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Laie 21.10.2016 14:57

Eigene Scholle
 
“Es komme da, was irgend wolle.“,
so sagte er bestimmt zu ihr.
“Wir haben unsre eigne Scholle.
Hier bleiben und hier leben wir.“

Sie glaubte ihm. In reinster Freude
und tränenlächelnd drückte er
sie fest an sich. Dann wurden beide
erst alt, dann einsam, matt und leer.

Das Bild verschwimmt. Die letzten Mauern
der eignen Scholle sieht man kaum.
Ich stehe still. Mich greift ein Trauern.
Hier wohnte einst ein schlichter Traum.

Erich Kykal 21.10.2016 16:09

Hi Laie!

Schön bedichtet! Dass der Erzähler in S3 selbstreflektiv auftritt, verwirrt ein wenig, fragt man sich doch, in welcher Beziehung er zu den umrissenen Figuren steht. Ist "sie" es, die erst von sich in der dritten Person erzählte, oder ein Außenstehender, den all das zu Tränen rührt?
Auch der abrupte Zeitenwechsel zwischen S2 und 3 irritiert etwas.
Zum besseren Verständnis könnte man die letzte Strophe inhaltlich etwas umstellen:

Die Zeit steht still. Die letzten Mauern
der eignen Scholle sieht man kaum.
Das Bild verschwimmt. Mich greift ein Trauern.
Hier wohnte einst ein schlichter Traum.

Der Zeitenwechsel wird durch die unmittelbare Erwähnung der Zeit abgefedert und verständlicher. Das Verschwimmen des Bildes (Tränen) passt besser zum Trauern in Z3.
Der betonte Auftakt in der vierten Zeile wird auch durch eine kleine Umstellung entschärft.

In S1Z4 hätte man auch "Hier bleiben und hier leben wir!" nehmen können, was mir besser gefallen hätte.

S2Z1 hätte mir "In rein(st)er Freude" besser gefallen.

Sehr gern gelesen und mir Gedanken dazu gemacht! :)

LG, eKy

Laie 21.10.2016 16:54

Hallo eKy,

erst einmal vielen Dank für die vielen tollen Anregungen!

Zum Gedicht: Der Wechsel in der dritten Strophe ist wohl ohne Hintergrund wirklich etwas verwirrend. Aber ich denke, man kann ein Gedicht auch nicht immer so schreiben, bzw. will ich es manchmal auch gar nicht, dass sich der Leser ohne Überlegung sicher sein kann, um was es genau geht.
Die Geschichte ist die, dass in meiner Nachbarschaft ein leerstehendes Einfamilienhaus abgerissen wurde. An einer Hausmauer war eine Tafel angebracht, auf der "Eigene Scholle" stand. Der Abriss rührte mich irgendwie und ich machte mir Gedanken darüber, wie die Geschichte des Hauses wohl begonnen hätte... mit einem Liebespaar vielleicht. Das verschwimmende Bild gab es also nur in meinem Kopf.
Jetzt weiß ich, dass die "Eigene Scholle" wohl eine Baugenossenschaft ist. Das macht die Tafel viel weniger anrührend :D


Gruß,
Laie

Dana 23.10.2016 17:30

Hallo Laie,

auch wenn sich die "Eigene Scholle" als etwas "unromantisch" entpuppt hat, so kann ich die Inspiration und den romantischen Gedankengang sehr gut nachvollziehen. :)

Ich liebe es, irgendwo zu sein (Bahnhof, Flughafen, Cafe oder Einkaufspassagen) und Menschen beim Kommen und Gehen zu beobachten. Das könnte ich stundenlang, am liebsten mit meiner erwachsenen Tochter.
Dabei entstehen viele Geschichten, die wir uns auch erzählen. Manche sind unendlich traurig, manche leicht und manche richtig fies und gemein.:cool:
Dabei kommt es nie darauf an, ob wir uns auch nur annähernd in der Realität jener Leute bewegen - ganz im Gegenteil.:D

Jetzt weißt Du, warum mir die Eigene Scholle so gut gefällt.

Liebe Grüße
Dana

Laie 24.10.2016 11:09

Hallo Dana,

es freut mich sehr zu lesen, dass dir mein Gedicht gefällt :)

Ich beobachte auch gerne Menschen. Aber auch z.B. bei alten Gebäuden oder großen knorrigen Bäumen mache ich mir manchmal Gedanken darüber, was diese wohl schon alles gesehen haben. In diesem Fall ist daraus sogar ein Gedicht geworden.

Vielen Dank für deinen Kommentar!


Gruß,
Laie


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