Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 30.08.2012 18:47

Gleichnis
 
Kommt einer und sagt: "Diese Erde ist flach
- wie sie's vor Jahrhunderten war -
nun wieder, weil ich dies so willentlich sprach,
und siehe: Es ist wieder wahr!"

Was tust du, was sagst du, was antwortest du?
Wie bietest du jenem die Stirn?
Vielleicht etwa so: "Gib endlich mal Ruh,
du Leugner von Fortschritt und Hirn!"

Doch nein, das wäre ja intolerant!
Der Gutmensch ist solchem abhold!
Wer obiges äußert, wird schnellstens verbannt,
denn Vielfalt ist gut und gewollt!

Was tut nun der Irre? Er schult seine Brut
und prügelt es ihnen gut ein:
"Die Erde ist flach, und zwar ohne Disput!
Sie darf nie etwas anderes sein!

Geht hin und lehret mein Wort alle Welt,
wenn nötig mit Feuer und Schwert!
Dem Ketzer nur dieses: Die Klinge, sie fällt,
wirst du nicht zum Glauben bekehrt!"

Was tust du, was sagst du, was antwortest du?
Dafür ist es lange zu spät!
Der Wahnsinn regiert und die Münder sind zu,
damit sich nur keiner verrät!

Deine eigenen Kinder, sie baumeln am Ast,
weil man sie die Wahrheit lehrte,
und weil du zur Unzeit geschwiegen hast,
als ein Unmensch die Menschen bekehrte!

Falderwald 02.09.2012 11:31

Servus Erich,

da ist das alte, leidige Thema wieder und ich kann deinen Ausführungen nur zustimmen.

Und wie ich sehe, bewegt dich dieses Thema ebenso stark wie mich selbst.

In diesem Zusammenhang möchte ich dir und jedem an diesem Thema Interessierten eine Buchempfehlung aussprechen:

Ludwig Feuerbach - "Das Wesen des Christentums".

Dieses Buch lese ich gerade und es liefert die Basis einer rational nachvollziehbaren Religionskritik.

Feuerbach führt den Beweis darüber, daß die Religion lediglich eine anthropologische Philosophie ist, d. h. nicht Gott hat den Menschen erschaffen, sondern die Begriffe "Gott" und "Jenseits" sind aus menschlichen Wünschen und Hoffnungen entstandene Fantasiegebilde.

Dieses ganze Konstrukt steht der Bildung und der Vernunft entgegen, weil der Mensch alle positiven menschlichen Fähigkeiten lediglich personifiziert und in einem über den Menschen stehenden höheren Wesen vereinigt.

Und so verstehe ich auch deinen Text, es wird ein Dogma vertreten, von dem es keine Abweichung gibt.
Wissenschaftliche Erkenntnisse sind Gift für diese Fantasien, weil sie die Lehren als reine Hirngespinste und Fantasien entlarven.
Die Erde ist eben eine Scheibe und das steht fest.
Und wer an dieser Erkenntnis rütteln will, der wird gegebenenfalls eben mit Waffen bekämpft und ausgerottet.

Ja, so entlarvt sich die Religion als eigennütziger Egoismus, denn es ist ja bequem und dem menschlichen Gemüte entsprechend, die Verantwortung für alles Handeln auf ein anderes Wesen zu übertragen.

Da könnte ich jetzt noch stundenlang drüber schreiben, das würde aber letztendlich den Rahmen des vorliegenden Gedichtes sprengen und ich bin gerade selbst an einer entsprechenden Abhandlung über dieses Thema am arbeiten.

Ich stimme deinem Text also in allen Punkten unumschränkt zu, obwohl er sicherlich nur einen Teil der angesprochenen Thematik zum Ausdruck bringen kann. Ansonsten hätte das Gedicht wohl noch einige hundert Strophen länger sein müssen. ;)

Mein Fazit hieraus ist wieder einmal:

Lasst die Kinder in Ruhe mit Religion.
Religion gehört nicht als Unterrichtsfach in die Schulen, sondern sollte bestenfalls in den einschlägigen Religionsinstitutionen gelehrt werden.

Aber am besten nicht vor dem 16. Lebensjahr, damit die jungen Menschen erst einmal ungestört von all diesen giftigen Geisteseinflüssen die Welt aus eigener Erfahrung entdecken können.
Ansonsten wird ihnen die Möglichkeit einer freien Geistesentfaltung verwehrt.
Aber genau das ist ja das Schändliche, was jede Religion praktiziert und damit das Verabscheuungswürdige dieser verlogenen, auf reinen Fantasien und moralischen Besserwissereien aufgebauten Ideologien auszeichnet.

Und deshalb: Niemals aufhören, sondern immer wieder die Unsinnigkeit solchen Aberglaubens in das Bewusstsein der Menschen rücken.
Mehr können wir zwar nicht tun, aber es ist immer noch besser, als zu diesem Thema zu schweigen oder gar aus Toleranzgründen diese gefährlichen Fantasien im Duktus der Gutmenschen noch zu fördern.

Noch ein letztes Wort an all diese toleranten Gutmenschen:

Sollte sich eure Gesinnung eines Tages wirklich durchsetzen, werdet ihr einen sehr hohen Preis für eure Gesinnung bezahlen.
Der Preis dafür nämlich ist eure und eurer Kinder Freiheit.
Denn die, die ihr so vehement unterstützt und toleriert, werden es euch nicht mit der gleichen Toleranz vergelten. Das verbietet ihnen schon ihre Ideologie und ihr alles andere verachtender Glauben.

Und das ist so sicher, wie das sprichwörtliche Amen in all euren Illusionstempeln der Lüge und Menschenverblödung.


In diesem Sinne gerne gelesen und zustimmend kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Erich Kykal 02.09.2012 16:49

Hi, Faldi!

Danke für deinen ausführlichen Kommi, der mir aus der Seele spricht! Ich möchte nur hinzufügen, dass dieses Gleichnis ebenso für alle restriktiven oder totalitären politischen Systeme gilt, denn die folgen in etwa denselben Grundzügen wie radikalisierte Religionen.

In einem anderen Forum (grün!) sagte ich meine freie Meinung über Religionen in einem Faden zu einem quasireligiösen Gedicht. Man unterstellte mir andeutungsweise - im Brustton der Überzeugung demokratischer Toleranz - diesbezüglich ebensolchen Fanatismus wie beispielsweise radikalen Moslems. Darob musste ich dieses Gedichtlein schreiben! Es mag keine lyrische Großtat sein, aber es hat einfach nur gut getan! :D

Im grünen Forum äußerte ich meine Ansichten zum Thema Religion, worauf man mir ebenfalls Fanatismus unterstellte. Ich solle doch lieber schweigen, wenn ich nichts Gutes zu sagen wüsste. Abgesehen davon, dass so eine übertolerante, betont demokratische Einstellung von den Irren dieser Welt bestenfalls als ausnützbare Schwäche ausgelegt wird (genau so ein "Schweigen" machte einen Hitler groß!), hat man in einem freien Land das Recht, frei seine Meinung zu äußern, auch wenn sie manchen nicht gefällt. Die Radikalen dieser Erde haben damit KEIN Problem, und niemand käme auf die Idee, sie diesbezüglich maßregeln zu wollen - man weiß, die "sind einfach so". Aber wenn man als "Vernünftiger" mal das Maul aufmacht, wird man sofort in dieselbe Ecke gestellt und gerügt. Wie in der Schule: Jeder macht "PSSST" zum einzigen Unkonformen, um den wütenden Lehrer nicht noch mehr zu verärgern...

Dieses Gedicht ist NICHT verallgemeinernd. Es richtet sich zielgenau gegen Verhetzer und Manipulatoren, sei es in religiöser oder politischer Hinsicht, und gegen ein falsch verstandenes, übervorsichtiges Toleranzprinzip, das jegliche abstruse Dummheit und jede Lüge als "andere Meinung" oder "anderen kulturellen Hintergrund" akzeptiert, um nur ja auf keine (oft bewusst untergeschobenen) Zehen zu treten! Ich finde das FALSCH! Was eindeutig unrichtig ist und den Menschen schadet, sie im Namen von hirnloser Tradition oder sturem Beharren auf überkommenden Vorstellungen zurückwirft ins unfreie Mittelalter oder sie durch Furcht und Einschüchterung davon zu überzeugen sucht, MUSS angeprangert, zumindest aber ausgesprochen werden dürfen. Kennst du Dürrenmatt's "Biedermann und die Brandstifter"?

Das Problem liegt darin, dass menschliche Gemeinschaften sich meist genau darüber definieren: "Wir sind, was wir glauben, und deshalb sind "die anderen" nicht wir."
Nennt es Tradition, Kultur, Glaube, Regierungssystem - letztlich dient all das nur dem Zusammenhalt eines wie auch immer funktionierenden Systems, das sich über seine Geschichte und Vergangenheit in eine mögliche Zukunft seines Weiterbestehens projiziert.
Wer kommt und sagt: "Dies ist falsch, ist es immer gewesen und wird es immer sein!" rüttelt also an den Grundfesten jeglicher Gemeinschaft, stellt ihre Identität in Frage. Vielen macht dies große Angst - sie wollen (selbst wenn sie es als Einzelne irgendwie wissen oder zumindest ahnen, dass sie einem Blödsinn glauben) lieber gemeinschaftlich einer Lüge folgen, die sie wenigstens verbindet, als allein nach einer objektiveren Weltsicht suchen zu müssen.
Die Menschheit als solche suchte nie wirklich nach Objektivität - nur nach Sicherheit! Und alles, was uns sicherer fühlen lässt, wird gern als "Wahrheit" akzeptiert und über die Generationen weitergetragen, der Beständigkeit, Sicherheit wegen, die es vermittelt.
Darum ändern sich diese Dinge nur sehr langsam, und nur durch mehrheitliche Einsicht, nie durch gewaltsame Revolution:
Beispiel UDSSR: Dort war Religion Jahrzehnte verpönt, man versuchte, die Jugend anderweitig zu indoktrinieren, wetterte wider diese überkommenen Inhalte und versuchte sie durch den Glauben an den Kommunismus zu ersetzen. Hat es funktioniert? Nein.
Kaum war das aufgezwungene System zusammengebrochen, blühten die orthodoxen Klöster und Kirchen wieder auf.
Dass überhaupt manche heutzutage so denken können wir wir (zumindest ansatzweise) freien Geister, verdanken wir Jahrhunderten der Aufklärung und der geduldigen, logischen Widerlegung erwiesener Irrtümer durch fundierte Erklärung und Diskussion. Es ist ein mühsamer, steiniger Weg, aber der einzig gangbare.
Deshalb werde ich nie müde werden, meine Ansicht zum Besten zu geben: Wenn nur EINER, der dies liest, die selbstgewählten engen Grenzen seines Weltbildes hinterfragt, habe ich mir die Mühe schon nicht umsonst gemacht! Aber das kann dauern...



LG, eKy

Dana 02.09.2012 20:48

Lieber eKy,

Zitat:

Zitat von Erich Kykal
Beispiel UDSSR: Dort war Religion Jahrzehnte verpönt, man versuchte, die Jugend anderweitig zu indoktrinieren, wetterte wider diese überkommenen Inhalte und versuchte sie durch den Glauben an den Kommunismus zu ersetzen. Hat es funktioniert? Nein.
Kaum war das aufgezwungene System zusammengebrochen, blühten die orthodoxen Klöster und Kirchen wieder auf.

Und wenn diese "wohlerzogene" Jugend in einer Kirche die Politik kritisiert, dann wird sie ausgerechnet in diesem Land wegen "Verletzung" und "Beleidigung" der Gläubigen ins Gefängnis gesteckt.

Dein Gedicht verstehe ich auch übergreifend und verstehe nicht, dass immer und überall ein "Massenzuspruch" stattfindet (Politik, Religion, Modediktat und a.)

Zitat:

Zitat von Erich Kykal
Deshalb werde ich nie müde werden, meine Ansicht zum Besten zu geben: Wenn nur EINER, der dies liest, die selbstgewählten engen Grenzen seines Weltbildes hinterfragt, habe ich mir die Mühe schon nicht umsonst gemacht! Aber das kann dauern...

Das wird dauern. Ich habe an mir selbst erfahren, wie schwer es ist ein von Kind an eingeprägtes Dogma überhaupt zu hinterfragen und dann auch noch abzulegen.

Ich denke, es wird noch sehr lange dauern. Aufklärung allein ist ein Schritt.
Erst wenn es kein Wenn und Aber gibt, sondern ausschließlich eine "menschliche Gemeinschaft", die sich auch als solche versteht, werden Dogmen und Visionen nur in Grüppchen stattfinden.
Man bedenke, dass eine Aufklärung kaum noch Macht oder Gewinne bringt, so wie sie bislang verstanden werden.:cool:

Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal 03.09.2012 16:55

Hi, Dana!

Das mit dem "Massenzuspruch" ist leicht zu verstehen: Der Mensch ist nun mal ein Rudeltier, und damit so ein Rudel (oder Herde, das hört die Kirche lieber - Muuuuh und Määähhh!) funktionieren kann, muss man sich auf ein paar kleinste gemeinsame Nenner einigen.
Je mehr Gemeinsamkeiten man findet, desto fester ist der Zusammenhalt dieser Gemeinschaft, und damit für den einzelnen beruhigender, sicherer.
Man ordnet also diesem Gemeinschaftsgefühl zuliebe viele Aspekte der eigenen Person willig unter. ZB Parteiprogramme: Kaum einer wird mit ALLEN Punkten, die die von ihm gewählte Partei verwirklichen will, einverstanden sein. Aber man sucht sich "das geringste Übel" aus und hofft, dass die meisten der Punkte, die man selbst unterstützt, umgesetzt werden, und die meisten der abgelehnten Punkte vielleicht dann doch nicht. Vage Hoffnung reicht schon...
Und so entstehen auch diese großen scheinbaren Übereinstimmungen. Sie werden ein Gutteil "mitgetragen", ob sie nun wirklich gefallen oder nicht. Das Wesentliche liegt in der Bestätigung der Gemeinschaft: WIR finden das gut, WIR lehnen dies ab,...
Wie oben gesagt: Menschliches Verhalten hat mit Objektivität nicht viel zu tun. Das ist entwicklungsgeschichtlich bedingt - gegen Hunger, Feinde, Wölfe, Bären und Säbelzahntiger half eben die Gemeinschaft, nicht die prinzipientreue Ehrlichkeit...;):D

LG, eKy


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