Gedichte-Eiland

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Terrapin 22.03.2016 19:50

Verdun
 
Verdun

Stumm kauern sie, die karge Suppe schabend,
im Trichtersumpf des schaurigen Gerichts,
da stirbt im Blau, aus sternenleerem Abend,
der flammenrote Strahl des ew'gen Lichts.
Schon grollt, Soldaten unter sich begrabend,
stolz der Artilleriekorps aus dem Nichts.

Zertrümmert in dem Beben der Granaten
verharren die Sekunden ohne Maß.
Die Körper, einst noch Menschen reich an Taten,
ruhn krampferstarrt im Niemandsland als Aas.
Der Blick in Weite, und die Hand am Spaten,
entrollen Nebelschleier sich aus Gas.

So lang ein Recke noch dem Graben tauge,
lässt ihn die Glut der Kampfbegier nicht los!
Durch Schlamm und Pulverdampf späht wirr dein Auge
auf halber Strecke schon den Gegenstoß -
dass Kraft und Blut es aus den Feinden sauge...
Sieg oder Tod, heißt unser aller Los!


Auf das traurige Jubiläum.

Falderwald 22.03.2016 21:00

Hi Terrapin,

ich komme morgen Abend noch einmal zurück, deshalb heute nur eine kurze Rückmeldung, damit ich das nicht vergesse:

"Die Körper, einst noch Mensch, so voller Taten,"

Erst kommen die Körper im Plural, dann kommt Mensch im Singular und danach noch die Aufzählung durch das zweite Komma, das hört sich nicht wirklich schön an.

Vielleicht könnte man schreiben: "Die Körper, einst noch Menschen voller Taten,"

Dann ist dieses Problem ganz einfach und ohne jede Sinnänderung gelöst.

Ich melde mich morgen noch mal zum Inhalt. :)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald



Chavali 22.03.2016 21:16

Zitat:

Auf das traurige Jubiläum.
Ja. 100 Jahre.

Hallo Terrapin,

ich kenne die Gedenkstätten, die sind verstörend, gewaltig, erschlagend.
Wer das einmal gesehen hat, vergisst es nie wieder.
Die Ansammlung von Totenköpfen, einfach schaurig!
Die unterirdischen Soldatenkammern, teilweise noch mit rostigen Feldbetten bestückt.
Die weiten gepflegten Wiesen und Areale mit weißen Kreuzen *ein unbekannter Soldat*
oder mit Namen und Datum.

Du erinnerst mit diesem Gedicht an den 100. Jahrestag der Schlacht um Verdun.
Dieser Stellungskrieg, der 10 Monate dauerte, ist einzigartig in der Kriegsgeschichte.
Nicht einen Meter bewegten sich die Fronten weiter. Immer nur die gleiche Stelle.
Als Materialschlacht.

Hier Schlacht_um_Verdun
sind alle Daten aufgeführt.

Verdun ist der Inbegriff eines Mahnmals gegen Krieg und Vernichtung.

Dein Gedicht hat mich sehr beeindruckt!

LG Chavali



Erich Kykal 23.03.2016 00:19

Hi, Pinni!

Gut geschrieben!

S1Z6 - beginnt betont. Altern.: "Kanonendonner wetternd aus dem Nichts."

S2Z3 - Über Faldi's Lösung bin ich nicht so recht glücklich: Richtig müsste die Phrase nämlich lauten "Menschen voller Tatendrang", denn Menschen tun Taten, aber sind nicht "voll davon".
Was anderes als "Die Körper, einst Gefäße guter Taten," fällt mir aber auf die Schnelle auch nicht ein ...

S3Z6 - beginnt ebenfalls betont. Hier ist es allerdings die Conclusio und ein schmetternder Aufruf obendrein - also statthaft.

Der erste WK - ein furchtbares Gemetzel, das im Grunde erst 1945 wirklich endete, denn der 2.WK ist eigentlich nur die logische Folge nach erzwungener "Feuerpause" und einem ungerechten Frieden.

Interessant, dass das Töten und Morden - in Friedenszeiten kriminell und verpöhnt - plötzlich "ehrenvoll" sein soll, nur weil man unter dem Titel "Krieg" einen grundlegend anderen, soziopathischen Wertekanon anlegt. Alle scheinen damit einverstanden zu sein, dass soziale Werte und Zivilisation plötzlich nicht mehr gelten.

LG, eKy

charis 23.03.2016 17:04

Zitat:

Zitat von Terrapin (Beitrag 93516)
Verdun

Stumm kauern sie, die karge Suppe schabend,
im Trichtersumpf des schaurigen Gerichts,
da stirbt im Blau, aus sternenleerem Abend,
der flammenrote Strahl des ew'gen Lichts.
Schon grollt, Soldaten unter sich begrabend,
stolz der Artilleriekorps aus dem Nichts.

Zertrümmert in dem Beben der Granaten
verharren die Sekunden ohne Maß.
Die Körper, einst noch Menschen voller Taten,
ruhn krampferstarrt im Niemandsland als Aas.
Der Blick in Weite, und die Hand am Spaten,
entrollen Nebelschleier sich aus Gas.

So lang ein Recke noch dem Graben tauge,
lässt ihn die Glut der Kampfbegier nicht los!
Durch Schlamm und Pulverdampf späht wirr dein Auge
auf halber Strecke schon den Gegenstoß -
dass Kraft und Blut es aus den Feinden sauge...
Sieg oder Tod, heißt unser aller Los!


Auf das traurige Jubiläum.


Lieber Terrapin,

Für die kritisierten Verse hätte ich auch einen Vorschlag, der sich aber vielleicht doch zu weit von deiner Absicht entfernt. Aber mit den "Körpern" konnte ich mich nicht anfreunden, das ist mir zu distanziert vom "Mensch" und von diesem ganzen Wahnsinn und mit "ruhn" auch nicht, das ist mir auch zu friedlich.

Und junge Männer, einstmals voller Taten,
sie liegen dort im Dreck (Schlamm?), zerfetzt wie Aas,
mit starrem Blick, die Hand am Spaten.
Durch Gräben ziehen Nebelschwaden: Gas!



Die letzte Strophe klingt mir etwas heroisch verklärt, was mir - vielleicht angesichts des Terroranschlags in Brüssel - irgendwie gegen den Strich geht.,

Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass dort noch einer getrieben von der "Glut der Kampfbegier", um "Kraft und Blut aus den (vermeintlichen) Feinden sauge", gekämpft hat.

Ich denke, das war einfach nur noch ein Überlebenskampf, wenn auch zweifellos zu Beginn dieses Krieges die Kriegsbegeisterung (was für ein schreckliches Wort!) groß war. Für mein Gefühl müsste es daher so enden: Morden oder gemordet werden war ihr Los! Aber das passt natürlich nicht ins Metrum!

Aber das Gedicht ist gut geschrieben, und passt auch zu den aktuellen Ereignissen. Es ist schon traurig und entmutigend, dass die Menschheit nichts aus der Geschichte lernt!

Also die Hoffnung nicht aufgeben: Auf zu Frieden, Freiheit und Menschlichkeit!

Lieben Gruß
charis

Falderwald 23.03.2016 18:04

Hi Terrapin,

die Hölle von Verdun hast du in deinen Zeilen ziemlich plastisch und überzeugend dargestellt.
Es ist immer schwer, sich in ein solche Situation hineinzuversetzen, wenn versucht werden soll, ein bestimmtes Ereignis aus der Vergangenheit darzustellen.

Wenn man sich vorstellt, dass dort mehrere Wochen lang auf engstem Raum bis zu 4000 schwerste Geschütze im Einsatz waren und auf dem Schlachtfeld stündlich 10000 Granaten und Minen explodierten, die einen unvorstellbaren Höllenlärm gemacht haben müssen und Erdaufwürfe verursachten, die viele Soldaten lebendig unter sich begruben, dann denke ich, hat diese Schlacht ihren Namen verdient.

Sie hatten dort nichts zu essen und nichts zu trinken, mussten stundenlang wegen der verseuchten Luft ihre Gasmasken tragen und konnten nicht einmal die Toten bergen, weil sie sie durch das ständige Feuern von Maschinengewehren und Geschützen im Niemandsland liegen lassen mussten.

Alles kaputt, ganze Wälder abgeholzt, überall tiefe Krater und der Gestank der verwesenden Leichen über dem Schlachtfeld; wer da drin war, der hatte keine Wahl. Kämpfen oder aufgeben, Sieg oder Tod, eine andere Alternative gab es nicht.

Und deshalb würde ich auch die letzte Strophe ganz genau so stehen lassen, die trifft es m. E. genau.

Wollen wir dankbar sein, dass wir so ewas noch nicht erleben mussten und darüber hinaus alles tun, damit es auch in Zukunft so bleibt.

Ich finde, dein Text ist ein gelungener Beitrag. Es ist ein Antikriegsgedicht, das dem Leser mit schrecklichen Bildern die Konsequenzen eines solchen Horrors klarmacht.


In diesem Sinne gern gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald




ginTon 23.03.2016 18:25

Hi Terrapin...

Etwas so grauenvolles in einem Gedicht wiederzugeben ist schwer. Natürlich,
Geschichte darf nicht vergessen werden und meine Bedenken dahingehend
reichen von mahnenden Worten bis zu heroischem Pathos. In meinen Augen
also ein zweischneidiges Schwert, über das sich schon viele Dichter, gerade
der Nachkriegsjahre Gedanken machten...


Zitat:

Stumm kauern sie, die karge Suppe schabend,
im Trichtersumpf des schaurigen Gerichts,
da stirbt im Blau, aus sternenleerem Abend,
der flammenrote Strahl des ew'gen Lichts.
Schon grollt, Soldaten unter sich begrabend,
stolz der Artilleriekorps aus dem Nichts.
In dieser Stophe würde ich statt des "ew'gen Lichts" einfach nur das Sonnenlicht schreiben oder ist damit das Artilleriefeuer gemeint?

ansonsten, gut geschrieben ist es. Ich bin mir nicht sicher, ob es durch das
Nachzeichnen der Kampfszenerie diese nun anklagen oder ermahnen will, andererseits frage ich mich, wie oben schon erwähnt, wie man es sonst machen sollte..

insofern gerne drüber nachgedacht und mit beschäftigt...

LG gin

juli 24.03.2016 10:02

Hallo Terrapin,:)

Das sind erschütternde Zeilen. Sie bewirken Wortlosigkeit. Du beschreibst die Schlacht ungeschönt, Kriegsvokabeln sind hier die Mehrheit und sie machen betroffen. Du hast dir jedes Wort überlegt und die Form paßt zu diesem Thema.
Ich lese deinen Text als Antikriegsgedicht. Es ist ein trauriges Jubiläum, und noch trauriger, das nach diesem Krieg noch ein Krieg kam.

Liebe Grüße sy

:Blume::Blume::Blume:

Terrapin 27.03.2016 11:35

Vielen Dank für die reichliche Resonanz.
Es freut mich, daß das Gedicht so positiv aufgenommen würde.

Falderwald, deinen Vorschlag habe ich zu Teilen übernommen.

GinTon, damit war und ist die Sonne gemeint. Ich will die Stelle aber gerne so belassen.

Herzliche Grüße an Euch alle, Terrapin.


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