Gedichte-Eiland

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Thomas 20.01.2012 20:18

Daheim
 
Daheim

Und wenn ich müde bin, ganz einfach müde.
Dann lege nur den Kopf in meinen Schoß.
Und wenn ich müde bin, des Denkens müde.
Streicht meine Hand die heiße Stirne kühl.
Wenn ich todmüde bin und lebensmüde.
Bin ich dein stilles Grab und Paradies.

fee 20.01.2012 20:30

eine ganz wunderschöne melodie, thomas!


ich lese (und hoffe, ich liege damit richtig) deinen text als dialog. das kann auch der dialog lyrIchs mit sich selbst sein, muss aber nicht. ankommen, zur ruhe kommen - einen sicheren hafen wissen - getragen werden, wenn man selbst zu müde ist. etwas vom essentiellsten überhaupt, behaupte ich.

und ein bedürfnis, das viel zu oft unerfüllt bleibt. auch sich selbst dieser hafen zu sein, vermag nicht jeder.

jede form der erschöpfung bedarf eines ortes (oder menschen, der dieser ort ist), an dem "alles gut sein" darf. man die dinge "gut sein lassen kann".

dieses gedicht kommt so scheinbar "einfach" gestrickt daher - und trägt einer der größten wahrheiten, die ich kenne. so "klein" es aussieht, so groß ist es.
ich hoffe, man merkt meinen etwas hilflosen worten an, wie tief mich dieser text berührt.

ein "gern gelesen" reicht da für mein empfinden definitiv nicht.
nicht oft etwas dermaßen schönes und berührendes gelesen, trifft es da schon eher.


danke.


liebe grüße,


fee

wolo von thurland 21.01.2012 08:09

hallo thomas
ich glaube, da haben wir ein echtes stück poesie auf den bildschirmen.
und die kunst, komplizierte dinge einfach zu sagen.
der wechsel von versen mit cäsur zu versen ohne, von versen mit reim zu solchen mit anklang, von versen mit wiederholungen zu solchen ohne ist wunderschön gelungen.
die entwicklung von geschlossenem o über das ü bis zum ie klingt schön und sinnig.
im letzten vers wird die dopplung in den ungeraden linien übernommen, aber gleichzeitig ein gegensatz dargestellt. klasse!
die gegensätzliche struktur unterstützt wunderschön den wechsel vom ich zum wir.
fees bemerkung ("ich hoffe, ich liege damit richtig") zeigt eine weitere qualität deines textes: er lässt raum für eigene interpretation.
gruss von wolo

Thomas 25.01.2012 11:55

Liebe fee und lieber wolo von thurland,

vielen Dank für euer Lob. Ja es ist ein Dialog, den man sich als Zwiegespräch vorstellen kann, oder nur als vorgestellter, traumhafter Dialog, oder sogar nur als dialogisierendes Denken – eigentlich ist Denken fast immer so, bevor es gezwungen wird logisch zu werden.

Liebe Grüße
Thomas

Chavali 25.01.2012 14:09

Hallo Thomas,

das hört sich ja tief philosophisch an und gefällt mir auch sehr gut.
Die Vorschreiber haben ja schon einiges dazu gesagt und ich könnte
auch nichts wesentlich Neues mehr hinzufügen.

Eine wunderschöne Idee, dieses Zwiegespräch.

Lieben Gruß,
Chavali

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P.S.

aber warum im Experimentenkabinett, Thomas?
Es ist zu gut, um hier zu stehen.
Wie wäre es mit dem Verschieben in die Denkerklause...?


Ch.

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ginTon 25.01.2012 15:39

hallo thomas,,

was für ein schönes Werk, selbst durch die Vielfachwiederholung von "müde"
wirkt es dennoch richtig gut,

Zitat:

Und wenn ich müde bin, ganz einfach müde.
Dann lege nur den Kopf in meinen Schoß.
Und wenn ich müde bin, des Denkens müde.
Streicht meine Hand die heiße Stirne kühl.
Wenn ich todmüde bin und lebensmüde.
Bin ich dein stilles Grab und Paradies.
ergreifend gut, sehr gerne gelesen...liebe Grüße gin

Thomas 26.01.2012 21:43

Hallo Chavali und ginTon,

es feut mich, dass ihr die Kleinigkeit schätzt. Den Begriff 'ergreifend' finde ich sehr schön, denn ich selbst musst fast weinen, als mir die Idee kam. Ich denke schon, dass es unter Experimentelles passt, kann das aber nicht begründen. Wenn Chavali es verschieben will, habe ich nichts dageben.

Viele Grüße
Thomas


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