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Sidgrani 15.02.2023 14:20

War es Liebe?
 
Man glaubt nicht, dass es sowas gibt,
der Sturm war einst total verliebt
in eine schlanke Fichte.
Er bracht ihr Rosenblätter mit
vom sommerlichen Sturmesritt,
sie knarrte: „Ich verzichte“.

Er strich ihr kosend durchs Geäst,
„Ich will, dass du das endlich lässt,
du windiger Banause!“
Die Fichte rauschte voller Wut:
„Mit uns, das geht doch niemals gut,
ich hasse dein Gebrause!“

Schnell wurde es dem Sturm zu dumm.
„Wenn du nicht willst, blas ich dich um,
dann soll dich keiner haben."
Schon tobte er mit aller Macht
und hat sie roh zu Fall gebracht,
stumm liegt sie nun im Graben.

„Die Fichte war es selber schuld,
erwies ich ihr doch meine Huld,
ich trolle mich von dannen.
Mein Herz ist rein, das sie beweint,
ich hatte es nur gut gemeint,
jetzt flieg ich zu den Tannen.“

Xenia 09.08.2023 10:13

Lieber Sid,

vorweg, dein Gedicht besitzt durch das interessante Reimschema eine wunderschöne Melodie und man gleitet, im wahrsten Sinne des Wortes, in Windeseile durch deine Zeilen.

Um die Titelfrage "War es Liebe?" zu beantworten, muss ich etwas ausholen.
Es gibt leider viel zu viele stürmische Gesellen, die mit einem Korb überhaupt nicht zurechtkommen.
Entweder sie fühlen sich abgelehnt oder in ihrer Ehre gekränkt oder beides.
Manche empfinden es als persönliche Herabsetzung, andere sind beleidigt.
Oftmals schlägt das in Wut oder Hass um und sie wollen ihrem Gegenüber schaden.
Meines Erachtens zeugt dies nicht von einem großen Selbsbewusstsein und jedem einigermaßen vernünftig denkenden Menschen müsste klar sein, dass sich Gefühle nicht erzwingen lassen oder anderweitig erworben werden können.
Denn oft ist es ja so, wie in deinem Gedicht beschrieben, dass ein "windiger Geselle" eine eindeutige Absage in Liebesdingen erfährt.
Dieser wiederum fühlt sich so gekränkt, dass er sich rächen will, ohne dabei an die Folgen seines Opfers zu denken.
Hat er seine Rache ausgeführt, zieht er weiter und sucht sich eine andere Person, auf die er seine "Liebe" projizieren kann.
Nach meinem Dafürhalten kann dies nicht im Sinne der Definition von Liebe liegen. Denn Liebe heißt, sich zu jemandem hingezogen zu fühlen, denjenigen zu achten, zu ehren und, wenn nötig, auch zu beschützen.
Wie kann man einem geliebten Menschen also Schaden zufügen?

Deshalb muss ich die Eingangsfrage meiner Ansicht nach ganz klar mit nein beantworten. Das kann keine Liebe gewesen sein.

Du siehst, zu welchen Gedankengängen mich dein Gedicht angeregt hat.
In diesem Sinne: Ziel erreicht.

Herzliche Grüße von Xenia :)



Sidgrani 13.08.2023 08:23

Liebe Xenia,

es freut mich, dass du dich so intensiv mit dem Thema befasst hast.
Selbstverständlich war das keine Liebe.

Ich wünsche dir einen schönen Sonntag.
Sid


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