Gedichte-Eiland

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Walther 05.03.2013 12:03

Sie spreizen ihre Verse über Leere
 
Sie spreizen ihre Verse über Leere:
Ein hohler Klang verrauscht im Raum aus Nichts.
Und wähnen sich olympisch, nah des Lichts,
Doch wartet das Vergessen an der Kehre.

Man muss die Sprache lieben, des Gewichts,
Das Dichter tragen, sich bewusst sein. Ehre
Und Wissen, was die Lyrik stärke, mehre:
Sie sind‘s, die man vermisst. Zu oft gebricht’s

Am Kleinsten schon: An der Bescheidenheit;
Auch an der Freude an geringen Siegen,
Wenn es gelingt, dass Schmetterlinge fliegen
Und Seelen singen: Dichtung, die befreit!

Nur Hüllen, Schwulst, weil keine Töne schwingen,
Das sind sie: Lyrik lässt sich nicht erzwingen.

Thomas 06.03.2013 22:08

Hallo Walter,

leider ist das etwas sauer geraten, mir fehlt etwas die Ironie und Leichtigkeit, oder aber das Erhabene. Ich glaube nämlich, dass man mit der Poesie im Grunde nur auf zwei Arten Menschen bewegen kann. Entweder durch (Selbst)Ironie und Komik, oder indem man sie packt und über sich selbst erhebt und größer macht, als sie sind. Einfaches Quengeln erzeugt nur Unwohlsein und Widerstand.

Ich habe mich früher oft und heftig über poetisch-sein-sollende Wortblasen geärgert. Inzwischen ignoriere ich sie und versuche einfach selbst etwas zu tun, was mir Spaß macht.

Du versuchst, wenn ich es richtig sehe, insbesondere nach der ersten Strophe, etwas Falsches, eben genau dieses Gespreizte, nachzumachen. Aber das ist sehr, sehr schwierig und es ist dir meiner Meinung nach nicht gelungen. Als Vorbild denke ich da an Mozarts "musikalischen Spaß", ein Stück, in dem er die Kompositionsfehler der Kollegen so auf die Schippe nimmt, das man schmunzelt. Das ist ihm gelungen. Er stand halt völlig souverän über der Sache.

Liebe Grüße
Thomas

Walther 07.03.2013 11:03

lb. thomas,

das ist weder noch erhaben. es beschreibt u.a. auch mein autorenschicksal. wir versuchen uns, glauben, wir seien zu besonderem fähig und schaffen es nicht einmal, schmetterlinge fliegen zu lassen.

ich denke schon, daß man die trauer aus dieser erkenntnis herauslesen darf.

lg w.

Thomas 07.03.2013 11:49

Liebe Walter,

das Schmetterling-Bild ist in der Tat sehr schön. Die Trauer und den Selbstbezug habe ich leider nicht gesehen, wahrscheinlich weil mir das einleitende "sie" (was kurz davor durch das "Zu oft gebricht’s" aufgegriffen wird) die Sicht dafür verdeckte.

Diese ärgerliche Unzufriedenheit mit sich selbst kenne ich sehr wohl. Aber was soll man machen? Poesie ist halt ein Dialog mit den großen Dichtern der Vergangenheit (und den Menschen von heute natürlich).

Liebe Grüße
Thomas

Walther 11.03.2013 13:33

moin thomas,

als schreiberling fabuliere ich immer wieder über das schreiben und die schreibenden und stelle fest, wie sehr wir auf der messers schneide tanzen. der absturz ist uns gewiß. ob gutes, erhebendes glückt, bleibt unserem fleiß, unserem mühen und dem schicksal überlassen.

lg w.

Erich Kykal 07.07.2018 00:09

Hi Walther!

Bin zufällig über diese "alte Perle" gestolpert. Wie kann man ein so schönes Werk schaffen und mit dem Schaffen an sich unzufrieden sein?
Also MEINE Schmetterlinge SIND geflogen, als ich dies gelesen habe! :Blume::)

Sehr gern gelesen!

LG, eKy

Erich Kykal 07.07.2018 21:15

Hi BR!

Nicht jeder hat ein Problem mit strophenübergreifenden Enjambements - ich sicher nicht, schon gar nicht, wenn sie sprachlich so hoch elaboriert sich wie hier.
Und zu guter Lyrik gehört mehr als solche Enjambements, die ich hier übrigens gar keiner Erwähnung wert fand, weil sie keineswegs störend auf mich wirkten - eher im Gegenteil. Eine gekonnte Verbindung lyrischer Einheiten kann Sprachfluss und -dynamik eines Werkes sogar nachhaltig befördern!

Soweit es mein Verständnis betrifft, können Strophen durchaus auch mal nur rhythmische Einheiten sein, den Text optisch und nach Reimschema gleichmäßig bündelnd - dass mit jeder Strophe zwangsläufig immer auch eine Sinneinheit abgeschlossen werden MUSS, ist kein lyrisches Dogma - die gibt es nämlich zum Glück nicht. Zumindest nicht für solche, die wirklich kreativ arbeiten und bereit sind, eine Wirkung vor die behauptete Unverrückbarkeit einer Form zu stellen.

Dass du das heute nicht mehr machst und verwerflich findest, kannst du einem anderen Autor wohl kaum zum Vorwurf machen - ich sage das, weil es hier so formuliert wurde, dass es leider ziemlich genau danach klingt.
Aber subjektives Werturteil ist ja nicht verboten, auch wenn es bezüglich lyrischer Aufarbeitung nichts bringt.
Solche sinnlosen Wasserstandsmessungen persönlichen Gustos sind kontraproduktiv und ziehen, wenn sie so formuliert sind wie hier, letztlich nur den Angesprochenen runter, wenn er das zulässt, weil sie seinem lyrischen Schaffen eine bestimmte Wertigkeit einfach so absprechen, und das auf der Basis bloßen subjektiven Geschmacks.

Kann sein, dass ich selbst nicht ohne Fehl bin und des öfteren durchaus mal Ähnliches vom Stapel gelassen habe, ohne es bewusst zu merken - ich wollte nur festhalten, was mir hier aufgefallen ist.

LG, eKy

Walther 10.07.2018 12:32

Hallo BlackRaziel und eKy,

besser machen kann man alles. daher ist kritik immer hilfreich. man gestatte mir, daß ich eher eKy zustimme, aber nicht, weil ich der autor bin. das gedicht ist schon 5 jahre alt, und da hat man distanz zum eigenen text.

wir sind alle übende - und bleiben das, bis uns die tinte ausgeht. es gibt immer nur näherungen an die perfektion. und es gibt den moment, in dem uns ein kollege sagt: das ist gut. und natürlich darf ein anderer kollege dann sagen: das ist schlecht.

ich würde den text sicherlich heute anders schreiben - aber sicherlich geht uns das allen so, daß sujet und perspektive, aber auch die art des schreibens sich ändern.

dank an dich, eKy, daß du dieses sonett nach Shakespeare art wiedergefunden und herausgehoben hast. dank an dich, BlackRaziel, daß du diesem alten text deine zeit gewidmet hast.

zur kritik eine anmerkungen: gerade sonette mit ihren fünf- und sechshebigen metren haben eine starke tendenz zum leiern, wenn man keine enjambements benutzt. ich versuche, dieses leiern aus gutem grund zu umgehen, denn meine gedichte sind zum vortrag gemacht, nicht zum stillen lesen.

lg W.

Walther 10.07.2018 17:58

Zitat:

Zitat von Black Raziel (Beitrag 114310)
Ich muss sagen, dass ich meine Wortwahl in meiner Kritik auch nicht gut fand. Verzeihung. Sie war dem Stress geschuldet. Ich wollte letztlich nur sagen, dass ich es für sinnvoll befinde, dass optische Textenden die inhaltlichen Textenden wiederspiegeln.

Hallo mein lieber, nix passiert, alles gut. lg W.:Blume:


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