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Thomas 11.11.2012 21:23

An die Gänse
 
An die Gänse

Liebe Gänse! Es gibt schönre Zeiten,
als Sankt Martin - das ist nicht zu streiten! –
Hat sich mancher Brauch auch überlebt,
so wird doch das Gänseessen bleiben,
weil gemeinsam Gänse einverleiben
jedem Bauch und Stimmung hebt.
Geht’s dabei den Gänsen an den Kragen,
mögen sie auch Klos und Rotkraut nicht,
keine Gans wird je darüber klagen,
denn Genuss ist höchste Gänsepflicht.

Gänse! Es gibt glücklichere Zonen,
als mit Äpfeln, Zwiebeln und Maronen,
in der Bratenröhre heißer Glut.
Aber wenn ihr endlich, gut geraten,
dampfend warm, die Haut schön kross gebraten,
uns erscheint, dann seid ihr einfach gut.
Will zu euch der Lorbeer nicht gut passen,
würzt der Beifuss euch besonders fein,
Majoran und Knoblauch kann man lassen,
Salbei passt ins Gänseklein.
Anderswo mag’s größre Vögel geben,
wo die Störche und die Emus leben,
doch sie taugen gar nicht zur Diät.
Herrlich sind die kalten Jahreszeiten
wenn wir fette Gänse zubereiten,
und das weiße Gänseschmalz entsteht.
Alles wiederholt sich nur im Leben,
ewig jung bleibt nur der alte Brauch.
Ewig muss es Gänseessen geben.
Das erwärmt uns Herz und Bauch!

Frei nach Friedrich Schillers "An die Feunde"

Chavali 12.11.2012 15:46

Lieber Thomas,

wenn ich auch nur ein klitzekleines Stückcken Gänsebraten essen würde - jetzt, wo du den Werdegang
der Zubereitung geschildert hast, überlege ich mir selbst das noch genau ... :rolleyes:

Davon abgesehen, ich finde dein Gänselied fantastisch gelungen!
Vor dem Essen zu singen - vielleicht bleibt dann noch etwas mehr übrig :o;):o

Lieben Gruß,
Chavali

Thomas 13.11.2012 12:33

Liebe Chavali,

jedes Ding hat eben zwei Seiten, und es ist halt so, wie Schiller in "An die Freunde" sagt: "Wir, wir leben! Unser sind die Stunden, und der Lebende hat recht." Außerdem bekommen die Gänse von dem Bratofen ja gar nichts mit, während wir für unsere Völlerei im Fegefeuer oder gar in der Hölle braten müssen. Jetzt muss ich aber aufhören, schließlich will ich dieses Jahr noch die eine oder andere Gans verdrücken.

Danke fürs reinschauen und liebe Grüße
Thomas

Falderwald 14.11.2012 19:51

Moin Thomas,

ja, sehr schöne Umsetzung des Themas und den Schillerschen Duktus hast du auch gut getroffen.

Dafür gebührt dir schon einmal ein Lob.

Wenn Schiller schreibt, "Wir, wir leben! Unser sind die Stunden, und der Lebende hat recht", dann muss man hier davon ausgehen, daß auch in diesem Falle die Lebenden recht haben und die Gänse es selbst schuld sind, als Gänse auf die Welt gekommen zu sein.

Sie haben also unrecht, sonst würden sie nicht in unseren Bratöfen landen. :D

Aber das Schöne daran ist ja, nur der Mensch macht sich, wie du schon schreibst, seine (Brat)Hölle selbst.

In diesem Sinne also: Backofen auf, Gans rein und durch die Scheibe beobachten, wie es uns nach dem Tode im Jenseits einmal ergehen wird.

Aber vorher gibt es noch eine kleine Belohnung in Form eines knusprigen Gänsebratens, nicht wahr? ;)


Gerne gelesen, beschmunzelt und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Thomas 15.11.2012 17:17

Hallo Falderwald,

danke für das Lob. Ich bin überrascht, welche Ideen das Gedichtlein hervorruft. Cavalis pragmatische Idee durch das Erwecken von Mitleid mit den armen Gänse selbst mehr abzubekommen und nun deine philosophische Jenseits-Diesseits-Betrachtungen! Ich habe das Ding für ein geselliges Beisammensein (zeitgemäß dem Gänseverzehr gewidmet) geschrieben. Leider konnte ich meine Portion dadurch nicht vergrößern. Aber ein paar poetische Worte nahmen dem Zusammentreffen etwas den Charakter eines Fressgelages. Als Gebrauchspoesie hat es also funktioniert.;)

Liebe grüße
Thomas


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