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Walther 22.04.2014 10:21

Österliches
 
Österliches


Gebete klingen durch den Raum,
Den hohe Fenster farbig säumen.
Man kann durch ihre Splitter träumen,
Und das Gemurmel hört man kaum.

Den hohen Turm umflattern Tauben.
Ihr Weiß ist grau; die Tauben taub,
Und alles Träumen wird zum Raub
All derer, die den Glauben rauben.

Ein Glockenklang verziert die Luft.
Sie zittert sich zum Ton, soll rufen,
Und weißer Rauch schmerzt wie der Duft,

Den alte Spezereien schufen.
Ein fernes Licht strahlt durch die Kluft.
Der Esel scharrt mit feinen Hufen.

Erich Kykal 22.04.2014 20:28

Hi, Walther!

Ich finde, dieses Sonett ist dir aus mehrerlei Gründen nicht so ganz geglückt:

Gebete klingen durch den Raum,
Den hohe Fenster farbig säumen.
Man kann durch ihre Splitter träumen,
Und das Gemurmel hört man kaum.


Z3 - Die "Splitter" lassen zu sehr an Zerbrochenes denken, das stört das Bild etwas. Alternative: Z2 - "...Fenster luftig säumen", Z3 - "...durch ihre Farben träumen,"
Z4 - So wie der Satzteil hier formuliert ist, konterkariert er die Aussage von Z1, nach welcher die Gebete durch den Raum "klingen".
Besser: "dann hört man das Gemurmel kaum." - das bezieht sich dann eindeutig auf Z3.

Den hohen Turm umflattern Tauben.
Ihr Weiß ist grau; die Tauben taub,
Und alles Träumen wird zum Raub
All derer, die den Glauben rauben.


Hier wechselst du abrupt vom Innen- in den Außenraum, reißt den Leser aus der gerade durch S1 aufgebauten Atmosphäre.
Wäre schön zu erfahren, warum die Tauben taub sind - wegen der Glocken? Falls ja - das erschließt sich nicht in dieser Strophe.
Z4 erscheint mir wenig sinnhaft, eher schablonenhaft, um Reimwörter maximierend zu wiederholen. Tauben(2x)/Glauben, taub/Raub - ein wenig viel, oder? Klingt das noch lyrisch?

Ein Glockenklang verziert die Luft.
Sie zittert sich zum Ton, soll rufen,
Und weißer Rauch schmerzt wie der Duft,


Soll hier die Luft (Sie...) rufen, nicht der Ton? Das erscheint unlogisch, oder es ist falsch formuliert.

Den alte Spezereien schufen.
Ein fernes Licht strahlt durch die Kluft.
Der Esel scharrt mit feinen Hufen.


Z1 - "schufen" ist ein viel zu mächtiges Wort für Spezereien! Es passt zu Schöpfung und Götterdämmerung, aber nicht zu Gewürzkeksen... eindeutig dem Reim geschuldet, sprich hingebogen. Das wirkt sprachlich unelegant.
Z2 - Welche "Kluft" wird hier angesprochen? Leider wird es nicht erklärt, der Leser bleibt in der Luft hängen, muss sich viel zuviel auf die Schnelle "zusammenreimen"...
Z3 - Wie um alles in der Welt kommt ein Esel zu "feinen" Hufen??? Nö - nicht mal "zierlich", solche Eselshufe - und schon gar nicht "fein". Das Bild funzt nicht.


Sorry, dass ich diesmal so viel zu meckern fand - das liegt vielleicht heute an mir, dass ich so pingelig bin. Bedenken solltest du zumindest aber das eine oder andere.

Abgesehen von den beanstandeten Stellen sehr gerne gelesen (und natürlich bis auf die ständigen Großbuchstaben eingangs der Zeilen - aber das weißt du ja schon!;):D)

LG, eKy

Walther 28.04.2014 19:17

lieber eky,

du weißt, wie sehr ich dich schätze. aber vielleicht solltest du lesen, was da steht und nicht das, was du zu lesen vermeinst!

die fenster werden aus bunten Scherben / Splittern zusammengesetzt, besonders bei den rosetten sind es eher splitter als scherben. ich habe das wort splitter auch als kontrast gesetzt. es war ein längerer prozeß, bis ich mich gegen "scherben" und für das stärkere "splitter" entschied.

der glockenton bringt in der tat die luft in schwingungen, die dann die schwingungen im innenohr an das trommelfell abgibt. dort werden die schwingungen dann in das umgewandelt, was wir als "Hören" wahrnehmen.

s2v2 ist bewußt in der mehrzahl gehalten, weil die tauben mehrzahl von der taube aber auch des tauben ist. diese doppeldeutigkeit hat einen grund. wenn du jetzt das bild nochmals liest und im kopf behältst, für was die taube im christentum steht, werden dir die metaphern klarer werden. hier wird in mehreren ebenen gedacht.

die bilder sind bewußt unaufgelöste gegensätze. in der tat ritt jesus auf einem esel in die stadt. er trug das edelste, das es gibt, die fleischgewordene osterbotschaft, die das leben verheißt und durch den tod geht. da darf der esel feine hufe haben.

deine anmerkung, hier sei etwas reimgeschuldet, ist falsch. nichts ist ohne sinn und zweck gesetzt. das alte "schuf" ist biblisch. "und gott schuf den menschen ihm zum bilde." sagt die genesis.

das sonett ist ein spiel mit bildern, farben und klängen. die versendungen selbst sind dabei ein teil des gesamten sinnlichen erlebens -neben der bewußten sinnstiftung.

schade, daß du dem spiel der worte nicht folgen konntest!

lg w.


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