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Elly 28.08.2009 21:47

Die drei Schwestern
 
Immer, wenn ich jemandem mein Wertvollstes gab, nämlich meine Liebe, wurde ich darum betrogen. So ging ich eines Tages zum Schicksal und fragte es: „Sag mir, was hältst du noch für mich bereit? Wirst du mir auch weiterhin so übel mitspielen oder wird auch mir endlich Glück beschieden sein?“
„Was soll ich sagen? Das kommt auf das Leben an. Am besten gehst du hin und befragst dieses.“

Wenig zufrieden mit diese Antwort machte ich mich also auf den Weg das Leben zu suchen. Dies war gar nicht so einfach, wie man denken könnte, denn egal, wo ich hinkam, hatte ich das Leben gerade verpasst. Aber man sagte mir, die Hoffnung könne mir weiterhelfen und ich ging, um die Hoffnung aufzusuchen.

„Sag mir, Hoffnung, wie kann ich das Leben finden? Ich möchte von ihm wissen, was das Schicksal für mich bereithält. Werde ich zukünftig mehr Glück haben?“
„Das Leben? Das Leben ist allgegenwärtig, du musst es nur sehen und annehmen, dann kannst du es auch gestalten. Dafür brauchst du sicherlich auch mich. Ich werde so lange bei dir sein, wie du an mich glaubst. Nimm dich aber vor meinen Schwestern in Acht!“
Ermutigt und voller Zuversicht machte ich mich auf den Weg nach Hause, an die Hoffnung wollte ich gerne glauben. Ich war so voller Freude, dass ich ihre Schwestern vergaß.

Es reihte sich Tag an Tag, Wochen wurden zu Monaten und ich sah und erkannte wohl das Leben, denn ich merkte, die Hoffnung war bei mir. Dennoch geschah es mir, dass ich weiterhin von den Menschen betrogen wurde, denen ich meine Liebe gab und je mehr Zeit verging, desto öfter schwand die Hoffnung, bis sie mich eines Tages gänzlich verließ. Da bemerkte ich, dass jemand anders Einzug bei mir gehalten hatte und ich erschrak, denn es waren die Schwestern der Hoffnung, die Sehnsucht und die Enttäuschung, vor denen sie mich derzeit so eindringlich gewarnt hatte. Dreist lachten sie mir ins Gesicht, freuten sich an meiner Qual und ich verstand, dass ihre Schwester nie dort sein könnte, wo sie waren.

Sollte ich deswegen verloren sein und meine Liebe auf ewig betrogen werden? Das wollte ich nicht einsehen und so nahm ich die Liebe aus meiner Seele und aus meinem Herzen und verwahrte sie in dem schönsten Glaskästchen, das ich besaß. Sicherlich ich musste Obacht geben, denn das Kästchen war leicht zerbrechlich und ich wollte doch meine Liebe nicht selber zerstören. Doch hierin war sie fortan vor anderen geschützt und ich konnte ihrer ansichtig werden und mich vergewissern, dass ich sie nicht ganz verloren hatte. Sogleich waren die schlimmsten Ängste von mir genommen und ich merkte, wie mir das Herz leichter wurde.

Erst nach einiger Zeit wurde ich gewahr, dass es auch weniger Freude und Zuneigung empfand, denn ohne Liebe schlägt das Herz nicht mehr so kräftig.
Die Sehnsucht und die Enttäuschung kamen von da an immer seltener zu mir und verweilten auch nicht lange, doch auch die Hoffnung kehrte nicht mehr zurück.

Hans Beislschmidt 30.08.2009 10:34

Hey Elly,

eine wunderbare Geschichte ...

Das Streben nach Glück und Zufriedenheit ist ein endloser Wettlauf mit dem Tod, den man nur gewinnen kann, wenn man sich nicht mit dem grausamen Streben nach Vollkommenheit auf eine Ebene begibt. Dein wunderbares Märchen lässt einen gewissen Eindruck der Enttäuschung und Hilflosigkeit zurück, ganz so als ob man sich dem Schicksal nicht entziehen könne. Ich vermisse den weisen Ratschlag, der den Menschen Bescheidenheit im Umgang seiner eigenen Wünsche und Erwartungen vermittelt. Ist es so, dass wir ein Recht auf körperliche Unversehrtheit - auf ein glückliches und zufriedenes Leben haben? Nein - es ist doch wohl eher so, dass wir Zeit unseres Lebens daran arbeiten müssen Enttäuschungen wegzustecken und uns wieder neu aufrichten. In dieser fatalistischen Bescheidenheit lässt sich letztlich das Lebenskalkül erkennen. Der Blickwinkel dieser Beschaffenheitssymbolik ist der Schlüssel an den gestellten Aufgaben nicht zu zerbrechen und das verbleibende Lebenszeitkontingent richtig zu nutzen. Der Trick mit dem Glaskästchen hat nicht richtig funktioniert, wie du richtig erkannt hast – weil sich die darin verschlossenen „Musen“ der Welt entziehen und nicht nachhaltig geformt werden können.

Grunzi Gruß vom Hans

Leier 30.08.2009 10:49

Liebe Elly -

ich kann dieses Mal nicht anders:
Ich muß mich Wort für Wort an Beisls Kommentar anlehnen.
So treffend hätte ich es nicht ausdrücken können.

Statt "leichtzerbrechlich" hätte ich "sehr zerbrechlich" geschrieben.
Sonst: Makellos.
Wunderschönes Gleichnis-Märchen!

Lieben Gruß
von
cyparis

Dana 31.08.2009 21:08

Liebe Elly,
ein Märchen, ein Gleichnis - mit tiefer Aussage.
Der Anfang baut Spannung auf, der Leser erwartet. Ganz wie Hans schon schrieb, hätte ich mir ebenfalls einen Hinweis oder Rat gewünscht, mehr Glück im Kleinen, Bescheidenen zu erkennen.
Die zwei Schlusssätze machen es wieder wett. Du lässt erkennen, wie sich die "Schwestern bedingen".
Ein feiner Einstand, Elly.:)
Liebe Grüße
Dana

Elly 02.09.2009 22:35

Vielen lieben Dank für euren lobenden Worte.

Ich denke, es passiert häufig genug, dass Menschen, die sich betrogen glauben, nicht mehr wirklich lieben wollen, nur um nicht weiter verletzt und enttäuscht zu werden.

Und somit erweisen sie sich am Ende des Tages selber einen Bärendienst ... aber genau das schien es mir wert, so stehen gelassen zu werden und nicht mit irgendeiner konstruierten Auflösung daherzukommen nur um der Harmonie oder eines happy endings willen.

vlg
Elly


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