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Chavali 05.07.2018 10:29

Sterbende Sonne
 


Du sterbende Sonne
im Abendlicht,
so fürchte nicht deinen endlichen Tod,
und wenn auch dein goldener Strahlenkranz bricht,
erwachst du im frühenden Morgenrot.

Bis dahin erfreu dich am Sternengefunkel,
das gleich einem Lichtkranz dein Kleid zart umspielt,
und langsam bedeckt dann das blaue Gedunkel
die Welt und den Himmel bis Nacht uns gestillt.


************************************

Strophe 1 nach Erich Kykal

Du sterbende Sonne im Abenderhellen,
so fürchte nicht diesen bemessenen Tod,
verebben auch deine belebenden Wellen,
erwachst du doch bald in erhabenem Rot.


Erich Kykal 05.07.2018 13:34

Zitat:

Zitat von Chavali (Beitrag 114212)


Du sterbende Sonne
im Abendlicht,
so fürchte nicht deinen endlichen Tod,
und wenn auch dein goldener Strahlenkranz bricht,
erwachst du im frühenden Morgenrot.

Bis dahin erfreu dich am Sternengefunkel,
das gleich einem Lichtkranz dein Kleid zart umspielt,
und langsam bedeckt dann das blaue Gedunkel
die Welt und den Himmel bis Nacht uns gestillt.

Hi Chavi!

Gefühlvoll und intensiv, aber leider mit ein paar lyrischen Mängeln. ZB. S1Z2: Nach deiner Version läse sich die Zeile, korrekt nach dem Verstakt von Z1 betont, so:

Du sterbende Sonne im Abendlicht,"
xXxxXxxXxX
"so fürchte nicht deinen endlichen Tod,"

Bei "endlichen" stolpert man, weil die korrekte Betonung so schräg klänge.

S1Z3 ändert das Schema:

"und wenn auch dein goldener Strahlenkranz bricht,"
xXxxXxxXxxX

Hier kommt plötzlich eine unbetonte Silbe hinzu.
Z4 entspricht wieder dem Schema von Z1. Alle Zeilen kadenzieren männlich.


S2Z1 ändert nun neben der Zusatzsilbe auch die Kadenz:

"Bis dahin erfreu dich am Sternengefunkel,"
xXxxXxxXxxXx

Der Rest von S2 folgt dem "neuen" Schema mit alternierender Kadenz wmwm.


Dank der erwähnten Mängel holpert es zuweilen doch beim Lesen. Es stellt sich die Frage, welche Str. man welcher angleichen sollte, um sauberen Takt herzustellen. Besser xXxxXxxXxX oder xXxxXxxXxxX(x)?


Version nach letzterem Bauplan:

Du sterbende Sonne im Abenderhellen,
so fürchte nicht diesen bemessenen Tod,
verebben auch deine belebenden Wellen,
erwachst du doch bald in erhabenem Rot.


Bis dahin erfreu dich am Sternengefunkel,
das gleich einem Lichtkranz dein Kleid zart umspielt,
und langsam bedeckt dann das blaue Gedunkel Sprachl. rundere Altern.: "und langsam bedeckt das erblauende Dunkel".
die Welt und den Himmel, bis Nacht uns gestillt. Komma vor "bis".


Beide Strophen takten nun:

xXxxXxxXxxXx
xXxxXxxXxxX
xXxxXxxXxxXx
xXxxXxxXxxX

So läse es sich durchgehend holperfrei.


Gern gelesen und beklugfummelt! :o

LG, eKy

waterwoman 05.07.2018 17:36

Hi Chavali,

deine Beschreibung der untergehenden Sonne gefällt mir sehr gut.

Dass Erich die kleinen Unglättungen gleich als "lyrischen Mangel" bezeichnet, kann ich nicht verstehen.
Es muss doch nicht immer alles aalglatt sein. Haben die großen Dichter auch nicht gemacht.

Allen voran auch auf keinen Fall Rilke, von dem hab ich einige Gedichte gelesen, die auch lyrische Mängel aufwiesen wie
unterschiedliche Silbenanzahl oder Heber oder Taktungen oder Endungen und was weiß ich, was es da alles noch gibt...

Was ist das überhaupt, ein lyrischer Mangel?
Es kann ja hier höchstens von einem unkonventionellen Metrum gesprochen werden.

Also, Erich, sei nicht so streng :D

Entschuldige, Chavali, dass ich mich eingemischt habe :)


Gruß
ww

juli 05.07.2018 20:26

Liebe Chavali,

Das ist ein schöner Sonnenuntergang:)

Sehr :Blume:poetisch:Blume:, ich würde die Worte so stehen lassen.

lg ju

:Blume::Blume::Blume:

Erich Kykal 05.07.2018 20:31

Hi WW!

Lyrische Mängel bestehen dort, wo die Abweichungen das Lesevergnügen eindeutig einschränken, wenn Ungleichgewichte keinen klaren Rhythmus, bzw. eine angenehme Sprachmelodie zulassen. Beides trifft hier zu, ob man sich auf "große" Namen beruft oder nicht.
Wenn DIE Abweichungen zuließen, dann nur, wenn diese die Sprachmelodie, sozusagen die Klangstringenz des Werkes, nicht beeinträchtigten oder sogar beförderten.
Beides trifft hier, wie meine Hebungsanalyse zeigt, nicht zu. Die Ungleichgewichte lassen den Leser stocken und stolpern, weil es sich hebungstechnisch eben nicht korrekt ausgeht, daher meine weiteren Ausführungen und Vorschläge.
Klassische Lyrik lebt nun mal von stringentem Grundtakt und seiner verlässlichen Wiederholung, oder zumindest einem näherungsmöglichsten Eindruck davon, wenn man wilde Änderungen schon zulässt. Das sollte sich dann aber eben auch alles fügen.

Ich schreibe keine solchen Kommis, weil ich "streng" sein will oder mich wichtig machen möchte. Es geht mir um das lyrische Potential eines Gedichtes, das ich grundsätzlich wertvoll finde, und dem m.E. eine Überarbeitung gut täte, weil es dadurch gewinnen und zu voller Qualität erblühen könnte.
Dabei halte ich mich an jene Maßgaben, die nach meinem Dafürhalten für wirklich klanglich wertige und flüssig lesbare Lyrik eingehalten werden sollten. Ob der Autor bereit ist, auf diese Weise etwas dazuzulernen, überlasse ich seiner persönlichen Einstellung.

Aber bitte, wenn derlei nicht erwünscht ist, dann lass ich es eben ... :Aua

Angefressene Grüße,

eKy

Chavali 06.07.2018 10:36

Servus Erich (1),

was soll ich sagen.
Ja, mir ist bewusst, wie ich den Text geschrieben habe.
Und ich hab ihn bewusst so eingestellt, eben weil er
Zitat:

Zitat von E.
Gefühlvoll und intensiv

ist. Spontan. Das hab ich mir mal erlaubt :)
Und dass du dich so intensiv mit dem Text beschäftigt hast und sogar eine eigene Version kreiert hast,
ist mir eine Ehre. Vielen Dank :Kuss
Ich stell sie oben mit ein.


Hallo ww,

eigentlich denke ich ja auch so und in den allermeisten Fällen sind die Tipps von Erich Gold wert,
die ich auch (fast) immer umsetze.
Ich mag die Bezeichnung *lyrischer Mangel* auch nicht so, das hört sich an, als hätte man Unlyrisches geschrieben.
Aber ich weiß ja, wie das gemeint ist und möchte seine Tipps nicht missen ;)

Danke auch dir für Lob und Kommi.


Liebe juli,

du hast mir uneingeschränktes Lob gezollt :) danke.
Freut mich, wenn dir der Text gefällt.


Hi Erich (2),

Du sterbende Sonne im Abendlicht,
so fürchte nicht deinen endlichen Tod,
und wenn auch dein goldener Strahlenkranz bricht,
erwachst du im frühenden Morgenrot.

xXxxXxxXxX
xXxxXxXxxX
xXxxXxxXxxX
xXxxXxxXxX

Bis dahin erfreu dich am Sternengefunkel,
das gleich einem Lichtkranz dein Kleid zart umspielt,
und langsam bedeckt dann das blaue Gedunkel
die Welt und den Himmel bis Nacht uns gestillt.

xXxxXxxXxxXx
xXxxXxxXxxX
xXxxXxxXxxXx
xXxxXxxXxxX

Fangen wir mal mit Strophe 2 an. Die ist absolut stringent und perfekt.
Strophe 1 - nun, darüber könnte man reden ;)

Die Zeilen 1 + 4 sind absolut gleich.
Zeilen 2 + 3 weichen etwas ab in ihrer Silbenzahl.

Ob das aber nun gleich so die Zunge verdreht, dass es holpert und stolpert? :o
Selbst die Auftakte sind durchweg jambisch.
Dass S 1 männlich endet und S2 alterniernd, empfinde ich nciht als Makel.

Lieber Erich, du weißt, dass ich dein Können, deine Kompetenz und dein perfektes Sprachgefühl
und deine Mühe sehr schätze.
Wenn nun aber jemand eine andere Meinung hat zu den Dingen, müssen wir (du;)) das akzeptieren.
Das sollte für dich kein Grund sein
Zitat:

Zitat von E.
Angefressene Grüße

zu verschicken :)


Liebe Grüße in die Runde :Blume:
Chavali






Terrapin 06.07.2018 17:30

Das Gedicht finde ich auch gut so wie es steht.
Der daktylische Meter im Vers verträgt einige eingestreute Jamben.
Vor allem, wenn es sich um solche zusammengesetzten Worte wie Abendlicht und Morgenrot handelt und sie sich zum Ende des Verses einschleichen.

Hingegen finde ich stören eingestreute Daktylen in einem Gedicht mit offensichtlich jambischen Tonus wesentlich stärker, wenn auch nicht immer.
Da kommt es auch immer auf die Satzströmung an.

Schlimmer finde ich da den "Reim" in der zweiten Strophe wo langer und kurzer Vokal am jeweiligen Zeilenende aufeinander geschoben werden.
Zumal, wo es sich um die Conclusio handelt.

Schön zu lesendes Gedicht.


Grüße, Terrapinska.

mallarme 08.07.2018 12:17

Liebe Chavali,
ich find es prinzipiell schön, die literaturtheoretischen
Betrachtungen mögen sicherlich richtig sein und wenn
es um eine Schulnote ginge wahrscheinlich auch wichtig,
da bin ich ganz bei waterwoman.
Aber es soll ja Spaß machen, das ist mir wichtiger.
Und da sind mir die Worte und deren Klang bedeutungsvoller,
vor allem aber die Assoziationen die damit verbunden sind.
Deshalb mein kleiner(!) Einwand "dein goldener Strahlenkranz bricht".
Das ist sicherlich ein interessantes Bild, aber es löst bei mir etwas
Unbehagen aus. Sicherlich nur meine Empfindung, aber ich wollte
es zumindest angemerkt haben. Ähnlich geht es mir beim Wort
"Sternengefunkel", da verbindet sich bei mir etwas anderes, aber
nicht diese majestätisch, getragene Stimmung eines verblassenden
Sonnenuntergangs. Aber wie gesagt nur die Empfindungen eines
übersensiblen Sonntagspoeten :).
Ansonsten hab ich es mit viel Freude gelesen, hat Spaß gemacht:Blume:.
Einen lieben Gruß
mall

Chavali 10.07.2018 17:10

Hallo Terrapinksi :)
Zitat:

Das Gedicht finde ich auch gut so wie es steht.
Der daktylische Meter im Vers verträgt einige eingestreute Jamben.
Danke, das sehe ich ja auch so.
Zitat:

Schlimmer finde ich da den "Reim" in der zweiten Strophe
wo langer und kurzer Vokal am jeweiligen Zeilenende aufeinander geschoben werden.
Da weiß ich jetzt gerade nicht, was du damit meinst?
Kannst du mal die Wörter benennen bitte?

Danke fürs Kommentieren, hat mich gefreut!


Lieber mall,
Zitat:

Deshalb mein kleiner(!) Einwand "dein goldener Strahlenkranz bricht".
Das ist sicherlich ein interessantes Bild, aber es löst bei mir etwas
Unbehagen aus. Sicherlich nur meine Empfindung, aber ich wollte
es zumindest angemerkt haben. Ähnlich geht es mir beim Wort
"Sternengefunkel", da verbindet sich bei mir etwas anderes, aber
nicht diese majestätisch, getragene Stimmung eines verblassenden
Sonnenuntergangs.
du findest den gebrochenen Strahlenkranz und das Sternengefunkel zu dick aufgetragen?
Habe ich das jetzt richtig verstanden? Hm, ich dachte, das passt ganz gut rein, weil ja alles ein wenig überzogen ist.
Aber vielleicht ist das Sternengefunkel wirklich etwas zu kitschig und der Gesamtstimmung nicht angemessen.
Ich lass das aber mal so, da kann ich dann höchstens ein neues Teil schreiben ;)

Danke auch an dich, hab mich gefreut :Blume:


Liebe Grüße euch beiden,
chavali

Terrapin 10.07.2018 17:16

Klar kann ich.

Letzte Strophe.

Umspielt - langer Vokal

Gestillt - kurzer Vokal

Grüße, Terranow.


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