Gedichte-Eiland

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Stachel 11.08.2015 17:33

Der Korb
 
Ein Korb hängt an der Decke, wird gehalten
von einem schwarzen Kabel, überdies
enthält er etwas, das ihn leuchten ließ,
bis jemand kam, das Licht hier auszuschalten.

Der Korb wird fürderhin nicht mehr enthalten
die Dinge, denen Raum in ihm man wies.
Als man das Kabel durch den Boden stieß
und ihn "erhängte", war's nur zum Gestalten.

So pendelt er, wenn ich ihn leicht berühre
an dieser schönsten aller schwarzen Schnüre,
die nicht nur hält, auch endlich wieder Saft,

der ihn erstrahlen lässt und seine kraft-
voll-warmweiß-milde Sonne mir erschafft,
enthält, dank einem Schalter an der Türe.

Falderwald 16.08.2015 18:07

Hi Stachel,

ja, was soll ich sagen?

Nettes kleines Sonett über einen Korb und das nützliche kleine Ding, das im Allgemeinen als Lichtschalter bezeichnet wird.
Den kann man an- oder ausknipsen, dafür ist er wohl gedacht.
Das ist eine sinnige Betrachtung der Dinge.

Allerdings erschließt sich mir in S2/Z2 die Aussage „denen Raum in ihm man wies“ nicht wirklich. Was ist damit gemeint?

Auch halte ich den Zeilenumbruch zum Ende des ersten Terzetts hin zur letzten Zeile des zweiten für problematisch, da sich das syntaktisch erst bei mehrmaligem Lesen erschließt.
Das ließe sich aber leicht beheben:

So pendelt er, wenn ich ihn leicht berühre
an dieser schönsten aller schwarzen Schnüre,
die nicht nur festhält, sondern auch den Saft,

der ihn erstrahlen lässt, enthält und kraft-
voll-warmweiß-milde Sonne mir erschafft,
dank einem Schalter an der Eingangstüre.

Vielleicht magst du ja über eine Lösung in dieser Art einmal nachdenken.

Insgesamt lässt mich der Text etwas ratlos zurück, denn er beschreibt ja etwas nicht sonderlich Weltbewegendes. :)


Gern gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald



Erich Kykal 17.08.2015 18:13

Hi, Stachel!

Was Faldi damit sagen wollte und was auch mir auffliel:

Die Thematik ist nicht das Entscheidende. Rilke konnte ganze Gedichte über eine einzige Rosenblüte, eine Gazelle, einen Apfelbaum, einen Schwan oder eine Hortensie schreiben. Von der Thematik eigentlich nix Besonderes, Pflanzen und Tiere eben - aber die Lyrik macht's! Seine Wortwahl, die Gleichnisse, seine Sprachfindung, der sanfte, fließende Duktus und sein unvergleichlicher Sprachklang machen diese eigentlich banalen Beschreibungen zu Exempeln vollendeter Dichtkunst! Weltbewegend, obwohl nichts Weltbewegendes beschrieben wird!

Dein Sonett hier - sorry to say - liest sich irgendwie eher wie ein gereimter, aber schlecht übersetzter Ikeabauplan für eine "Korblampe Smörre" oder so.
In gestelztem, auf pseudoedel gebürstetem Deutsch ("überdies", "fürderhin", "berühre") wird hier unnötig komplex und eher verwirrend die Nüchternheit eines Beleuchtungsmöbels abgefeiert, die zuletzt durch schwurbelnd umschriebene Elektrizität dem LyrIch zur pathetischen Licht- und Kraftquelle wird.
Das überzeugt nicht. Hier zündet ob der umständlichen Beschreibung kein emotionaler Funke, der den Leser mit dem Text verbinden würde. Das hinterlässt eher ratlos und unbefriedigt.

Aber nicht aufgeben: Übung macht den Meister! (Hättest mal MEINE frühen Sonette lesen sollen!:rolleyes::Aua) Vereinfache die Sätze, finde harmonisch klingende Wortfolgen mit klarem rotem Faden, verliere dich nicht zu sehr in Details und nimm etwas Pathos aus der Conclusio - nicht immer muss ein Werk, um gelungen zu sein, in einer Moral oder einer tiefgründigen philosophischen Weisheit gipfeln! Oft sind kleine Aha-Erlebnisse oder einfach ein schönes Bild zum Ausklang viel geeigneter, sich ins Herz und die Erinnerung der Leser zu senken.

Zuletzt: Ich will dich hier nicht vorführen oder mich selbst erhöhen. Ich schreibe nur ehrlich über meine Empfindungen, damit dem Autor verständlich wird, wie sein Werk - zumindest auf mich - wirkt. Ich hoffe, du verstehst das.

LG, eKy

Stachel 22.08.2015 13:55

Lieber Falderwald, lieber Erich,

ich danke sehr für eure ehrlichen, wenn auch leicht verstörten/ratlosen Antworten.
Letzteres war nicht meine Absicht, zeigt aber eine interessante Wirkung.

Ihr habt sehr schön die beiden wesentlichen Punkte herausgearbeitet:
1. Es geht um einen profanen Alltagsgegenstand: eine Korblampe
2. Die von mir genutzte Sprache ist total verschwurbelt und umständlich.

Für den zweiten Punkt habe ich nicht nur über die Maßen geschachtelt, weshalb auch (@Falderwald), der Satz über die beiden Terzette genau so bleiben sollte. Du hast ihn zwar gekonnt vereinfacht, aber das läuft meiner Intention zuwider. ;)
Das Mittel der Übersteigerung findet sich auch in Formulierungen, wie z.B. "schönsten aller schwarzen Schnüre", V10

Zitat:

Zitat von Falderwald (Beitrag 86103)
Allerdings erschließt sich mir in S2/Z2 die Aussage „denen Raum in ihm man wies“ nicht wirklich. Was ist damit gemeint?

Bei dem Korb, der dieser Lampe nun als Schirm dient, handelt es sich üblicherweise um einen Behälter. Es wurden vormals Dinge hineingelegt.

Als man den Korb umfunktionierte, wurde er zum Designelement (V7,8).
Von nun ab (V5) wird er keine Dinge mehr enthalten, die man ihn ihn hineinlegen kann (V6). Man kann keinen Dingen (außer dem Leuchtmittel o.ä.) mehr ihren Platz/Raum in diesem Korb zuweisen, also diesen ehemaligen Behälter als Aufbewahrungsort für sie bestimmen.

Auch hier sollte es schön schwurbeln. ;)


Zitat:

Zitat von Erich Kykal (Beitrag 86133)
Rilke konnte ganze Gedichte über eine einzige Rosenblüte, eine Gazelle, einen Apfelbaum, einen Schwan oder eine Hortensie schreiben.

Das konnte er wohl. Jetzt weißt du ja, dass ich es mit seiner "lyrischen Art" nicht so habe. Für mich ist es vor allem Geschwurbel. Ich schwurbel sprachlich allerdings total anders, nämlich vor allem mit Schachtelsätzen.
So ist es hier geschehen. Geschwurbel über Profanes.

Zitat:

Zitat von Erich Kykal (Beitrag 86133)
Dein Sonett hier - sorry to say - liest sich irgendwie eher wie ein gereimter, aber schlecht übersetzter Ikeabauplan für eine "Korblampe Smörre" oder so.

Zu entschuldigen gibt es zwar nichts, ich begrüße euer beider Ehrlichkeit und eure fachliche Auseinandersetzung ganz ausdrücklich, aber dem Bild mit dem Bauplan kann ich nicht zustimmen. Der wäre nämlich vor allem eines: leicht lesbar. Mindestens aber müsste er Handlungsanweisungen enthalten.

Zitat:

Zitat von Erich Kykal (Beitrag 86133)
In gestelztem, auf pseudoedel gebürstetem Deutsch ("überdies", "fürderhin", "berühre")

Wieso du "ich berühre" in diese Reihe setzt, verstehe ich nicht. Die anderen beiden hast du allerdings genau richtig charakterisiert. :cool:

Zitat:

Zitat von Erich Kykal (Beitrag 86133)
Das überzeugt nicht. Hier zündet ob der umständlichen Beschreibung kein emotionaler Funke, der den Leser mit dem Text verbinden würde. Das hinterlässt eher ratlos und unbefriedigt.

Und damit beschreibst du haargenau das, was ich bei Rilke so oft empfinde. Ich hege allerdings Hoffnung. Ich weiß aus Gesprächen, dass ich damit nicht alleine stehe. Vielleicht finden sich hier in der virtuellen Welt ebenfalls Leute, die Spaß am "Schwurbeln" haben und eine gewisse Ironie in den Versen ausmachen können.

Zitat:

Zitat von Erich Kykal (Beitrag 86133)
Zuletzt: Ich will dich hier nicht vorführen oder mich selbst erhöhen. Ich schreibe nur ehrlich über meine Empfindungen, damit dem Autor verständlich wird, wie sein Werk - zumindest auf mich - wirkt. Ich hoffe, du verstehst das.

Achwas, ich begrüße deine ausführlichen und tiefgründigen Hinweise ausdrücklich! Das gilt natürlich auch für Falderwald. Ihr beide zwingt mich dazu, mir über die Intention des Gedichtes genauere Gedanken zu machen. Was ist es? Ist es Satire? Verballhorne ich Rilke? Nehme ich ihn - mit anderen sprachlichen Mitteln - auf die Schippe?
Kunst muss/darf/soll verstören und zu Diskussionen und Auseinandersetzungen anregen. Das habe ich geschafft. Ist das Gedicht somit Kunst?

Ihr gebt mir wichtige Rückmeldungen zur Wirkung der Worte auf euch. Ihr fordert Erklärungen ein und bringt mich dabei meinem Text kritisch näher. Dieser Austausch ist mir sehr wichtig und er stellt dar, was mir an anderen virtuellen Orten meist fehlt. Manches kann ich erklären und verteidigen, manches werde ich besser korrigieren. In diesem Fall überwiegt die Verteidigung. :D:cool:

Ich danke euch herzlich und hoffe, ich konnte euch das Gedicht erhellen.

Freundliche Grüße vom
Stachel

PS: Da ich die Fragen aufgeworfen habe und nicht unbeantwortet lassen wollte, hier noch meine Meinung:
Ja, es ist Kunst. Mir gefällt es sogar deutlich besser als besagte Gazelle, was wohl aufgrund meiner Nähe zu meinen eigenen Texten kein Wunder ist. Nach längerer Überlegung würde ich das Gedicht als eine Art Dinggedicht mit parodistischen Zügen kategorisieren. Generell tue ich mich aber mit Kategorien oft schwer. Schubladen können ja so beengend sein. :)

Erich Kykal 23.08.2015 15:09

Hi, Stachel!

Da bin ich erleichtert!

Wie allerdings jemand die sprachliche Schönheit, den inhaltlichen wie phonetischen Fluss und die natürliche Eleganz von Rilke's Texten nicht erkennen kann und sie als "Geschwurbel" abtut, das er mittels so eines Textes zu persiflieren versucht, werde ich nie begreifen können!:rolleyes::Aua

Lass dir an dieser Stelle von jemandem versichern, der ein Gefühl dafür hat: Dein Text ist MEILENWEIT von Rilke's Poesie entfernt, ob er dir aufgrund der persönlichen Nähe nun besser gefällt oder nicht (diese Behauptung bestärkt mich vielmehr in der Überzeugung, dass du für diese Art Lyrik eben keinerlei Ohr und Gespür hast!).

Sei es, wie es sei - das ist eben lyrische Vielfalt!

LG, eKy

wolo von thurland 23.08.2015 15:42

Das ist ein Gedicht von Rilke...
 
...und es enthält mMn alles, was Erich Kykal an der Modernen Lyrik auszusetzen beliebt. Und ausnahmsweise ginge ich da mit diesem einig, denn das Folgende betrachte ich als rabenschwarzen Fehlgriff des grossen Lyrikers. Das Spannendste daran finde ich die ziemlich happige, ziemlich (un-)verblümte Erotik, welche den Text für Rilkes Verehrerinnen einst wohl prickelnd machte.

Feigenbaum, seit wie lange schon ists mir bedeutend,
wie du die Blüte beinah ganz überschlägst
und hinein in die zeitig entschlossene Frucht,
ungerühmt, drängst dein reines Geheimnis.
Wie der Fontäne Rohr treibt dein gebognes Gezweig
abwärts den Saft und hinan: und er springt aus dem Schlaf,
fast nicht erwachend, ins Glück seiner süßesten Leistung.
Sieh: wie der Gott in den Schwan....... Wir aber verweilen,
ach, uns rühmt es zu blühn, und ins verspätete Innre
unserer endlichen Frucht gehn wir verraten hinein.


Um auf dein Gedicht, Stachel, zu kommen: Mein Zitat zeigt vielleicht auch auf, dass deine Verkürzungen und Übersteigerungen mehr Stachel als Rilke sind.

Hoffe, das geht als Beitrag durch.
Gruss
wolo

Stachel 13.09.2015 11:07

Zitat:

Zitat von Erich Kykal (Beitrag 86185)
Hi, Stachel!

Da bin ich erleichtert!

Wie allerdings jemand die sprachliche Schönheit, den inhaltlichen wie phonetischen Fluss und die natürliche Eleganz von Rilke's Texten nicht erkennen kann und sie als "Geschwurbel" abtut, das er mittels so eines Textes zu persiflieren versucht, werde ich nie begreifen können!:rolleyes::Aua

Vielleicht muss ich hier noch ein kleines Missverständnis aufklären:
Mein Gedicht ist nicht als Persiflage oder Satire, schon gar nicht auf Rilke im besonderen, angelegt gewesen.
Ich hatte in meiner Erläuterung zuerst immer "Rilke (u.a.)" stehen, dann aber zur besseren Lesbarkeit "(u.a.)" weggelassen, weil ich annahm, dass Rilke als Beispiel reichen würde.

Mir ging es darum, ein recht profanes Ding auf eine Art und Weise zu beschreiben, die ich als Geschwurbel bezeichnen würde. Dazu habe ich umständliche, verschachtelte und mit angestaubten Wörtern angefüllte Sprache benutzt.

Auf eure Nachfragen hin, habe ich versucht, das Gedicht von außen betrachtet einzuordnen und bin zu dem von mir dargestellten Ergebnis gekommen: Ich schwurbel sicher auch deswegen, weil ich in anderer Dichter Werke so viel unverständliches Zeug lese. Das betrifft Rilke nur neben vielen anderen. Vor allem aber schwurbel ich gerne. :D
Da sich das Gedicht ganz ohne Zweifel selbst nicht absolut ernst nehmen soll, fragt sich also, was es denn sein könnte. In meinen Augen bleibt nur eine Art Persiflage übrig. Es ging also weniger darum, eine möglichst poetische Sprache zu finden, die eine hohe Kunst beanspruchen will. Gleichsam hält ein Geschwurbel um des Geschwurbels willen automatisch jedem anderen, auch hochpoetischen, Geschwurbel den Spiegel vor.
Es schreit quasi: Kompliziert kann ich auch! :cool:
Die eingesetzten Mittel der Überhöhung sind typisch für Persiflagen und Satiren, so dass ich das Gedicht letztendlich hier einordnen würde, ohne, dass die Initialintention in diese Richtung ging. Ich finde schwurbeln einfach sehr erfrischend.

Zitat:

Zitat von Erich Kykal (Beitrag 86185)
Dein Text ist MEILENWEIT von Rilke's Poesie entfernt, ob er dir aufgrund der persönlichen Nähe nun besser gefällt oder nicht (diese Behauptung bestärkt mich vielmehr in der Überzeugung, dass du für diese Art Lyrik eben keinerlei Ohr und Gespür hast!).

Da bin ich heilfroh, denn auch wenn dich das in deinen Grundfesten erschüttert: Ich halte (u.a.) Rilke für weit überbewertet. :)

Zitat:

Zitat von Erich Kykal (Beitrag 86185)
Sei es, wie es sei - das ist eben lyrische Vielfalt!

... und das ist genau der springende Punkt. Darauf lasse ich mich gerne ein. Die Welt ist bunt, die Geschmäcker sind es auch. Letztlich ist es ein "agree to disagree". :Blume::Blume:

Zitat:

Zitat von wolo von thurland (Beitrag 86187)
Um auf dein Gedicht, Stachel, zu kommen: Mein Zitat zeigt vielleicht auch auf, dass deine Verkürzungen und Übersteigerungen mehr Stachel als Rilke sind.

Ich bin mir nicht sicher, ob das jemals außer Frage stand. Ich strebe Rilke nicht nach. Das ist Erichs Welt. Ich kenne aber darüber hinaus auch keinen anderen Dichter, dem ich stilistisch allzu ähnlich bin. In meinen Augen ist das kein Nachteil. :cool:

Freundliche Grüße vom
Stachel


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