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Antigone 27.10.2012 09:27

Großstadt
 
Gesichtslos treibt die Stadt in ihren Morgen,
ein Wolkensturz drückt auf das müde Grau.
Vor Ampeln probt man ersten Blechkotau.
Wer schläft, muss erst den Traum entsorgen.
Befeuert tritt die Stadt in die Pedalen,
es kreischt, es dröhnt, es rattert und es stöhnt -
man hat sich hier mit allem ausgesöhnt,
muss man am Ende auch dafür bezahlen.
Und wie von bittrer Wut und Trotz beseelt,
ergibt die Metropole sich der Nacht,
erschöpft, ein wunder Heros nach der Schlacht,
von dessen Ruhm Legenden man erzählt.

Chavali 27.10.2012 14:57

Hi Antigone,

einst schrieb ich einen Text: Großstadtmelodie:)
Er hatte in etwa den gleichen Inhalt.
Großstädte sind ein tolles Thema, unerschöpflich!

Der Reimrhythmus ist abba - cddc - effe, was mir sehr gut gefällt,
sorgt er doch für ein Auf und Ab der Großstadtgeräusche mit allen Facetten.

Man könnte auch einen Dreistropher mit umarmenden Reim daraus machen:

Gesichtslos treibt die Stadt in ihren Morgen,
ein Wolkensturz drückt auf das müde Grau.
Vor Ampeln probt man ersten Blechkotau.
Wer schläft, muss erst den Traum entsorgen.

Befeuert tritt die Stadt in die Pedalen,
es kreischt, es dröhnt, es rattert und es stöhnt -
man hat sich hier mit allem ausgesöhnt,
muss man am Ende auch dafür bezahlen.

Und wie von bittrer Wut und Trotz beseelt,
ergibt die Metropole sich der Nacht,
erschöpft, ein wunder Heros nach der Schlacht,
von dessen Ruhm Legenden man erzählt.

Auch nicht schlecht, oder?
Du hast dich für den Block entschieden - wie auch die Großstadt insgesamt ein Ballungsgebiet ist.


Gern gelesen!
Lieben Gruß,
Chavali

Antigone 28.10.2012 07:27

Großstadt
 
Lieben herzlichen Dank, Chavali, für den Kommentar. Ja, als Dreistropher hatte ich den Text auch geschrieben, mich dann aber für den Block entschieden. Deinen Text kenne ich nicht, wo finde ich ihn?

Lieben Gruß
Antigone

Thomas 28.10.2012 08:37

Warum hast du dich für den Block entschieden? Das wäre doch sehr interessant, für mich zumindest.

Liebe Grüße
Thomas

Chavali 28.10.2012 16:56

Hi Antigone,

Zitat:

als Dreistropher hatte ich den Text auch geschrieben, mich dann aber für den Block entschieden.
ja, wie Thomas frage ich auch, warum der Blocksatz?

Zitat:

Deinen Text kenne ich nicht, wo finde ich ihn?
er befindet sich in meinem Gedichtearchiv :)
Großstadtmelodie


LG Chavali

Cebrail 28.10.2012 22:21

Hallo Antigone,
ich mag Großstädte nicht und deine Zeilen beschreiben ziemlich passend
was ich daran nicht mag.

Die Wortschöpfung Blechkotau finde ich gelungen, obwohl mir das Wort Kotau nicht geläufig war, muss ich mal am Rande gestehen.

Ich finde nur den Schnitt zwischen dem Morgen und der Nacht ein wenig
schnell, ich meine, ich war gedanklich noch bei dem Tag und auf einmal
ist es Nacht in deinen Zeilen, mag aber auch sein dass nur ich das so empfinde.

Kurz; dein Gedicht gefällt, du hast hier reingepackt was so einen Moloch ausmacht und die unangenehme Stimmung, die deine Zeilen wahrscheinlich auch transportieren sollten, ist angekommen. Ich mag immer noch keine
Großstädte.

LG
C.

Antigone 02.11.2012 13:15

Großstadt
 
Hallo Chavali und Thomas,

ich wollte mit dem Block erreichen, dass die Aussage kompakter wird.
So wie die Großstadt sich ja wie ein dicker Punkt inmitten der weitläufigen ländlichen Landschaft befindet.

Hallo Cebrail,

ich mag die Großstadt eigentlich auch nicht. Aber genausowenig möchte ich in einer Kleinstadt oder auf dem Dorf wohnen. Vielleicht würde eine einsame Waldhütte zu mir passen? Dem Mittag habe ich vier Zeilen (in der Mitte) geopfert, hast du sie überlesen? Macht nichts, es gibt Schlimmeres.

Lieben Gruß
Antigone

Thomas 02.11.2012 13:27

Hallo Antigone,

so ganz abwegig ist das nicht, was Cebrail über den zu kurzen Tag sagt, denn man ist als Leser eigentlich noch bis zum Gedankenstrich am Eden der Zeile 6 beim Morgen und Erwachen. Deswegen fragte ich nach dem Block, denn deine eigentliche (implizite) Dreiteilung in Morgen/Mittag/Nacht ging mir erst beim zweiten Lesen auf.

Liebe Grüße
Thomas

Jazemel 02.11.2012 13:47

Hallo Antigone,

ich bin zwiegespalten bei dem Gedicht.

Zuerst, mir gefällt der Rhythmus und ebenso die kompakte Blockform. Ich hab mich sofort an einen Häuserblock erinnert gefühlt.

Wo Widerspruchsgeist geweckt wurde, war z.B: bei 'Gesichtslos'. Gerade Großstädte habe doch ein Gesicht. Ich meine damit nicht nur die Skyline, die bei den meisten Großstädten oft unverkennbar ist, sonder auch den unterschiedlichen Kolorit. Wenn ich an Städte wie Hamburg, München, New York, Sydney u.s.w. denke, finde ich sie unverwechselbar, haben sie durchaus Gesicht. Ob man es nun schön, oder hässlich findet.:-)

Ein anderer Punkt ist diese Zeile "muss man am Ende auch dafür bezahlen".
Warum, wofür und was muss man bezahlen?

Zur Gesamtaussage kann ich ein klares jein abgeben, wobei dabei durchaus auch mein Hamburgheimweh eine Rolle spielen kann.

Lieber Gruß,

Jazemel

Antigone 05.11.2012 10:51

Großstadt
 
Hallo Jazemel,

da bin ich anderer Ansicht. Ich wohne ja nun schon etliche Jährchen in Berlin und behaupte, dass es eine gesichtslose Stadt ist, krampfhaft darum bemüht, so etwas wie Heimischkeit herzustellen. Westberlin ist zum Beispiel für mich klar Ausland, und auch Ostberlin ist davon nicht mehr allzuweit entfernt. Und gerade in Berlin mit seinen immer noch zwei ungleichen Hälften ist das nun ganz deutlich.

Du fragst, was mit der Zeile gemeint sein könnte:
muss man am Ende auch dafür bezahlen

Ein Leben in der Großstadt muss man vor allem mit gesundheitlichen Schäden bezahlen, seien sie physiologischer oder psychischer Natur. Vor allem aber zahlt man mit Entfremdung von sich selbst, auch wenn das gar nicht immer bemerkt wird, weil man sich daran gewöhnt hat.

Lieben Gruß
Antigone


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