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Ibrahim 20.06.2009 14:23

Was ist Zeit?
 
Ist Zeit das Kreissegment, das Zeiger klar beschreiben,
Der Lauf der Erde um die Glut im Magmaball?
Der Raum, in dem Gestirne nach Gesetzen treiben,
Des Doppelglases Sand in stetem Rieselfall?

Ein Stein durchstößt des Wassers glatte Haut im Fallen,
Taucht ein und wirbelt Silbertropfen hoch empor.
Im Sonnenlicht zerbirst der Zauber, der im Wallen
Vergeht, der Wirbel ebbt zur Stille wie zuvor.

Ein Augenblick, Sekunden nur des frohen Sehens,
Und doch, für mich ganz fest ein Lebtag eingeprägt.
Ein Blitz, Moment des kurzen Werdens und Vergehens,
Die wahre Zeit, die keinen Wert auf Stunden legt.

Leier 20.06.2009 17:14

Lieber Ibrahim,

Dir ist es hervorragend und wunderschöne gelungen, das auszudrücken, was Herz und Seele als Zeit empfinden.
Alles Physikalische ist doch lediglich Gerüst.

Danke für das Gedicht!

Lieben Gruß
von
cyparis

Dana 20.06.2009 18:44

Lieber Ibrahim,
in der Denkerklause - klasse.
Die wahre Zeit legt keinen Wert auf Stunden - ein philosophischer Satz.
Oder: Dem Glücklichen schlägt keine Stunde.

Wenn man bedenkt, dass Zeit nur etwas Erdachtes ist und dass alles und jeder sich nach ihr ausrichtet, bzw. ausrichten muss, ist deine Frage mehr als berechtigt.

Deine Betrachtung der Zeit gefällt mir sehr gut.

Liebe Grüße
Dana

Lisa 20.06.2009 21:06

" Die Zeit , die keinen Wert auf Stunden legt .."

Das kann ich sehr gut nachempfinden. Deine Zeilen gefallen mir sehr sehr gut.

Danke Lisa

R.Haselberger 21.06.2009 07:45

Hallo Ibrahim,
mir gefällt dein Werk und gebe dir ein dickes dreiviertel Lob.

In Strophe eins und zwei ist der Inhalt sehr interessant und gefällt mir gut.

Strophe drei schwierig, da unklar.

Zeile eins "Ein Augenblick, Sekunden nur des frohen Sehens,"

Geht in Ordnung, was immer auch nur Sekunden das Auge erfreuen mag.
Sei es eine Sternschnuppe, ein Reh, das gleich hinter einem Busch wieder verschwindet oder sonstiges.
Wenn ich die Lottozahlen bei der Ziehung vergleiche und habe Gewinn, warum sollte ich mich dann nur Sekunden freuen? Oder ich treffe nach längerer Abwesenheit einen geliebten Menschen wieder, warum sollte er in drei Sekunden (länger dauert kaum ein Augenblick) wieder fort sein?

Auf jeden Fall muss es etwas sein, was als "Lebtag" im Gedächtnis sich einprägt.
Das sind eigentlich nur sehr glückliche, tragische oder eben besondere Momente!

Zeile zwei geht in Ordnung und bezieht sich auf Zeile eins.

Zeile drei "Ein Blitz, Moment des kurzen Werdens und Vergehens,"
versteht jeder bildlich und bezieht sich auf den Augenblick und somit Zeile eins.
Zeile zwei berührt sie nicht, warum sollte ein Blitz - wenn er nicht gerade persönlichen Schaden verursacht - sich als schicksalhaften Lebtag einprägen?

Also, Zeile drei ebenfalls in Ordnung!

Die vierte Zeile "Die wahre Zeit, die keinen Wert auf Stunden legt."
sehe ich kritisch!
Zum einen gingen dir der Reim verloren, denn sauber Deutsch gesprochen reimt sich "prägt-legt" nicht. (lägt?)

Dann dieses Wort "wahre", es steht mir so im Vordergrund, als gäbe es dazu auch eine unwahre Zeit?
Lassen wir mal den Einwand beiseite, dass die Zeit selbst sich nicht bewertet, sagen wir mal sie tut es, dann bedeutet deine Aussage, das sie selbst am Wachsen nicht interessiert ist. Denn auch Stunden sind ihre Gliedmaßen oder wie man das Bild im Kopf zurecht rücken mag. Vielleicht auch Kinder der Zeit?

Wir alle wissen was du meinst mit wahre Zeit. Wahr = Echt
Mir gefällt dieses "wahre" nicht, weil es absurdum, irrational steht.

Leider fällt mir auch kein Ersatz ein.
Was aber letzten Endes die Zeit in Bewegung, im Kommen und Gehen, nicht braucht, ist die "Ewigkeit"

Also eigentlich mehr "Ein Hauch von Ewigkeit" ....dann reimend was mit trägt/wägt?

Würde aus der letzten Zeile hervorgehen, dass wir die Zeit als wahr, richtig oder unpassend empfinden, wäre die Sache in Ordnung. So aber legst du einen moralischen Schatten auf die Zeit, denn was ist eben mit der anderen nicht wahren Zeit. Hat sie zwei Seelen und die eine ist ein verlogenes
Luder?

Ich habe jetzt etwas herumgesponnen und denke, es ist ganz gut, manche so dahergesagte Redensarten mal näher zu betrachten.

Also bis auf den fehlenden Reim und dieses "wahre" gefällt mir dein Werk sehr gut!


Gruß R.H.

Ibrahim 21.06.2009 08:26

Hallo!
 
@cyparis
Ich danke dir für deinen Kommentar. Ja, es geht hier um das Empfinden, das so vielfältig sein kann.
@Dana
Freut mich, wenn dich die Verse ansprechen. Danke.
@Lisa
Danke fürs Lesen und vielleicht sogar ein bisschen Grübeln über die Strophen.
@R.H.
Danke für deine kritischen Anmerkungen, die ich mir durch den Kopf gehen lassen werde. Dazu nur:
Reim - also ä und e, i(e) und ü zählen für mich zu den ganz passablen Reimen. Da würde ich nie zögern. Zu den festgehaltenen Momenten. Banales kann ewig im Gedächtnis bleiben, weil es nicht als banal empfunden wird. Vor etwa 60 Jahren, ich war 5, sah ich aus dem Rauchfang (Schornstein heißt das glaube ich in D) eine kleine Wollke aufsteigen, es war Abend, finster, Heiliger Abend - logisch, für mich das Christkind. Ich war auf dem Heimweg, allein, vom Milchholen beim Bauern, sah das Wölkchen, erhellt durch einige Funken - und sehe dieses Sekundenbild noch heute genau wie vor 6 Jahrzehnten. Das meinte ich mit dem Stein, der Tropfenbögen enstehen lässt.
Danke.
LG Ingo


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