Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 22.05.2018 18:36

Schöne Tage
 
Wie Zuchtvieh gehen wir mit Träumen schwanger,
die man uns bei der Fütterung erzählte.
Der Stall erscheint uns wie der selbst erwählte;
die ausgebleichten Knochen auf dem Anger

bedeutungslos den Blinden vor den Trögen,
die man uns füllte wie betäubten Rindern,
und wir erzählen uns von schönen Kindern,
die wir in braver Artigkeit erzögen.

Die Glotze läuft beim stillen Wiederkäuen
des Fraßes, den wir ohne Murren schlucken.
Die müden Blicke lösen sich und dräuen

durch leerer Leben vollgestellte Zimmer,
darin wir uns vor Angstgeburten ducken,
als ahnten wir: Das Ende wird noch schlimmer!

Chavali 22.05.2018 20:03

Lieber Erich,

hier taucht das gleiche Problem der betonten/unbetonten Auftakte auf, wie neulich in dem Text von Laie:

Zitat:

Wie Zuchtvieh gehen wir mit Träumen schwanger,
die man uns bei der Fütterung erzählte.
(jeweils die zweite Zeile einer Strophe)
Man kann den Auftakt tatsächlich unbetont lesen - das ist aber ein bisschen mühsam,
weil man geneigt ist, die zu betonen.
Ich denke, du hast das mit voller Absicht so geschrieben, um uns das vor Augen zu führen...;)

Zum Inhalt:
Nicht so leicht verdaulich.
Menschen, die alles schlucken, was man ihnen vorsetzt, ob politisch oder gesellschaftlich?
Die nix und niemand hinterfragen und sich wie Schlachtvieh am Strick dirigieren lassen...?
Habe ich hinter deinen Worten Ärger, aber auch Resignation gespürt...?

Auf jeden Fall ein gutes Werk, das ich gern gelesen habe.

Lieben Gruß,
Chavi

Erich Kykal 22.05.2018 21:32

Hi Chavi!

Nein, diese Zeile habe ich nicht "bewusst" gesetzt, es ging einfach nicht anders. "Die uns man bei ..." wäre inversiv, klänge gespreizt. Da nehme ich die etwas unnatürliche Betonung eher in Kauf.
Der Leser weiß ja, dass es ein Sonett ist und versucht da eher automatisch den unbetonten Auftakt trotz des "die" am Beginn. Hoff ich halt ... :rolleyes:

Zum Inhalt: Ich wollte mal wieder "sozialkritisch" dichten. Da braucht's eigentlich keinen speziellen Inhalt - eine gute Mischung aus ärgerlicher und resignativer Attitüde genügt, ein Spiel mit verbalen Versatzstücken sozialen Widerstandes.

Das klingt dann erst mal ungeheuer potent und intellektuell hinterfragend, sagt im Grunde aber nichts Exaktes aus, bläst eher einer allgemeinen destruktiven Grundstimmung Raum, weil die bestehende Ordnung "gefühlt" so hingestellt wird, als gäbe es gar nichts Gutes an ihr. ;)

So ein Gedicht ist manipulativ wie eine Wahlrede: Im Grunde wird nichts ausgesagt, aber man denkt, der Verfasser müsse ungeheuer mutig und engagiert sein. :Aua

Abgesehen von diesen schrägen Hintergedanken wollte ich ein Bild einer übersättigten Gesellschaft zeichnen, die längst verlernt hat, sich zu wagen.
Bei solchen Werken sehe ich mich allerdings immer eher als Teil der Problemzone denn als durchglühten Mahner, der verächtlich aus seinem windschiefen Elfenbeinturm des Hauruckaktivisten auf die Trägen herabschaut.

Vielen Dank für deine Gedanken! :)

LG, eKy

juli 23.05.2018 07:21

Hi Erich,

Der Titel: "Schöne Tage" und dein Inhalt vom Sonett, dass unsere Medienkultur anprangert und den "Genuss" am Konsum greift das Thema gekonnt auf.

Sind es schöne Tage?

Unsere Welt mit Fernsehen, Handy, und globaler Information ist nicht mehr wegzudenken. Wer keinen Fernseher, PC oder ein Handy hat, ist in den Augen der Jugend vorsintflutlich.


Ich nehme mich aus dem Konsum nicht heraus und sehe gerne Dokos und auch gerne Filme.

Deine Sprache ist ein wenig wütend und spießt gut auf.:)

Gern gelesen ju

Erich Kykal 23.05.2018 15:04

Hi Juli!

Ich meinte nicht nur die Medienlandschaft, sondern auch den ganzen Lebensentwurf, der uns als nachahmenswert eingeredet wird, seit wir zu denken begannen: Streben nach Besitz, Reichtum, Partnerschaft und Ehe um jeden Preis, Fortpflanzung, Karriere, Arbeitseifer für den Staat, Treue, Pflichterfüllung, bla-bla-bla ...
Kurz, die ganze "Programmierung", nach der wir in einem kulturellen Soziotop möglichst bedenkenfrei zu funktionieren haben.

LG, eKy


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