.

.......... .......

Nevis 20.03.2009 09:22

Es geht weiter .....

Irgendwann nimmt jeder Albtraum mal ein Ende!

Endlich kam mal eine Querstraße - und als ich links in sie einbog, war ich auch schon mitten im Volksfest!

Der Bahnhofspenner war abgeschüttelt!

Keine große Sache also! Und die Zeit in dieser langen dunklen Straße war wohl kaum eine Minute lang gewesen. Doch sicher hat ihr auch schon erlebt, wie lange einem die Zeit in unangenehmen Situationen wird! Und wie kurz in angenehmen!

:)

Nevis 20.03.2009 09:31

Das Volksfest selbst ist kaum erzählenswert. Ein Volksfest wie hundert andere auch! Das Übliche halt ....

Erst auf dem Nachhauseweg wurde es wieder interessant.

Als eine Frau aus dem Dunkel heraus gellend um Hilfe schrie!


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Zuerst mal ein altes Lied:

*singt*


Wenn bei Karlsruh die rote Sonne im Rhein versinkt,
Und vom Himmel die bleiche Sichel des Mondes blinkt,
Fährt Herr Nevis mit seiner Straßenbahn nach Haus,
Denn es ist nun schon gar bitter kalt da drauß!
Nur die Sterne sie zeigen ihm am Firmament
Seinen Weg mit den Bildern, die jeder Nevis kennt .....


So ging ich also friedlich vor mich hin und dachte nichts Böses.

Ich war auf dem Weg zur Endhaltestelle der Straßenbahn. Das ist eine Wendeschleife in unbewohntem Gebiet, zwischen Bäumen und Büschen, wie ich schon sagte.

Und aus diesen Bäumen und Büschen hervor erschien plötzlich eine Frau und schrie gellend: "Hiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiilfe! Heeeeeeeeeelfen Sie miiiiiir!"

Hinter ihr waren drei verdächtige Gestalten in der Dunkelheit undeutlich zu sehen. So recht erkennen konnte ich sie nicht - aber verdächtig waren sie jedenfalls! Seeehr verdächtig!

Nun weiß ich, was in solchen Fällen zu tun ist.

Man zieht seinen Colt, erschießt die verdächtigen Gestalten so e bissl, nimmt dann die Frau auf sein Pferd, und reitet mit ihr ins Abendrot.

Musik erklingt, die Geigen werden lauter, der Film ist zu Ende, und alles verlässt das Kino.

Soweit alles klar. Kein Problem!

Nur gab es da ein paar kleine Schwierigkeiten:

Mein Colt war gerade in Reparatur, und mein Pferd hatte ich zu Hause gelassen. Ihr wisst ja: Trunkenheit am Zügel kommt auch im liberalen Baden nicht gut!

Das Schlimmste aber: Das Abendrot war längst vorbei! Eher war das Morgenrot schon nahe. Ich hätte also mit dieser Frau ins Morgenrot reiten müssen, und noch dazu ohne Pferd! Und das tut man doch nicht! Das gibts in keinem Film!

Nebenbei: Warum lassen die Filmemacher eigentlich diese Cowboys mit ihren Frauen immer ins Abendrot reiten? Ist doch langweilig, so auf die Dauer! Warum nicht auch mal ins Morgenrot? Wär mal was anderes! Immer diese Stereotypen!

Ich glaub, ich werde mal bei Gelegenheit selber einen Film drehen müssen! Und da reiten die Cowboys dann ins Morgenrot, dass es nur so eine Art hat!

Doch mich dünkt, ich schweife ab ......

More later ......

Nevis 20.03.2009 09:32

Und es geht weiter ....

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


Nun, was hätte ich da der Frau sagen sollen, die um Hilfe schrie?

Hätte ich folgendermaßen sprechen sollen:

"Liebe gute Frau, nichts Lieberes wüßte ich auf der großen weiten Welt, als Ihnen in Ihrer gewisslich etwas unangenehmen Situation beizustehen!

Denn: Ich mag Frauen! Einige meiner besten Freunde SIND Frauen!

Doch: Wie der Zufall so spielt, sehe ich mich augenblicklich nicht so recht in der Lage dazu.

Denn die Lage ist die, und der Umstand ist der:

Mein Pferd ist gerade in Reparatur, und meinen Colt habe ich wohlweislich zu Hause gelassen. Sie wissen ja: Trunkenheit am Colt, das mag die ansonsten recht liberale badische Polizei nicht so ....

Außerdem: Wir ermangeln des Morgenrotes!

Begegnen Sie mir doch mal im Mondschein!

Achso.... den haben wir ja gerade, Vollmond sogar ... da haben Sie nun auch wieder recht ... ein Punkt für Sie!

Vielleicht könnten wir ja später dann auch mal in den Mondschein reiten, nachdem ich ihre verdächtigen Begleiter so e bissl erschossen habe... falls es Ihnen nix ausmacht?

Aber halt .. das wird nix .... so ganze ohne Colt und ohne Pferd .....

Doch ich weiß Rat!

Wie sagen die Kellner immer so schön und treffend?

Kollege kommt gleich!

Und so ist es auch!

Mein Freund, der Bahnhofspenner, ist schon unterwegs!

Jeden Moment kann er hier eintreffen!

Also: Seien Sie unbesorgt, liebe gute Frau!

Wenn mein Freund es nicht schafft, diese drei Gestalten dort zu verjagen, dann schafft es niemand!

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend!

Habe die Ehre!

Meine Straßenbahn wartet!

Tschüss! Tschau! Adé!"

*wink*


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Nun, was meint ihr?

Hätte ich also sprechen sollen?

Oder: Wie hättet ihr gesprochen?

Also jetzt mal ehrlich, gell!

Nevis 21.03.2009 09:32

Ich erzähle weiter ....


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~



Die Hilferufe der Frau hatten einen völlig anderen Grund, als ich im ersten Moment verständlicherweise angenommen hatte.

Die drei verdächtigen Gestalten bedrohten die Frau nicht etwa.

Ganz im Gegenteil - sie wollten ihr helfen!

Doch die Frau war mit drei Helfern noch nicht zufrieden, sie wollte noch einen vierten!

Sie brauchte vier Männer - wenn nicht noch mehr!

Und ich sollte ihr vierter Nothelfer sein!

Und wobei wohl sollte ich ihr helfen?

Ich glaube, da kommt ihr nicht so schnell drauf!

Nevis 21.03.2009 09:32

Das Auto der Frau war stehengeblieben, aus welchen Gründen auch immer.

Nun brauchte sie Helfer, um es anzuschieben.

Und dazu hatte sie sich diesen genialen Plan ausgedacht:

Wir vier starken Männer sollten ihr Auto auf die Schienen der Straßenbahn schieben.

Dann sollte die Straßenbahn kommen und das Auto auf den Schienen so lange vor sich herschieben, bis es anspringen würde!

Genial, gell!

Inzwischen war ein Auflauf entstanden.

Immer mehr Männer kamen, um der Frau zu helfen!

So ist es doch!

Wenn eine Frau um Hilfe schreit, kommen von überall her mutige Männer, um zu helfen!

Aber wenn ein Mann um Hilfe schreit, kommen dann auch mutige Frauen?

Ich will das mal offen lassen .....

Es kam aber auch ein Beamter der städtischen Stadtwerke, der diese Idee für unsinnig erklärte!

Dazu würde er seine schööööne Straßenbahn nicht hergeben!

Eine Diskussion entstand über die Möglichkeit, das Vorhaben der Frau durchzuführen!

Ich ergriff die Gelegenheit, mich nett zu verabschieden!

Denn: Die Frau hatte ja nun genug Cowboys, die ihr zu helfen vermochten, Morgenrot hin oder Abendrot her!

Nevis 21.03.2009 09:33

Den nächtlichen Hilfeschreien dieser Frau war ich also entkommen.

Nich weit entfernt konnte ich schon die erleuchtete Straßenbahn sehen, die leer an der Endhaltestelle stand und auf Passagiere wartete.

Nur ein kurzer Weg für einen Menschen - doch ein langer Weg für einen Nevis!

Wie heißt es so schön und treffend:

"Zwischen Lipp' und Kelchesrand
Schwebt der finstern Mächte Hand."

In meinem Falle hatten die Götter zwischen mir und der Straßenbahn zwei rüstige Rentner gesetzt, die sich mit Macht ihre Krücken um die Ohren schlugen.

Auf dem schmalen Pfad war nicht an ihnen vorbeizukommen, ohne etwas davon abzubekommen.

Ich dachte, Vorsicht sei der bessere Teil der Weisheit, und ginge einen kleinen Umweg - seitlich durchs Unterholz.

Denn war es nicht schon dieser Martin von der Familie Luther, der zu Wittenberg diese These verkündet hatte:

"Bedenke, oh Mensch! Was nützete es dir, so du gewännest alle Straßenbahnen der Stadt, und nähmest doch Schaden an deinem Schädel?"

Und eine fernöstliche Weisheit lautet:


"Oh du Fremder, der du dahineilest auf schmalem Pfade, um zu erreichen den eisernen Wagen, der dich bringen soll in die Mitte der Stadt, wo da ruhet der Karl:

Findest den gastlichen Weg versperret du von unweisen Alten, die da kämpfen den Kampf der Toren mit Krücken des Zornes, so wähle den anderen Pfad! Den Pfad des Trampelns, der dich da führet durch grünes Gebüsche, holprig wohl, aber sicher und weise!"

Und sagt selbst: Wer bin ich, dass ich Konfuzius widerspräche? Oder gar Kon Fu Tse?

Also nahm Ne Vis den anderen Pfad ....

Nevis 21.03.2009 09:34

Ich umging also diese rüstigen Rentner weiträumig.

So wie man es ja von Durchsagen im Autoradio her kennt:


*einschalt*

"Achtung, Achtung! Eine wichtige Durchsage!

In Karlsruhe-Daxlanden ist die Ortstraße 217a auf Grund einer Veranstaltung vorübergehend gesperrt.

Vorsicht! Freifliegende Krücken!

Es kann zu Schädel-Verletzungen kommen.

Nevisse, die sich in diesem Gebiet aufhalten, werden gebeten, die Ortsstraße 217a weiträumig zu umgehen, und den Trampelpfad 745b zu wählen.

Sobald die Gefahr vorüber ist, informieren wir Sie wieder!"

*ausschalt*

Ich folgte dieser inneren Stimme - und erreichte so unverletzt die sichere Straßenbahn, die hell-erleuchtet in der Dunkelheit auf mich wartete.

Sie war noch völlig leer.

Selbst der Fahrer war ausgestiegen, um draußen im Freien seine Pause zu genießen.

Dann sah ich, wie langsam zwei künftige Passagiere auf die Straßenbahn zugingen.

Na, wer wohl?

Die beiden rüstigen Rentner, die sich inzwischen anscheinend versöhnt hatten!


Sehr friedlich wirkten sie aber dennoch nicht - eher auf der Suche nach einem neuen Opfer.

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte, heißt es.

Wenn die Streithähne sich aber wieder versöhnen, tut dieser Dritte gut daran, in Deckung zu gehen

Die beiden rüstigen Rentner bestiegen die Straßenbahn ....

Wer könnte das neue Opfer sein?

Wer war denn da, außer mir?

Niemand!

:eek:

Nevis 22.03.2009 00:59

Es geht weiter ...

~~~~~~


Ich stelle mir gerade einen Filmtitel vor:

"Die Straßenbahn des Grauens."

Welch nette gemütliche Situation:

Um Mitternacht allein in einer Straßenbahn mit zwei angetrunkenen Schlägern, die trotz fortgeschrittenem Alter noch recht kräftig mit ihren Krücken zuzuschlagen vermögen - und auf der Suche nach einem neuen Objekt ihrer Schlagkraft sind!

Da kommt Stimmung auf - wie man so sagt!

Vor meinem geistigen Auge erschien schon diese Schlagzeile im Lokalteil der "Badischen Neuesten Nachrichten":

Rotkreuzkräfte retten ruhigen Reisenden vor robusten rasend-rüstigen Rentnern.

Mit der Frage in der Unterzeile:

Rehabilitation ratsam?

Doch ging dieser Kelch an mir vorüber.

Mein Dank an die Götter! Bacchus oder Dionysos - wer immer auch an jenem Abend gerade Dienst hatte!

Die Straßenbahn füllte sich so langsam- und die rüstigen Rentner fanden andere Gesprächspartner, an denen sie im Bedarfsfall ihre Krücken ausprobieren konnten!

Die Straßenbahn fuhr los!

Meine Erzählung könnte hier zu Ende sein - wenn ich nicht noch an einer gottverlassenen Haltestelle hätte umsteigen müssen!

Nevis 22.03.2009 10:37

LINK EDITIERT.



Was der Link nicht sagt:
Es sind da zwei Haltestellen.
Die eine auf einm sehr belebten Platz mit - viel Traffic jeder Art.
Die andere Stelle ist in einem finsteren Niemandsland, wo sich noch nicht mal Fux und Haas "Gut Nacht!" sagen, wenn es Nacht ist!


Und es war Mitternacht, und weder Fux noch Haas zu sehen! Typisch mal wieder! Wenn man sie braucht, sind sie nie da!


Ich stand da ganz alleine rum - oder fast ganz alleine.

Nur ein Mitreisender war da - und er saß. Auf der Bank.
Er sah aus, als hätte er schon lange gesessen.
In einer Justizvollzugsanstalt vielleicht.
Sollte ich mich zu ihm setzen?


Meine innere Stimme sagte: "NEIN! Mach das nicht!"
Dazu muss ich erklären, dass ich gewöhnlich "Du" zu mir sage, denn ich kenne mich ja schon länger.


Mein Mitreisender saß da und sagte gar nix.

Aber sein Outfit war vielsagend.

Es verkündete dezent, dass Deutschland den Deutschen gehören sollte, und Ausländer doch bitte so nett sein mögen, das Land zu verlassen.

Ob ich da als Zeichen meines guten Willens nicht wenigstens diese deutsche Haltestelle hätte verlassen sollen?

Oder - was meint ihr?

Nevis 22.03.2009 10:42

Dazu muss man nun wissen, dass ich fast auf der ganzen Welt für einen Einheimischen gehalten werde - außer in Deutschland.

In Schottland bin ich ein Schotte, in Frankreich ein Franzose, in Spanien ein Spanier, und auch die Moslems in Sibirien haben mich dort in ihrer Moschee für einen der Ihrigen gehalten.

Nicht so in Deutschland!

Da gelte ich meist als Grieche, gerne auch mal als Perser, Afghane, oder auch Saudi-Araber.

Kongolese war ich bisher noch nicht, aber ich arbeite bereits dran!

Das Schönste war, wie ich kurz nach dem Einzug im Vorgarten meines Hauses stand, und eine neue Nachbarin vorbeikam.

Freundlich sagte sie zu mir: "Sie sind aber kein Deutscher, gell?"

Ich ließ das mal offen und frage zurück, was ich denn wohl sei.

Da outet sie mich als einen Rumänen. Zigeuner sagte sie jetzt nicht, dachte es aber vielleicht. Wer weiß?

Sie selber kam übrigens aus der Ukraine ....

...................................

Es war also zu erwarten, dass mein Freund auf der Bank früher oder später auf mich zukommen würde, um mir freundlich, aber bestimmt, anzuraten, ich solle doch bitte dahin verschwinden, wo ich herkäme! Nach Ägypten oder Palästina! Aber gaaaaanz schnell bitte!

Nevis 22.03.2009 20:55

Dass ich in Deutschland so oft für einen Ausländer gehalten werde, ist ein klein wenig paradox.

Denn: Gibt es jemand, der einheimischer wäre, als ich? Kaum.

Durch meine Ahnenforschung weiß ich, dass alle meine Vorfahren seit dem Dreißigjährigen Krieg - und wohl auch davor - immer nur eines waren: Mittelbadische Winzer.

Warum nur werde ich dann für einen Griechen gehalten?

Ich denke, das geht auf die griechischen Legionäre zurück, die damals zu Caesars Zeiten an den Oberrhein gekommen sind.

Vielleicht waren es aber auch Ägypter? Wer weiß?

Mein mitternächtlicher Ausländerfreund hätte also mit einem gewissen Recht zu mir sagen können: Geh zurück nach Ägypten, woher du gekommen bist!

Und ich hätte dann vielleicht erwidert: Gerne! Können Sie mir sagen, welche Straßenbahn ich da nehmen muss?

Nevis 23.03.2009 13:41

Es geht weiter .....

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


Während ich da so stand und wartete, ging mir eine ähnliche Situation durch den Kopf.

Diese Geschichte könnte ich vielleicht nennen:

"Die Unterführung des Grauens!"

Es war zu fast mitternächtlicher Stunde, als ich in einem Karlsruher Vorort auf eine Straßenbahn wartete.

Nicht mit einem Ausländerfeind zusammen, sondern mit einer Horde angetrunkener Jugendlicher.

Sie redeten oder besser schrien lautstark miteinander. Offenbar stand eine gepflegte Prügelei kurz vor dem Ausbruch.

Ich hielt Abstand, denn bei solchen Prügeleien kommt es leicht auch zu Nebenschäden bei Unbeteiligten. Oder "collateral damage", wie die amerikanische Bomberflotte es so schön und treffend formuliert.

Die rüstigen Rentner lassen grüßen!

Man schaut in solchen Fällen besser gar nicht so genau hin! Sonst heißt es: "Was kuckstu?"

Und schon hat man eine über dem Schädel! Oder "in der Fresse" , um beim Sprachgebrauch zu bleiben.

Früher hatte das noch mehr Stil. Da hieß es kühl: "Mein Herr! Sie haben mich fixiert! Ich schicke Ihnen meine Sekundanten! Bevorzugen Sie Pistole oder Säbel?"

Dann traf man sich im Morgengrauen am Waldesrand, mit oder ohne Feuer! Das heißt, man feuerte schon! Schoss sich so e bissl tot! Romantisch, irgendwie! *träum*

Die Duelle sind auch nicht mehr das, was sie mal waren!

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Um einem solchen modernen Duell zu entgehen, dachte ich, es sei vieleicht besser, auf der anderen Seite der Gleise zu warten, und dann eben schnell wiederzukommen, wenn die richtige Bahn heranfahren würde.

Und so ging ich die Steintreppen hinunter in den Untergrund.

In die Unterführung des Grauens ......

Nevis 24.03.2009 12:50

Mein erster Besuch dort war relativ kurz.

Ich begegnete dort einem Pärchen des Grauens. Die beiden kamen auf mich zu, und der Mann fragte mich irgend etwas Belangloses. Es war klar, er fragte nur, um irgendeinen Kontakt herzustellen, nach Art der Bahnhofspenner. Meine Antwort, die ebenso belanglos war, nahm er dann zum Anlass, einen Streit vom Zaun zu brechen. Seine Begleiterin schaute ihn dabei anhimmelnd an.

Nun war es zufällig gerade nicht mein streitlustiger Tag. Ich verabschiedete mich also nett und trat einen geordneten Rückzug an, die Steintreppen wieder hinauf. Die streitlustigen Jugendlichen dort schienen mir auf einmal irgendwie sympathisch, sympathischer jedenfalls als dieses streitlustige Pärchen des Grauens.

Die Situation am Bahnsteig hatte sich aber noch nicht entspannt, sondern eskalierte weiter. Die streitlustigen Jugendlichen waren inzwischen noch streitlustiger geworden. Ich hielt mich in sicherer Entfernung von den Randalierern, und sie hielten sich in sicherer Entfernung von mir. Sie hatten ja genug mit sich zu tun, und brauchten im Moment kein weiteres Zielobjekt für ihre Schlägerei. Noch nicht ......


Ich wartete eine Weile, bis ich annehmen konnte, das streitlustige Pärchen in der Unterführung des Grauens habe sich inzwischen verzogen. Zum zweiten Mal also ging ich die Steintreppen hinunter in den Untergrund.

Doch auf dem halben Weg schon hörte ich ein bestimmtes Geräusch, das mich davon abhielt, weiterzugehen.

Nevis 25.03.2009 06:53

Es war das klar erkennbare Geräusch, das dann entsteht, wenn Bierflaschen mit Schwung gegen eine Wand geschleudert werden, und dort mit lautem Knall zerbersten.

Andere Bierflaschen kullerten anscheinend auf dem Boden herum.

Ich stellte mir mal die passende Lautsprecherstimme dazu vor:

*kling*

Achtung, Achtung!

Eine wichtige Durchsage des Karlsruher Verkehrsverbunds (K V V)

Auf der Bahnstrecke Karlsruhe - Stutensee ist die Unterführung in Höhe Hagsfeld auf Grund einer privaten Feier vorübergehend gesperrt.

Vorsicht, freifliegende Bierflaschen!

Es kann zu Schnittverletzungen kommen.

Reisende, die den gegenüberliegenden Bahnsteig erreichen wollen, werden gebeten, die Schienen oberirdisch zu überqueren, wenn gerade kein Zug einfährt.

Falls doch ein Zug einfährt, wünschen wir Ihnen viel Glück!

Im Bedarfsfall informieren wir gerne ihre Hinterbliebenen.

Dies ist ein kostenloser Service der Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK) im Verbund mit der Deutschen Bahn AG (DB).

Bitte empfehlen Sie uns Ihren Freunden und Bekannten, ggfalls auch Ihren Hinterbliebenen.

Wir wünschen Ihnen noch einen angenehmen Aufenthalt und eine gute Nacht!

Ihr Karlsruher Verkehrsverbund (K V V)



*kling*

Nevis 25.03.2009 06:54

Ich hielt also einen Moment inne und überlegte.

Sollte ich weitergehen, mitten ins das Bierflaschengewitter hinein?

War es ratsam?

Einerseits: Vielleicht hätten die netten Damen und Herren in der Unterführung mich ja auch freundlich zu ihrer privaten Feier eingeladen.

Es hätt vielleicht rotes Erlauer Stierblut und einen feinen Kalterer See aus der Zwei-Literflasche gegeben, bis zum Abwinken, wie man so sagt!

Und es wär am Ende noch ein richtig gemütlicher Abend geworden?

Andererseits: Vielleicht auch nicht?

Nun, diese Chance hab ich verpasst, indem ich die Treppe dann wieder hinauf ging.

Die Streitlustigkeit der Jugendlichen hatte sich inzwischen nicht vermindert, eher stetig erhöht.

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Da geschah etwas Neues:

Aus dem mitternächtlichen Dunkel schälte sich langsam eine Truppe von Fremden heraus, die Schritt für Schritt näher kamen .....

Was mochten sie im Schilde führen?

Nevis 25.03.2009 06:54

Aus dem Dunkel also nahte sich ein Trupp Menschen!



Ich hatte die Hoffnung, es mögen friedliche Bürger sein, so wie ich.

Doch nein! Es war eine Verstärkung für die streitenden Jugendlichen! Deren Zahl war nun doppelt so hoch!

Doch der Streit löste sich durch die Neu-Ankömmliche in Wohlgefallen auf. Sie waren nämlich alle weiblich!

Man fiel sich gegenseitig um den Hals, teils auch zu Boden dabei.

Und dann verschwand der ganze Spuk in einem Haus in der Nähe!

Man hatte gar nicht auf die Straßenbahn gewartet, sondern auf die Freundinnen, um da draußen irgendwo Party zu feiern!


------------------

Nun war ich allein an der Haltestelle.

Und schon bald fuhr eine der weltberühmten Karlsruher Straßenbahnen heran: Groß und geräumig, hell erleuchtet, gut beheizt!

Und bereit, mich mit nach Hause zu nehmen.

Ende gut, alles gut?

Noch nicht!

Nevis 25.03.2009 06:55

Es war so:

Erleichtert stieg ich in die Straßenbahn ein, in dem Glauben, nun sei der Abenteuer-Abend vorbei.

Doch ich kam vom Regen in die Traufe!

Die Straßenbahn war eine Kombination von Unterführung und Haltestelle.

Auf dem Boden waren mehrere Bierlachen, und leere Flaschen rollten ständig hin und her.

Ein paar Sitzreihen weiter vorne saßen volle und lebende Flaschen:

Betrunkene Jugendliche, die lautstark gröhlten und stritten und lärmten und herumhampelten ... und ... und .. und ...

Und ich war nun mit ihnen gefangen!

Sonst war niemand im Abteil ....

Schaffner gibt es ja schon längst nicht mehr, und Fahrer kümmern sich kaum darum, was in ihrer Bahn so passiert.

Ich blieb gottergeben so lange auf meinem Platz sitzen, bis die Bahn die Innenstadt erreicht hatte.

Dort stieg ich auf dem belebten Marktplatz aus und nahm eine andere Linie!

Und erst in dieser Linie dann hatte das Grauen ein Ende!

Nevis 25.03.2009 06:55

Und hier noch eine Fahrt des Grauens:

~~~~~~~~~~~~~~~~


Es war so:

Bei der Eröffnung einer neuen Linie ist es in Karlsruhe Sitte, dass die Fahrt umsonst ist - ein ganzes Wochenende lang. Und an der Endhaltestelle der neuen Linie gibt es ein Volksfest.

Das wollte ich mir auch bei der Eröffnung der Heide-Linie nicht entgehen lassen.

Und noch heute denke ich mit Schrecken an jene Fahrt.

Die Straßenbahn war total überfüllt. Wenige Glückliche saßen, alle andern standen - und schlimmer als die Heringe. Man bekam kaum Luft. Neben mir ein Mann mit einem etwas 12-jährigen Kind. Das Kind quengelte hysterisch in einem fort: "Papaaaaaaaaaaaa! Wir müssen jetzt aussteigen!"

Der Papa beruhigte ständig: "Nein, wir fahren doch bis zur Endhaltestelle! Und die kommt noch lange nicht!"

Doch das Kind quengelte andauernd lautstark und nervtötend weiter.

Bei einem Fünfjährigen hätte ich das noch verstanden, aber eine Zwölfjährige war einfach zu alt für solch andauerndes nerviges Dummschwätzen. Denn: Wenn man eines nicht übersehen und verpassen kann, dann ist das eine Endhaltestelle.

Und es war kein Entkommen. Ich sehnte die Endhaltestelle herbei. Doch daaaaaaaaaaaaas dauerte. Die Bahn fuhr nämlich aufreizend langsam, fast Schritt-Tempo. Da wir ja durch Wohngebiete fuhren, hatte der Fahrer wohl Anweisung, erst mal gaaaaaaaanz laaaaangsam zu fahren, weil die Leute noch nicht daran gewohnt waren, dass eine Bahn kommen könnte.

Endlich waren wir doch da. Und welche Enttäuschung! Das Fest war fast nicht existent.

Auf einer tiefergelegenen Wiese gab es ein paar lieblose und un-origininelle Stände. Die Wiese war völlig verschlammt und aufgeweicht. Ein paar Holzbretter lagen herum, aber die reichten nicht. Man musste zum Teil durch den tiefen Schlamm waten, ob man wollte oder nicht.

Ich verzichtete auf das traditionelle Bier und die Bratwurst und ging wieder zur Haltestelle.

Zumindestens einen Sitzplatz würde ich ja nun bekommen, dachte ich.

Aber nein! Denn viele Fahrgäste stiegen an der Endhaltestelle gar nicht erst aus, sonden blieben sitzen und fuhren wieder zurück.

Also durfte ich wieder stehen.

Ein Trost nur: Diesmal ohne diese 12-jährige Nervensäge dicht neben mir ...

Nevis 25.03.2009 06:56

Und nun folgt eine Szene, deren Überschift sein könnte:

"Das Handy des Grauens".

Und auch diese Szene spielt in einer Karlsruher Straßenbahn.

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Was das Thema "Handy" angeht, bin ich leidgeprüft. In den Karlsruher Straßenbahnen wird man oft genug belabert von Leuten, die unbekümmert so laut in ihr Handy quatschen, als wären sie allein auf der Welt.


Wahrscheinlich wird man sich an diese Unsitte gewöhnen müssen - doch ich habe es noch nicht getan.

An einem Abend nun quatschte eine junge Frau besonders laut in ihr Handy, so als sei die Straßenbahn ihr Wohnzimmer. Immer wieder auch lachte oder kreischte sie, und redete völlig unbekümmert über doch eher private Dinge.

In der halbleeren Bahn begannen einige unfreiwillige Mithörer zu schmunzeln. Doch niemand sagte etwas. Was soll man auch sagen, ohne dumm angemacht zu werden?

Der Waldbaum saß still und schwieg.

Aber dann stand er spontan auf, und tippte mit seinen Zweigen der Frau von hinten sanft auf die Schulter.

Sie drehte sich um und schaute mir ins Gesicht.

In dieser Sekunde wusste ich noch nicht, was ich sagen würde, doch ich fand, es musste etwas gesagt werden.

Und ich hörte mich sagen:

"Liebe Frau, es ist nicht richtig, was Sie da machen. Wir hören nur die eine Seite der Geschichte! Man muss aber immer BEIDE Seiten einer Geschichte hören, um sich ein Bild machen zu können. AUDIATUR ET ALTERA PARS! Wie schon meine Vorfahren, die Römer sagten.

Können Sie nicht ihr Handy so einstellen, dass wir hier auch hören, was Ihr Partner zu sagen hat? Sie machen sich zwar schon recht gut als Allein-Unterhalterin. Aber wir würden doch gerne das GANZE Stück hören, nicht nur die Hälfte!"

Dann ging ich wieder an meinen Platz.

Leider hatte ich keinen Erfolg .....

Denn anstelle ihren Partner nun auch hörbar zu machen, sprach die junge Frau nun so leise, dass man kein einziges Wort mehr verstand.

Schade!

Da bittet man mal freundlich um was - und dann das!

Undank ist der Welt Lohn!


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