Gedichte-Eiland

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Chavali 02.04.2014 00:21

Entwurzelt
 


Regen nährte deine weite Krone,
grüne Blätter glänzten wundersam,
festes Erdreich hielt einst deinen Stamm,
an den Wurzeln grüßte Anemone.

Himmelhoch erhoben sich die Zweige,
bis ein Sturm sie gnadenlos zerbrach,
Blätter fielen abertausendfach.
Lebensmut ging augenblicks zur Neige.

Stürztest wurzellos gebrochen nieder,
deine Äste skrupellos entlaubt,
deines Seins erbarmungslos beraubt.
Rauschen wird ein andrer deine Lieder.



Urform:


E
inst hielt feste Erde deinen Stamm,

Regen nährte deine weite Krone,
grüne Blätter glänzten wundersam,
an den Wurzeln grüßte Anemone.

Stolz erstarkten deine großen Zweige,
bis ein Sturm sie gnadenlos zerbrach,
Lebensmut ging augenblicks zur Neige,
Blätter fielen abertausendfach.

Wurzellos gebrochen stürzt du nieder,
deines Seins erbarmungslos beraubt,
rauschen wird ein andrer deine Lieder,
deine Äste skrupellos entlaubt.



~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~


Idee von Lailany, den Text mit umarmenden Reimen zu schreiben.
Ich finde, das ist eine tolle Idee und deshalb stelle ich ihre Version hier ein:




Regen nährte deine weite Krone,
grüne Blätter glänzten wundersam,
festes Erdreich hielt einst deinen Stamm,
an den Wurzeln grüßte Anemone.

Himmelhoch erhoben sich die Zweige,
bis ein Sturm sie gnadenlos zerbrach,
Blätter fielen abertausendfach.
Lebensmut ging augenblicks zur Neige.

Stürztest wurzellos gebrochen nieder,
deine Äste skrupellos entlaubt,
deines Seins erbarmungslos beraubt.
Rauschen wird ein andrer deine Lieder.
*


Erich Kykal 02.04.2014 11:41

Hi, Chavi!

Inhaltlich gelungen, ein sehr eindringliches Bild von einem gefallenen Baum.

Formal und stilistisch erlaube ich mir ein paar kleine Vorschläge:

Die beiden überzähligen Zeilen in S1 würde ich einfach weglassen. Sie stören den Rhythmus und reimen sich zudem überhaupt nicht. Ich würde hinter "Anemone" einfach einen Punkt setzen und den Rest löschen.
Zudem ist in S1 die Abfolge der Kadenzen der der anderen beiden Strophen genau entgegengesetzt: S2 und 3 haben die Folge wmwm, S1 hat mwmw. Das ließe sich, da es sich um eine Aufzählung handelt, aber leicht umstellen:

Regen nährte deine weite Krone,
feste Erde hielt den breiten Stamm.
An den Wurzeln grüßte Anemone,
grüne Blätter glänzten wundersam.


So hätte die Strophe den gleichen Kadenzenwechsel wie die anderen beiden, fügte sich harmonisch in das Klangbild ein.

S3Z1 - "liegst du nieder" ist als Phrase nicht korrekt. Es müsste "darnieder" heißen. Alternative: "Wurzellos gebrochen gingst du nieder,"

S3Z2 - ist um einen Heber zu lang. Alternative: "deines Kerns erbarmungslos beraubt," oder, wenn das Herz unbedingt dabei sein soll: "deines Herzens unverhofft beraubt,".

S3Z4 - auch zu lang. Alternative: "deine Krone bleibt nun unbelaubt."

So, das wär's schon - sonst nix zu mosern!;)

Sehr gern gelesen!

LG, eKy

Chavali 02.04.2014 20:43

Servus Erich,

...aber das Herz aus Harz ist doch soooo schön :o
Habe auf Harz keinen passenden Reim gefunden....
Nun, wenn diese Passage nicht gut ankommt, werde ich wohl entweder umbauen müssen,
oder - wie du vorschlägst - ganz löschen.

Was die Kadenzen von Strophe 1 aka Strophe 2 betrifft, so ist mir bewusst, dass sie entgegengesetzt laufen.
Ich weiß nicht, ob es unbedingt nötig ist, sie anzugleichen.
Findest du nicht, dass bei entsprechender Betonung der Text sehr gut klingen kann?
Allzu Glattes und Perfektes wirkt manchmal zu gleichförmig und ohne Überraschung ;)
Na, mal sehen, ich denk darüber nach.

In Strophe 3 gefiel mir gewissenlos so gut. unverhofft klingt mir zu brav :D
würde aber von der
Silbenanzahl besser passen, da stimme ich dir zu.
Der Hinweis auf S3Z1 ist ok, das muss ich ändern.
Zitat:

So, das wär's schon - sonst nix zu mosern!;)

Sehr gern gelesen!
Danke dir! Freut mich!


Lieben Gruß,
Chavali









ginTon 03.04.2014 18:38

Hi chavali,,

Inhaltlich finde ich den Text sehr schön, und habe mir den Text in Ruhe durchgelesen und folgendes dabei für mich entdeckt...;):)
Zitat:

Einst hielt feste Erde deinen Stamm,
Regen nährte deine weite Krone,
grüne Blätter glänzten wundersam,
an den Wurzeln grüßte Anemone.
Die Strophe finde ich super wie sie ist...
Zitat:

Stolz erstarkten deine großen Zweige,
bis ein Sturm so gnadenlos sie brach,
Lebensmut ging augenblicks zur Neige,
Blätter fielen abertausendfach.
Hier würde ich in der zweiten Zeile zu: bis ein Sturm sie gnadenlos zerbrach neigen, da ich dann die Zäsur zu "Lebensmut" viel stärker lese und dieser Abschnitt sich dann homogen anhört..das Wort "so" in Zeile 2 fordert nämlich dazu auf ein "bis" oder ein anderes Übergangswort finden zu wollen...das würde dann: dass dein Lebensmut... bedeuten
Zitat:

Wurzellos gebrochen stürzt du nieder,
deines Herzens erbarmungslos beraubt,
rauschen wird ein andrer deine Lieder,
deine Krone gewissenlos entlaubt.
Auch hier hätte ich mitunter etwas anderes geschrieben. 1) deines Herzens Töne jetzt (nun) beraubt, da "rauschen" in der darauffolgenden Zeile eigentlich darauf hinweist..und in der letzten Zeile würde ich "wurde gewissenlos", da doch das Metrum eher unschön ist...

vielleicht konnte ich helfen, gerne mit beschäftigt :)...liebe Grüße ginnie

Chavali 03.04.2014 20:37

Hi ginnie,
Zitat:

bis ein Sturm sie gnadenlos zerbrach
ja - schon geändert. Liest sich gefälliger :)

Was die dritte Strophe betrifft, so ist sie wohl noch nicht ausgereift.
Bin noch am Überlegen; Erich hatte ja auch schon Vorschläge gemacht.

Danke dir!

Lieben Gruß,
chavi



edit:

Strophe 3 geändert:

Wurzellos gebrochen stürzt du nieder,
deines Seins erbarmungslos beraubt,
rauschen wird ein andrer deine Lieder,
deine Äste skrupellos entlaubt.



Was meint ihr? :)







ginTon 03.04.2014 22:25

Hi chavilein

Zitat:

Einst hielt feste Erde deinen Stamm,
Regen nährte deine weite Krone,
grüne Blätter glänzten wundersam,
an den Wurzeln grüßte Anemone.

Stolz erstarkten deine großen Zweige,
bis ein Sturm sie gnadenlos zerbrach,
Lebensmut ging augenblicks zur Neige,
Blätter fielen abertausendfach.

Wurzellos gebrochen stürzt du nieder,
deines Seins erbarmungslos beraubt,
rauschen wird ein andrer deine Lieder,
deine Äste skrupellos entlaubt.
Yip, hört sich jetzt gut so an. Finde ich. :)

liebe Grüße ginnie

Chavali 04.04.2014 18:55

Zitat:

Yip, hört sich jetzt gut so an. Finde ich. :)
Danke, ginnie,

das freut mich :)

LG chavi

poetix 04.04.2014 19:13

Hallo Chavali,
dein Gedicht hört sich für mich ein bisschen traurig an. Aus der Mitte seines Lebens gerissen, wird der Baum (ich hoffe nicht du) umgestürzt und andere singen seine Lieder. Macht mich nachdenklich.
Viele Grüße
poetix

Chavali 05.04.2014 11:13

Hallo poetix,

ich finde es schlimm, wenn aus keinem ersichtlichen Grund ein großer schöner gesunder Baum gefällt wird -
nur aus Ordnungssucht der Deutschen :mad:

Natürlich könnte man den Text auch als Gleichnis sehen, wenn es einem Menschen nicht gut geht
und er einen schlimmen Schicksalsschlag verkraften muss.

Schön, dass dich der Text nachdenklich gemacht hat.
So soll es sein ;)

Danke dir!

Lieben Gruß,
Chavali

Erich Kykal 05.04.2014 13:10

Hi, Chavi!

Im Grunde meines Herzens pflichte ich dir bei!

Viele Menschen wurden früher in der Stadt von bei Sturm herabfallenden Ästen erschlagen, daher beschloss man irgendwann, Bäume ab einem Alter, wo ihre Äste instabil werden können, nicht mehr zu gestatten. Darum werden bis heute auch gesunde Bäume gefällt, nur weil sie ein bestimmtes Alter erreicht haben.
Es scheint (den Deutschen) leichter zu sein, eine allgemeingültige Regel zu befolgen, als individuell zu beurteilen und zu entscheiden - aber das war wohl immer schon so...:rolleyes:

LG, eKy


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