Gedichte-Eiland

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-   -   Dichter, Philosoph und Leser, Versuch eines Dialogs über die Zeitläufte (http://www.gedichte-eiland.de/showthread.php?t=16604)

Friedhelm Götz 02.03.2017 08:58

Dichter, Philosoph und Leser, Versuch eines Dialogs über die Zeitläufte
 
Leser:

Wer spürt bei unsrer Lebensweise
denn noch die Kraft des Webens leise,
die im Geheimen leise webt,
auch wenn er gar nicht weise lebt?

Dichter:

Recht schwer ist da das Wort zu finden,
um die Gedanken fortzuwinden.

Philosoph:

Der Logos, Gott, das Wort - gefällt!
Vom Zeit- und Sprachstrom fortgewellt.

Dichter:

Wie soll sich hier was fortbewegen,
was kann da noch das Wort befegen?
Was Dichter noch mit Sätzen wollen,
wozu den Stift sie wetzen sollen?

Leser:

Wo selbst die Eingeweihten zittern,
der Zukunft dunkle Zeiten wittern.
Wie setzt ihr geistig Wirken Zeichen,
wenn sie aus den Bezirken weichen?

Philosoph:

Der Dichter muss die Scherben kehren
und darf sich nicht um Kerben scheren!

Leser:

Einst oben ein Gefreiter stand,
der leider viele Streiter fand.

Dichter:

Wird einer so zum Herrn gekört,
bestimmt er, wer zum Kern gehört.

Philosoph:

Auch andere an Schranken denken,
und darauf folgt: Gedanken schränken!

Dichter:

Ihr könnt an andere Gesichter denken,
die ihren Blick nicht vor dem Dichter senken.
Ich möchte mir in meinen späten Jahren
nur schüttelnd reimend mühsam Jäten sparen.

Leser:

Wir sind vom Thema abgekommen,
der Dichter hat die Kapp genommen.

Philosoph:

Was denn der Geist des Webens lehrt?

Leser:

Mach selbst dein Leben lebenswert.
Humor, nicht ein paar Lagen bloß!,
macht mich von vielen Plagen los.

Gäbs Frohsinn nicht und Lachen weit,
mir wär's um das Erwachen Leid.

Erich Kykal 02.03.2017 23:52

Hi Fridolin!

Meisterlich! Auch lyrisch betrachtet.

Ich denke, ich weiß, was dich hier inspirierte: Das "Vorspiel auf dem Theater", einer der Prologe zu Goethe's Faust I. Jedenfalls fühlte ich mich sofort an dieses Gespräch zwischen Theaterdirektor, Dichter und Mephistopheles erinnert - und ganz und gar nicht unangenehm!

Sehr gern gelesen! :)

LG, eKy

Friedhelm Götz 03.03.2017 19:04

Hi Erich,

ja, das hast du schön erkannt, dass mir das Vorspiel zu Goethes Faust Vorlage war. Vielen Dank für dein Lob.

LG Fridolin

Dana 06.03.2017 18:20

Lieber Fridolin,

ich habe Faust von und mit Gustav Gründgens gesehen, noch gar nicht so lange her.
Ohne eKys Kommentar, gleich bei den ersten Strophen, hatte ich jene Bühnenbilder im Kopf.
Du hast Deine Inspiration "erfühlbar" und meisterlich dargestellt. Ein großes Kompliment an Dich.:Blume::Blume::Blume:
Ein großartiger Dialog zwischen Dichter, Philosoph und Leser.

Liebe Grüße
Dana

fee_reloaded 06.03.2017 18:44

Ein echtes Gustostückerl, lieber Fridolin!

Sehr gerne gelesen und fein geschmunzelt!


Ich find es wahrlich meisterlich
und einen Minderleister mich.

(...jedenfalls, wenn es auch nur ansatzweise ums Schütteln geht. Ich bin ja schon auf meinen Zweizeiler hier stolz...:D ).

Liebe, bewundernde Grüße,
fee

Jongleur 07.03.2017 01:22

Jo Fridolin,

Uneingeschränktes Kompliment auch von mir: ich finde deine Zeilen klug, formvollendet - und noch dazu wirklich witzig gereimt! Sehr schön auch das Fazit:

Zitat:

Gäb 's Frohsinn nicht und Lachen weit
Mir wär' s um das Erwachen leid
Ja, Jo, ciao

Friedhelm Götz 07.03.2017 14:57

Hallo Dana, Fee, Jongleur.

Ich danke euch herzlich für die lobenden Worte.

LG Fridolin


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