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Erich Kykal 09.05.2015 12:00

Pharisäer
 
Sein ganzes Leben weihte er der Kunde
von Gottes Wort und lernte Tag für Tag,
was hoch geheiligt ihm vor Augen lag,
und rollte jeden Satz im nackten Munde.

Sein Seelenheil war eine stille Wunde,
darauf der Balsam jeder Zeile kühlte,
was ihm die Welt unweigerlich zerwühlte
mit jeder draußen miterlebten Stunde.

Der Wald der Seiten war ihm Hut und Hag,
er dachte nie, sein Tun zu hinterfragen.
Ihm war Beweis genug, was Gott vermag,

dass aller Segen, den er darin fühlte,
ihm weiter half, das Leben zu ertragen:
Sein tägliches Verweigern und Versagen.

Falderwald 30.05.2015 20:26

Servus Erich,

zutreffendes Sonett, gefällt mir ausgesprochen gut und spricht mir aus der (nicht vorhandenen) Seele.

Sehr anschaulich führt der Text vor, wie der selbstgerechte Pharisäer in seiner „verquasten“ kleinen Scheinwelt lebt, was ihm wichtig ist und wie er, ohne es wirklich zu hinterfragen, in allen Dingen „Gottesbeweise“ findet, weil sein winziger Horizont nicht in der Lage ist, die Realität so zu erfassen, wie sie sich tatsächlich darstellt. (Ich lese gerade „Die Schöpfungslüge“ von Richard Dawkins. Es ist sehr amüsant anzusehen, wie die Kreationisten die Wirklichkeit leugnen.)

Zu recht spricht die letzte Zeile vom persönlichen Versagen durch die Verweigerung der Realität.

Aufgefallen ist das interessante Reimschema. Die Paarreime aus den Quartetten finden sich in den Terzetten wieder. Geschickt...:)


Gern und zustimmend gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald



Erich Kykal 30.05.2015 22:56

Hi, Faldi!

Danke für das Lob, das ich mir genüsslich zu Gemüte geführt habe!:)

Die in den Terzetten weitergeführten umfangenen Reime der Quartette entstanden deshalb, weil ich in den Quartetten zwar 4x einen Reim für die umfassenden Verse fand, die umfassten Verse aber in jedem Quartett andere sind. Damit auch diese insgesamt 4x vorkommen - und weil es die Melodie des Gleichklangs im Sonett stärkt -, habe ich die fehlenden Reime in die Terzette "ausgelagert".
So gedachte ich die Unreinheit der Quartette wieder auszubügeln.;)

Über den Inhalt hast du alles gesagt, was wichtig ist - genauso sehe ich das auch:
Wer sich der Möglichkeit des Geistes verschließt, die Wahrscheinlichkeiten der Realität des Universums nach zeitnahem Wissen neu zu gewichten und das eigene Weltbild möglichst objektiv danach zu formen, der verdient es, in Dummheit zu leben. Schade nur, dass er seine Kinder mit herunterzieht oder sogar die Kinder anderer zu missionieren versucht!
Niederschmetternd ist für mich vor allem, dass die meisten dieser Menschen dumm bleiben WOLLEN!!!

LG, eKy

Dana 08.06.2015 19:58

Lieber eKy,
natürlich las ich es gern und fänd es unter Satire nicht unpassend.;)

Das Sonett ist gezielt vollkommen. :Blume:

Unter den Pharisäern möchte ich für mich unterscheiden: Einmal jene, die wissentlich agieren und die Masse, die agiert ohne zu hinterfragen und von der die wahren Pharisäer profitieren.
Ich neige dazu, jene Pharisäer "in Schutz" zu nehmen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Sie sind Gefangene einer irren Idee. Bildung und Wissen erreichen sie nicht (gewollt!) - sie sind in Wirklichkeit Opfer.

Bei diesem Thema wird mir die Macht jener irren Idee um so bewusster. :mad::(
Vielleicht und hoffentlich treffen solche Gedichte!!!

Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal 10.06.2015 00:07

Hi, Dana!

Wikipedia:

Die Pharisäer (hebr. peruschim, die Abgesonderten, lat. pharisæ|us, -i) waren eine theologische und politische Schule im antiken Judentum. Sie bestanden während der Zeit des zweiten jüdischen Tempels und wurden nach dessen Zerstörung 70 n. Chr. als rabbinisches Judentum die einzige bedeutende überlebende jüdische Strömung.

Im Neuen Testament werden Vertreter der Pharisäer als Heuchler kritisiert und herabgewürdigt. Dieses Prädikat ist in vielen Ländern mit christlicher Tradition umgangssprachlich für den Selbstgerechten oder Heuchler tradiert worden, oder allgemein für Positionen, die in kleinlicher Weise Kritik üben und dabei den Zusammenhang vernachlässigen.



Unter dem landläufigen Begriff versteht man heute auch Leute, die am heiligen Wort und religiösen Gesetzen kleben, diese endlos diskutieren und damit herumphilosophieren, aber nur, um das eigene Glaubenskonstrukt zu bestätigen und zu stärken. Nur durch strenges Reglement und starre Gebote zeichnen sich ihre Weltsicht und Glaubenswelt aus.
Aus dieser eingebildeten Position der Stärke und Geborgenheit sehen sie verächtlich auf alles herab, das sich ihren Vorstellungen nicht beugt.
Diese Realitätsferne, dieses Sichverkriechen in wörtlich genommenen Zitaten und heiligen Gesetzen, dieses "Angst- und Unsicherheitsglaubenstum" wollte ich mit dem Text zum Ausdruck bringen.

LG, eKy


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