Gedichte-Eiland

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Friedhelm Götz 16.10.2012 11:27

Über das Sonett
 
Infolge einer jüngst verlornen Wette
soll als Sonett ich das Sonett besingen.
Nicht leicht ist‘s, Reime in die Form zu bringen,
Petrarca legt den Dichter an die Kette:

»Fünfhebig«, sagt er, »deine Jamben glätte,
dass zwei Quartette schön im Gleichklang schwingen.
Kadenzen haben feminin zu klingen.
Nur so entstehen klassische Sonette.

Nach den Quartetten folgen zwei Terzette.
Sechs Zeilen gilt es, dazu noch zu drechseln,
die kunstvoll sich zu dem Sonette runden.

Die Reime können mannigfaltig wechseln.
So greife, Dichter, kühn in die Palette.
Es möge dein Sonett dem Leser munden.«

Chavali 16.10.2012 15:55

Zitat:

Nicht leicht ist‘s, Reime in die Form zu bringen,
Hallo Fridolin,

da sagst du ein wahres Wort :o
Aber letztendlich, so meine ich, ist es eine reine Übungssache (?).

Schön, wie du Petrarcas Anweisungen und Empfehlungen in die Sonettform gebracht hast!

Gern gelesen!

Lieben Gruß,
Chavali


Friedhelm Götz 17.10.2012 19:27

Vielen Dank, chavali, fürs Lesen und Kommentieren. Es freut mich, dass dir mein Sonett über das Sonett gefallen hat. Ich bin ja eigentlich kein Sonettdichter, vor allem nicht mit allzu ernstem Inhalt. Vor kurzem habe ich bei einer Lesung mit Gedichten von Eduard Mörike sein Sonett "An die Geliebte" vorgetragen. Das gehört für mich zu den schönsten, die ich kenne.

LG Fridolin

Narvik 11.05.2014 11:53

Hallo Fridolin,

ich habe nun schon einige Sonette über das Sonett gelesen, so dass deines sicherlich keine neue Idee ist.
Aber die Umsetzung, sowie die Gestaltung und die Sprachführung sind m. M. n. sehr gelungen ausgefallen.
Es gibt eigentlich nicht viel, was man deinen Zeilen noch hinzufügen möchte oder könnte, außer vielleicht die inhaltlichen Apekte, die zu einem Sonett gehören sollten. Da du aber ausschließlich beschreibend bei der äußeren Form bleibst und die inhaltlichen Kriterien mit den darin enthaltenen Aussagen erfüllst, durfte ich heute ein sehr schönes, formvollendetes Sonett genießen.

Herzliche Inselgrüße

Narvik

Falderwald 16.05.2014 21:34

Moin Fridolin,

normalerweise ist es schlecht, eine Wette zu verlieren, doch wenn der Einsatz sinnvoll ist und dann so toll umgesetzt wird, dann nimmst du mir hoffentlich nicht übel, wenn ich schreibe, es ist gut, dass du diese Wette verloren hast.
Tja, die fünfhebigen Jamben, wie man sieht, schweben hier im Einklang, die Kadenzen sind weiblich, die Quartette und die Terzette sind so, wie beschrieben, dem Petrarca ist Genüge getan und mir, dem Leser hat's auch gemundet.

Was will man mehr?


Das ist ein gelungenes und schönes Sonett, dass ich gerne gelesen und kommentiert habe...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Erich Kykal 18.05.2014 10:14

Hi, Fridolin!

Dafür, dass du "normalerwiese kein Sonettdichter" bist, ist dieses Werk überaus gelungen und machte jedem Meister dieser Kunst Ehre!
Vielleicht solltest du hierzu umsatteln, wenn du die Schüttelreime dereinst über haben solltest... - und das meine ich zum unbestreitbaren Gewinn der lyrischen Kunst durchaus in vollem Ernste!!:)

Sehr gern gelesen und bewundert! Du hast mich sogar zu ebensolchem inspiriert: Ich habe sogleich ebenfalls ein Sonett über das Sonett gedichtet, auch wenn meine Version rein empathisch orientiert ist, die Wirkung auf die Seele beschreibt anstatt der sprachtechnischen Vorgaben:

Das Sonett

Wenn zart durch deine Sinne Worte gleiten,
in Düften schwingen, die Berührung tragen,
wenn vierzehn Zeilen tausend Worte sagen,
die Lust und Weh in einem Satz bereiten,

wenn sich vor deinem Geiste Bilder breiten
in schweren Rahmen wie aus alten Tagen,
wenn Kleinigkeiten große Gesten wagen,
die unbewusste Schwellen überschreiten,

wenn Augen sich in neue Farben weiten,
die kaum ein Sterblicher zuvor erkannte,
und eine Seele, die in Zweifeln brannte,

aus unlösbaren Widersprüchlichkeiten
zurück sich findet in das Anverwandte -
Das ist Sonett, die Wiege der Gezeiten!


Vielen Dank für deine Inspiration bezüglich dieser Thematik! Ich werde dieses dir zu verdankende erfreuliche Ergebnis auch als eigenes Thema in die Foren stellen.

LG, eKy

Friedhelm Götz 18.05.2014 14:45

Hallo allerseits,

zu meiner Überraschung hast Narvik diesen schon etwas betagten Sonettversuch aufgespürt. Nachdem ich dafür vor bald zwei Jahren andernorts rüde abgewatscht wurde – Tenor: Die Form allein, das Aufzählen und Beschreiben simpler Abläufe, machen dieses Gedicht zu einem sehr trockenen; das Lesen einer Speisekarte ist mit Sicherheit spannender und interessanter –, bin ich nun umso erstaunter über die Zustimmung, die meine Verse hier erfahren. Dass ich Erich damit zu einem eigenen Sonett inspirieren konnte, ist mir natürlich eine große Ehre.

Seiner Anregung, die Schüttelei zugunsten der Sonettdichtung aufzugeben, kann ich allerdings so rasch nicht entsprechen, nachdem ein Verleger Interesse an meinen Schüttelreimen bekundet hat. Ich habe zwar inzwischen meinen Gedichtband „Serviettengedichte“ um ein umfangreiches Kapitel mit Schüttelreimen erweitert, aber für einen extra Band müsste ich schon noch etliche Seiten zusätzlich füllen.

Was Sonette angeht, bin ich in einem Zwiespalt. Einerseits möchte ich gern, andrerseits fühle ich ein Unvermögen, einen inneren Widerstand, mich dem Zwang einer mir rigide und zopfig erscheinenden Gedichtform zu unterwerfen. Vor diesem Hintergrund und mir mehrfach begegneten überheblichen Haltung sog. Sonettisten, sind Anti- oder Frustsonette zu sehen, die ich als Reaktion darauf gedichtet habe.

Herzlichen Dank für eure Kommentare.

Liebe Grüße
Fridolin

Falderwald 19.05.2014 17:13

Hi Fridolin,

ich zitiere dich mal vorweg:

Zitat:

Nachdem ich dafür vor bald zwei Jahren andernorts rüde abgewatscht wurde – Tenor: Die Form allein, das Aufzählen und Beschreiben simpler Abläufe, machen dieses Gedicht zu einem sehr trockenen; das Lesen einer Speisekarte ist mit Sicherheit spannender und interessanter...
Derjenige, der dir das schrieb, hat, mit Verlaub gesagt, nur einen ganz blassen Schimmer von dieser Materie.
Der ist gefangen in seiner ganz persönlichen Vorstellung von einem Sonett und nicht in der Lage, über seinen eigenen Horizont zu schauen.
Die äußerlichen Kriterien erfüllt dein Sonett auf jeden Fall, das lässt er durchblicken.
Jetzt werden Allgemeinplätze bemüht, wie das Aufzählen, das Beschreiben, simple Abläufe, ohne einen entsprechenden Beleg.
Die nächste Aussage ist rein subjektiv, er findet das Gedicht, nicht das Sonett, sehr trocken.
Die Speisekarte ist zwar auf die letzte Zeile gemünzt, doch diese Aussage ist einfach nur frech und der Wille, dem Autor eins auswischen zu wollen, ist darin klar erkennbar.

Weißt du was dieser Kommentator war, ohne ihn zu kennen?
Das war ein Neidhammel und er wollte dir nicht zugestehen, ein schönes Sonett geschrieben zu haben.

Ich empfehle dem unbekannten Kommentator dringend die Lektüre "Deutsche Sonette" aus dem Reclam Verlag, Herausgeber Hartmut Kircher, Universal-Bibliothek 9934 [6]. Das ist leider nur noch gebraucht zu bekommen.
Kircher führt dort durch eine Zeitreise der deutschen Sonettkunst, von ihren Anfängen bis in seine Gegenwart (die Ausgabe ist von 1979).
Da findet sich fast jedes Thema und die unterschiedlichsten Formen und Variationen.
In seinem sachverständigen Nachwort hat er seine Auswahl begründet und sehr schön dargelegt, wie das Sonett zustande kam und wie es sich bis heute entwickelt hat.
Wenn er das alles gelesen hat, soll er dir noch einmal begründen, warum er dein Sonett nicht als solches anerkennen will.


Und jetzt kommt meine ausführliche Kritik zu diesem Text:

Zitat:

Infolge einer jüngst verlornen Wette
soll als Sonett ich das Sonett besingen.
Nicht leicht ist‘s, Reime in die Form zu bringen,
Petrarca legt den Dichter an die Kette:
Die verlorene Wette ist eine gute Idee zum Einstieg, denn sie erklärt einleitend, wie dieser Text zustande gekommen ist.
Es folgt die Einsicht, dass das nicht so ganz leicht werden wird, denn der alte Meister hat hohe Standards angelegt, die es einzuhalten gilt.

Zitat:

»Fünfhebig«, sagt er, »deine Jamben glätte,
dass zwei Quartette schön im Gleichklang schwingen.
Kadenzen haben feminin zu klingen.
Nur so entstehen klassische Sonette.
Nun werden die äußeren Kriterien benannt, wie ein solches Sonett nach des Meisters Worten auszusehen hat, um als klassisches Sonett bestehen zu können.

Zitat:

Nach den Quartetten folgen zwei Terzette.
Sechs Zeilen gilt es, dazu noch zu drechseln,
die kunstvoll sich zu dem Sonette runden.
Klare Abgrenzung zu den Quartetten sind die Terzette, die das Sonett schließlich abrunden, äußerlich und inhaltlich.

Zitat:

Die Reime können mannigfaltig wechseln.
So greife, Dichter, kühn in die Palette.
Es möge dein Sonett dem Leser munden.«
Hier hat der Dichter allerdings Freiheiten in der Reimstruktur, im Gegensatz zu den Quartetten. So kommt die Aufforderung nun an den Dichter, seine Worte-Palette zu benutzen.
Zum Ende wünscht der Meister, dass es dem Dichter gelingen möge, seinen Lesern sein Sonett schmackhaft zu machen.

Fazit:

Die Idee ist stimmig und gut. Von der Einleitung bis zum Abschluss gibt es einen durchgängigen, roten Faden, dem man durch den Text folgen kann und der äußere Aufbau stimmt auch. Es gibt dazu zwar Beschreibungen, aber keine simplen, denn hier werden schließlich bestimmte Regeln verdichtet.
Das ist also ein Sonett. Kein weltbewegendes, aber ein solides und gut durchdachtes, mit Schmunzeleffekt. Und ganz sicher mehr Sonett, als viele meiner eigenen, weil ich als Fetischist diese Form so gerne für alle möglichen und unmöglichen Zwecke missbrauche. :rolleyes:

Das Sonett war ursprünglich ein "Klinggedicht" und selbst dieses Kriterium erfüllt deines, denn es schwingt und klingt.
Und hier käme dann mein einziger Kritikpunkt, der mir jetzt auch erlaubt sei, denn der weit auseinanderstehende Reim "Terzette" / "Palette" in den Terzetten funktioniert nicht mehr ganz so gut, weil er durch drei Zeilen und zwei Reime getrennt wird. Das ist etwas unglücklich gewählt.

Aber auch das ist subjektiv und hat meinen Spaß an der Rezension nicht wirklich getrübt. ;)


Nochmals gerne gelesen und besprochen...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Friedhelm Götz 19.05.2014 18:40

Lieber Falderwald,

da hast du dich ja sehr eingehend mit meinem Sonettversuch beschäftigt. Für mich erstaunlich, dass deine Analyse Zusammenhänge aufzeigt, auf die ich damals gar nicht geachtet hatte. Das Buch von Kircher hab ich schon antiquarisch bestellt; vielen Dank für den Hinweis.

Liebe Grüße
Friedhelm

Falderwald 19.05.2014 19:04

Moin Fridolin,

so etwas nennt man konstruktive Kritik.

Mit böser Absicht und ein wenig Geschick kann man jeden Text zerreißen.

Wenn ich etwas negativ zu kritisieren habe, dann benenne ich es beim Namen und versuche es zu begründen, anstatt mich in Allgemeinplätzen zu verlieren.

Man kann sich nicht mit jedem Gedicht so auseinandersetzen, das ist schon klar, aber dann darf man auch nicht vorschnell urteilen und etwas schlecht reden, was vielleicht gar nicht schlecht ist.

Mir gefällt's. Punkt.


Liebe Grüße

Falderwald


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