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fee_reloaded 02.06.2022 13:14

nicht verjährt
 
nicht verjährt




noch immer fühl ich jene träne wandern
von meiner haut auf deine haut.
wie nah doch war der eine hier dem andern.
wir haben tief in uns hinein geschaut,

ertastet, freigekratzt, -geschält, -geschlagen,
was niemals sich in worte fassen lässt,
die endlichkeit dieses moments ertragen,
gewusst, dass eines uns nie mehr verlässt:

das wissen, dass vom andern man gesehen,
erkannt, erspürt, verstanden - unerklärt,
dass, wenn wir später auseinandergehen,
ein stück vom herzen mitgeht,

nichts verjährt.





.fee jun2022

Falderwald 05.06.2022 19:54

Servus fee,

sehr schön und einfühlsam.

Was metrisch nicht funzt ist S2 Z3: "die endlichkeit dieses moments ertragen"

Vorschlag: Die Endlichkeit in dem Moment ertragen

Ansonsten alles fein.

Gern gelesen und kommentiert :)

Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald



fee_reloaded 07.06.2022 09:37

Zitat:

Zitat von Falderwald (Beitrag 125067)
Was metrisch nicht funzt ist S2 Z3: "die endlichkeit dieses moments ertragen"

Vorschlag: Die Endlichkeit in dem Moment ertragen


Servus, Falderwald!

Schön, dass du kurz vorbeischaust! Freut mich, dass es dir gefällt.

Metrisch - vielleicht betonen wir Ösis ja anders? - steh ich wohl irgendwie gehör-ig auf dem Schlauch. Für mich lesen sich beide Versionen von der Metrik her gleich.

x Xxx xx xX xXx

x Xxx x x xX xXx

Ich weiß; man könnte das "in dem Moment" auch als "in DEM Moment" lesen, aber das drückt sinngemäß nicht ganz das aus, was ich sagen möchte und in meiner Version spießt es sich für mich beim Rezitieren auch nicht. War es das, was du gemeint hast? Danke jedenfalls für den Hinweis.


Liebe Grüße,
fee

Thomas 07.06.2022 14:40

Liebe Fee,

dein Gedicht ist sehr gut und eindringlich. Wie ich es sehe ist das Metrum der Strophe:

ertastet, freigekratzt, -geschält, -geschlagen,
was niemals sich in worte fassen lässt,
die endlichkeit dieses moments ertragen,
gewusst, dass eines uns nie mehr verlässt:

das folgende:
xXxXxx/xXxXx
xXx(X)xXxXxX
xXxxXxxXxXx
xXxXx(X)xXxX

Eingeklammertes (X) bedeutet, dass es eine Hebung sein kann, aber nicht unbedingt muss. Wenn man die (X) unbetont spricht, ist die Strophe vierhebig mit unregelmäßiger Füllung. Ich würde sie so lassen, denn sie hat meiner Meinung nach einen guten Rhythmus.

Liebe Grüße
Thomas

Falderwald 07.06.2022 14:42

Servus fee,

hast nicht ganz unrecht, trotzdem liest sich deine Zeile sehr schwer.
Alle anderen Zeilen sind im Jambus gehalten und wenn ich diese Zeile lese, dann stolpere ich tatsächlich:

die Endlichkeit dieses Moments ertragen

Das kann man m.E. folgendermaßen lesen:

die Endlichkeit dieses Moments ertragen
(xXxxXxxXxXx)

Dann bist du aber raus aus dem Jambus, das ist das Problem.

"Endlichkeit" könnte man im Jambus auch noch XxX betonen, aber hier funktioniert das m.M.n. nicht.

Das bekommst du mit diesen Worten nicht hin. Entweder du lässt es so, oder du formulierst diese Zeile komplett um. Z.B. "und des Momentes Endlichkeit ertragen"
"dieses Moments" geht jambisch definitiv nicht auf.

Aber letztendlich sind das ja nur Peanuts, der Gesamteindruck zählt und der ist gut.

Liebe Grüße :)

Falderwald



Thomas 07.06.2022 15:01

Liebe Fee,

man kann es, wie Falderwald sagt, tatsächlich rein jambisch lesen, dann wäre das Metrum dieser Zeile zu korrigieren. Ich bin aber gar nicht auf die Idee gekommen, die Strophe jambisch zu lesen, obwohl es die anderen sind.

Liebe Grüße
Thomas

fee_reloaded 07.06.2022 17:23

Lieben Dank euch beiden, Thomas und Falderwald,

für die intensive Beschäftigung mit Lesefluss und Metrik.

Ich hatte das Gedicht gar nicht bewusst jambisch angelegt - der Rhythmus hat sich eher aus dem Inhalt ergeben und dem, wie ich ihn rüberbringen wollte.

Wie ist das eigentlich in der Lyrik? In der darstellenden Kunst wird zum Beispiel ein (kleiner) Bruch einer visuellen Rhythmik, eine Abweichung im Aufbau oder ein kontrastierendes Element in der Farbpalette in den meisten Fällen (außer es handelt sich um kunsthandwerkliche Ornamentik) als spannend und wünschenswert gesehen.
Kann man das eurer Erfahrung nach in manchen Fällen so auch auf Gedichte umlegen? Ich kann jetzt konkret ad hoc kein Beispiel nennen, erinnere mich aber, beim Lesen von Lyrik durchaus auf den einen oder anderen Bruch in der Metrik gestoßen zu sein und es als sinnvoll und die Botschaft unterstützend empfunden zu haben. Gilt natürlich nicht für jedes Gedicht und jede Gedichtform.

Auf jeden Fall freu ich mich, dass euch mein Text gefällt. Ich denke, ich lasse es erst mal so, wie es jetzt ist.

Liebe Grüße, ihr zwei!

fee

Sidgrani 08.06.2022 06:00

Hallo fee,

auch ich greife ab und zu auf das Stilmittel "Metrikbruch" zurück, es kann tatsächlich unterstützen und hervorheben. In diesem konkreten Fall pflichte ich Falderwald allerdings bei, es stockt leicht beim Lesen.

Auf jeden Fall ist dir ein einfühlsames Gedicht gelungen, das ich mit Freuden schon mehrmals gelesen habe.

Liebe Grüße
Sidgrani

fee_reloaded 08.06.2022 07:41

Zitat:

Zitat von Sidgrani (Beitrag 125089)
Auf jeden Fall ist dir ein einfühlsames Gedicht gelungen, das ich mit Freuden schon mehrmals gelesen habe.

Servus, Sidgrani!


Freut mich, dass es dir gefällt! Danke!

Hm, das mit dem durchbrochenen Jambus ist natürlich unangenehm zu lesen. Da stimme ich zu. Es hängt wohl wirklich vom Leseverhalten ab...bei mir betont es sich gefühlt im Lesefluss so, wie Thomas es beschreibt und das stockt nicht.

Vielleicht finde ich ja noch eine Lösung, mit der ich alle zufriedenstellen kann.

Lieber Gruß,
fee

Thomas 08.06.2022 08:04

Liebe Fee,

"Ich hatte das Gedicht gar nicht bewusst jambisch angelegt - der Rhythmus hat sich eher aus dem Inhalt ergeben und dem, wie ich ihn rüberbringen wollte."

Genau so sollte es sein, denke ich. Das Metrum ist für den Rhythmus nur so etwas, wie die Konstruktionslinien (Goldener Schnitt etc.) eines Gemäldes. Man kann es/sie finden, muss es aber nicht.

Liebe Grüße
Thomas


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