Gedichte-Eiland

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Chavali 08.12.2011 09:52

Dezembernacht
 


Es fehlt der Schnee. Die Tannen schlafen.
Da knackt ein Ast. Der Mond macht Rast
und läutet mild mit seinem Schein
die längste Nacht des Jahres ein.

Die Eule jagt. Ein kalter Wind
weht von Nordost. Im dünnen
alten Mantel friere ich.
Was ist mir erinnerlich?

Der Morgen kommt und Mond verblasst,
doch bleibt der Himmel trüb.
Ganz sacht beginnt es leis zu schnein -
so läutet sich der Winter ein.

Ich geh nach Haus und wärme mich.
Was ist mir noch erinnerlich
von all den Versen in der Nacht,
die ich mir ausgedacht?




ginTon 08.12.2011 12:47

hi chavilein

Was mir gleich aufgefallen ist, gerade in den Kadenzen hast du hier ein interessantes Werk ausgearbeitet...

Zitat:

Es fehlt der Schnee. Die Tannen schlafen.
Da knackt ein Ast. Der Mond macht Rast
und läutet mild mit seinem Schein
die längste Nacht des Jahres ein.
In der Strophe 1 gefällt mir vor allem der Binnenreim der zweiten Zeile, dadurch
liest sich die Strophe super, die ist echt klasse. :)

Zitat:

Die Eule jagt. Ein kalter Wind
weht von Nordost. In dem dünnen
alten Mantel frierts mich.
Was ist mir noch erinnerlich?
Die zweite Strophe bricht mit dem Schema der ersten. Die Paarreimung der ersten zwei Zeilen ist komplett aufgehoben und der Zeilensprung nimmt dem Ausdruck den notwendigen Klang, der hier fast zerrüttet wirkt. Mitunter war es jedoch auch so gewollt? wird die Kälte etc. betrachtet, welche inhaltlich ausgedrückt wird..

Zitat:

Der Morgen kommt und Mond verblasst,
doch bleibt der Himmel trüb.
Ganz sacht beginnt es leis zu schnein -
das läutet langen Winter ein.
In der dritten Strophe ist wiederum ein anderer Klang, durch das Fehlen der Zeilensprünge ;). Warum die Konjunktion in der ersten Zeile gewählt wurde, anstatt den Artikel zu benutzen ist schwer zu sagen. Das ist denke ich Geschmackssache. Die letzte Zeile "es läutet sich ein langer Winter ein" oder "es läutet sich der Winter ein"?


Zitat:

Ich geh nach Haus und wärme mich.
Was ist mir noch erinnerlich
von all den Versen in der Nacht,
die ich mir ausgedacht?
Die letzte Strophe gefällt mir wieder sehr gut...insgesamt ein gutes Werk :)

liebe Grüße ginnie

Chavali 08.12.2011 14:10

hi ginnie,


für deine Besprechung meines Textes hab herzlichen Dank!
Ich hab mich sehr darüber gefreut, zumal du die Schreibweise analysiert hast.
Zitat:

In der Strophe 1 gefällt mir vor allem der Binnenreim der zweiten Zeile, dadurch
liest sich die Strophe super, die ist echt klasse.
danke :)
Zitat:

Die zweite Strophe bricht mit dem Schema der ersten. Die Paarreimung der ersten zwei Zeilen ist komplett aufgehoben und der Zeilensprung nimmt dem Ausdruck den notwendigen Klang, der hier fast zerrüttet wirkt. Mitunter war es jedoch auch so gewollt?
ja, so ist es. Ich mag das, wenn sich Reimschema und Versmaß sich ändern.
Laut gelesen wirkt es dramatisch ;)
Zitat:

In der dritten Strophe ist wiederum ein anderer Klang, durch das Fehlen der Zeilensprünge ;). Warum die Konjunktion in der ersten Zeile gewählt wurde, anstatt den Artikel zu benutzen ist schwer zu sagen. Das ist denke ich Geschmackssache. Die letzte Zeile "es läutet sich ein langer Winter ein" oder "es läutet sich der Winter ein"?
Den Artikel benutzte ich wegen des Versmaßes nicht - mit der Mond liest es sich nicht flüssig.
Deine Idee für die letzte Zeile finde ich annehmbar - ich überlegs mir, ja?

Danke nochmal für Kritik und Lob
und liebe Grüße,
chavi




wüstenvogel 08.12.2011 21:43

Dezembernacht
 
Hallo Chavali,

ein magisches Winternachtgedicht.
Man spürt richtig die Kälte und das Unheimliche der Nacht.

(Noch) ein ganz kleiner Veränderungsvorschlag, um das doppelte "es " zu vermeiden:

Ganz sacht beginnt es leicht zu schnein -
so läutet sich der Winter ein.

Für die Wirkung des Gedichts ist das völlig unerheblich, halt nur eine klitzekleine Kleinigkeit (Ich hoffe, du hälst mich jetzt nicht für kleinlich.)

Werde sicher noch öfter in diese Nacht eintauchen!

Liebe Grüße

wüstenvogel

Chavali 09.12.2011 08:58

Hallo wüstenvogel,

Zitat:

ein ganz kleiner Veränderungsvorschlag, um das doppelte "es " zu vermeiden:

Ganz sacht beginnt es leicht zu schnein -
so läutet sich der Winter ein.
Eine sehr gute Idee!
Wie doch so ein kleines Wort den Ausdruck verändern kann! Habs gleich umgeschrieben. *danke* :)
Zitat:

(Ich hoffe, du hälst mich jetzt nicht für kleinlich.)
Ach woher denn, im Gegenteil, ich halte dich für einen sehr aufmerksamen Leser
und das freut mich, denn das ist es,
das wir brauchen, um unsere Gedichte schöner, gefühlvoller und einfach besser zu machen.
Zitat:

ein magisches Winternachtgedicht.
Man spürt richtig die Kälte und das Unheimliche der Nacht.
Ein wunderbares Lob!
Ich danke dir herzlich.


Lieben Gruß,
Chavali




fee 09.12.2011 11:54

das ist total spannend zu lesen, liebe chavali!

gleich die erste strophe packt so richtig und verwebt einen mitten in die szenerie. super gemacht! sowas les ich total gern.

ich gestehe: mit dem rythmuswechsel in der zweiten strophe hab ich etwas gekämpft. und zwar nicht, weil der total anders war, sondern weil ich das metrum der zweiten zeile als zu stark aus der reihe tanzend empfinde.

alle anderen strophen nämlich sind in sich sehr rund und geschlossen. diese hier wirkt wie ein fragment und ich verliere beim lesen kurz die orientierung.

eine winzige änderung nur - für mein gefühl - würde diesen "interruptus" beseitigen, ohne der strophe von ihrem bewusst gewählten "richtungswechsel im stimmungsklang" zu nehmen. dann wär sie in sich runder, aber dennoch "anders" - wie gedacht:

Zitat:

Zitat von Chavali (Beitrag 57271)
Die Eule jagt. Ein kalter Wind
weht von Nordost. In dem dünnen Im dünnen
alten Mantel frierts mich. friert es
Was ist mir erinnerlich?

mich wirft einfach der hebungsprall (tolles wort. hab ich unlängst erst gelernt :) ) in zeile 2 zu stark aus dem ansonsten so schönen metrum.

dann läse sich die strophe jetzt

xXxXxXxX
XxxX xXx
XxXxXxX
XxXxXxX
XxXxXxX

anstelle von

xXxXxXxX
XxxX XxXx
XxXxXX
XxXxXxx

was meinst du?

auf jeden fall ist aber das gedicht einmal so richtig schön stimmungsbild-webend. dicht, atmosphärisch und vom spannungsbogen her schön aufgebaut. gleich mittenrein in der ersten strophe - um dann aufzulösen, welch "leises" werden sich da abspielt.

und wer kennt es nicht, dass er später die worte nicht mehr findet, die im moment des erlebens so intensiv da waren? so, als wären sie mit der flüchtigen situation des intensiven erlebnisses mit entschlüpft. das finde ich hier sowas von schön verwortet.

noch dazu, wo ja das lyrIch sehr wohl einzufangen vermochte, was da so stark wirkte. "was ist mir erinnerlich?" ist eine so schöne frage, die das verinnerlichte des erlebnisses thematisiert. und das drückt sich auch in den vom lyrIch als solche empfundene "fragmenten" aus. egal, ob da jetzt konkrete details "fehlen".

hier sinds also zwei geschichten/prozesse in einem. find ich gleich nochmal toll!

sehr sehr gerne gelesen. hebt sich ausgesprochen erfrischend und spannend von vielem ab, das ich so in letzter zeit lese. für mich ein ganz großer wurf, dieses gedicht!


liebe begeisterte grüße,

fee

Chavali 09.12.2011 15:50

Liebe fee,

du hast den Pferdefuß benannt:
Zitat:

mit dem rythmuswechsel in der zweiten strophe hab ich etwas gekämpft
Zitat:

mich wirft einfach der hebungsprall (tolles wort. hab ich unlängst erst gelernt :) ) in zeile 2
zu stark aus dem ansonsten so schönen metrum.
Das ging mir auch so.
Irgendwie bin ich beim Dichten an der Stelle nicht zu Stuhle gekommen und es dann ganz einfach so gelassen.
Deine Idee zu einer ganz einfachen, aber wirkungsvollen Änderung habe ich schon umgesetzt.
(Hebungsprall find ich auch toll ;))

Mir gefällt auch sehr deine Interpretation des Textes.
So wünsche ich es mir!
Zitat:

sehr sehr gerne gelesen.
hebt sich ausgesprochen erfrischend und spannend von vielem ab,
das ich so in letzter zeit lese. für mich ein ganz großer wurf, dieses gedicht!
Vielen herzlichen Dank!
Das ist ein so schönes Lob!


Lieben Gruß,
Chavali



Dana 09.02.2012 20:26

Liebe Chavali,

dieses Gedicht hebe ich ganz bewusst herauf.:)

Alles, was dem lyr. Ich einst fehlte, bekommt es jetzt!!!!:eek:

Es ist eikalt, ich schaue auf einen orangen Vollmond, du hast Geburtstag.:)

Herzlichen Glückwunsch noch einmal und ein großes Lob für ein stimmungsvolles Gedicht, das so ganz anders ist.

Man fühlt die Verse der Nacht, die der Stimmung entsprechen und sich von Metrik befreien - die aber ungefühlt bleibt, weil die Bilder stimmen.

Mit innigsten Wünschen zum Frühling,
liebe Grüße
Dana

Chavali 13.02.2012 17:42

Liebe Dana,
Zitat:

dieses Gedicht hebe ich ganz bewusst herauf.
Das ist schön und freut mich :)
Zitat:

Alles, was dem lyr. Ich einst fehlte, bekommt es jetzt!!!!
Stimmt. Damals hatten wir Frühlingstemperaturen - da kann einem schon mal sowas Skurilles einfallen :D
Zitat:

Man fühlt die Verse der Nacht, die der Stimmung entsprechen und sich von Metrik befreien -
die aber ungefühlt bleibt, weil die Bilder stimmen.
Danke. Ich freu mich sehr!

Liebe Grüße,
Chavali



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