Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 04.11.2012 11:16

Winterbote
 
Der Sonne Fernstes treulich angemahnend,
hat sich ein Herbst ins Hügelland geschlichen,
und tausend Grüne sind an ihm verblichen.
Man duckt sich in den Kragen, Winter ahnend.

Kaum angekommen, zieht er südwärts weiter,
und Buntes geht ihm nach in wirren Bändern.
Das Kalte kommt und will das Land verändern,
wird es entblößter zeigen und verschneiter.

Ich winke ihm und dreh mich in die Winde,
wenn sie auch frösteln machen und vergehn.
Im Frühling blüht wie immer meine Linde,
mag ich auch sterben und sie nicht mehr sehn.

Chavali 04.11.2012 18:33

Hallo eKy,

schön.
Das gefällt mir sehr.
Neue Wendungen, auf andere Art den ziehenden Herbst beschrieben.
Besonders gut gelungen finde ich Strophe 3:
Zitat:

Ich winke ihm und dreh mich in die Winde,
wenn sie auch frösteln machen und vergehn.
Im Frühling blüht wie immer meine Linde,
mag ich auch sterben und sie nicht mehr sehn.
Sehr gern gelesen!
LG Chavali

Erich Kykal 04.11.2012 20:11

Hi, Chavi!

Danke für deinen "verbalen Applaus";):D - hör ich alter Wichtigtuer immer wieder gern:rolleyes:!
Anderswo erinnerte die Linde jemanden an ein Schubertlied - dessen Text ja auch ursprünglich ein Gedicht war.

LG, eKy

Sidgrani 06.11.2012 18:31

Hallo eKy,

schön, wie du den Herbst "besingst".

Alleine der folgende Vers will sich mir nicht so recht erschließen:

"wenn sie auch frösteln machen und vergehn"

Wenn ... sie auch vergehn, klingt irgendwie unlogisch :confused:... oder wie ist das gemeint?

LG Sidgrani

Erich Kykal 06.11.2012 20:50

Hi, Sidgrani!

Das hast du einfach nur falsch zugeordnet: Sie machen frösteln und vergehn. Das "vergehn" bezieht sich auf machen, nicht direkt auf die Winde.
Soll heißen: Sie (die Winde) machen (= sorgen dafür), dass man friert und vergeht, im Sinne von altert, hinfällig, krank wird - eine Metapher für Winterhärte sowie Zeit im allgemeinen, bezogen auf den Gesamtkontext des Gedichts.

LG, eKy

Dana 07.11.2012 21:45

Lieber eKy,

mein Gott, wie schön (damit mein ich fast dich:p)

Zitat:

Zitat von Erich Kykal
und tausend Grüne sind an ihm verblichen.

und:

Zitat:

Zitat von Erich Kykal
und Buntes geht ihm nach in wirren Bändern.

und:

Zitat:

Zitat von Erich Kykal
Im Frühling blüht wie immer meine Linde,
mag ich auch sterben und sie nicht mehr sehn.

Verdammt, wie triffst du nur immer wieder in den Wandel, schaffst Bilder und lässt keinen Raum für "nüchterne" Kritik.

Die Linde, die uns überdauert, ist hier für mich ein Hoffnungsträger.;) Sie hat eine andere Zeit. Sie wird noch in tausend und mehr Jahren sein - nicht als die Linde, aber als Linde. Vielleicht lese ich einst keine schönen Gedichte, aber schöne Gedichte und Leser wird es immer geben.:)

Schön, mein Großer :p - nein, ist ernst gemeint: :)

Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal 07.11.2012 22:17

Hi, Dana!

Vielen Dank für dein tolles Lob (verschämt dreinblick...)!

Keine Ahnung, wie ich "treffe"...die Gedichte "passieren" mir einfach. Ich halte mich einfach an einem Gedanken fest und lass mein Gehirn irgendwie machen. Oft bin ich über die Conclusio hinterher selber erstaunt und habe keine Ahnung, wo ich das hergeholt habe. Es scheint irgendwie im Sprachzentrum rund um einen recht wandlungsfähigen roten Faden zu kristallisieren...

LG, eKy

Dana 07.11.2012 22:23

Nein, nein - das Sprachzentrum steht für einen Dichter, der sich weigert, (typisch Mann :p) die gefühlvolle Seite zuzugeben. :cool:
Macht aber nix, es geht nicht darum, was er über sich sagt, sondern darum, was er dem Leser gibt. :)

Erich Kykal 07.11.2012 22:49

Das ist es ja! Eigentlich bin ich die meiste Zeit ein pedantischer Kopfmensch voller Spock'scher "Logik" und sublimiere alle Gefühle, soweit überhaupt vorhanden. Wie diese sich dann in meine Lyrik schummeln, ist mir selbst nicht so klar - aber ich nehme es natürlich dankend an!
Leute könnten neben mir tot umfallen - es würde mir ein Schulterzucken abringen. Ich habe kaum Gefühlsbindungen an andere Menschen, und wenn, sind sie schwach, sporadisch und (fast immer) austauschbar. Ich lebe wie ein Soziopath, ein Aspergeraspirant, ein soziales Niemandsland. Meistens ist mir die eigene Welt genug.
Warum es dann ausgerechnet mir beschieden zu sein scheint, so beseelt zu schreiben? - Ich weiß es nicht. Verdient habe ich es sicher nicht.:o

LG, eKy

Falderwald 20.11.2012 22:41

Servus Erich,

dieses Gedicht hatte ich schon gelesen und möchte jetzt auf jeden Fall meinen Kommentar dazu nachholen.

Das sind drei sehr einfühlsame Strophen auf zwei Bedeutungsebenen.

Zum einen wird das Naturereignis der beiden Jahreszeiten bildhaft beschrieben, zum anderen spiegelt sich das menschliche Leben und sein Werdegang darin.

Mit dem Unterschied, daß der Mensch nur ein solches "Jahr" hat, im Gegensatz zur Natur, wie am Beispiel der Linde anschaulich beschrieben wurde.

Wir sind ein Teil dieser ewigen Natur und das sollte uns ein kleiner Trost dafür sein, daß wir nur dieses eine menschliche Jahr haben.

Aber solange wir den Frühling noch erleben, sind wir auch noch da, nicht wahr?

Der Text hat mir sehr gut gefallen und konnte mich berühren...:)


Noch ein kleines Schmankerl zum Schluss:

Zitat:

...und tausend Grüne sind an ihm verblichen.
Ja, aber leider nicht die richtigen. Roth, Künast, Trittin u.s.w. treiben in der deutschen Politik immer noch ihr Unwesen...:D


Gerne gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald


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