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Falderwald 08.06.2014 22:52

Der Spottvogel
 


Der Spottvogel


Ich will mich nicht mit der Moral maskieren,
die mich als edlen Dichter scheinen lässt,
ich stoße lieber selbst mich vom Podest,
anstatt mich hinter Tugend zu postieren.

Ich schmeichele nicht jenen Kavalieren,
die selbst sich treu sind und charakterfest,
denn meine Scham kennt keinen Anstandsrest
und kein Gewissen wird mich je zensieren.

Ich werde nicht mit meinem Schwänzchen wedeln
wie nur ein Hund vor dem Moralbüfett,
um eine gute Stimmung einzufädeln.

Und läge ich auch auf dem Sterbebett,
dann würde ich das Sterben selbst veredeln
mit einem abgrundtiefen Spottsonett.


Falderwald
. .. .




Erich Kykal 09.06.2014 08:09

Hi, Faldi!

S1Z4 - Schlüssiger und schöner als "postieren": "anstatt als Tugendwächter zu posieren."

In S2Z3 verstehe ich nicht ganz, was die "Scham" damit zu tun hat, keinen Anstandsrest zu kennen, wenn es darum geht, die "sich selbst treuen Kavaliere" nicht zu verschonen. Wäre da sowas nicht passender:
"denn Ironie kennt keinen Anstandsrest" oder so?

S3Z2 - Wir Ösis bevorzugen bei "Buffet" die französische Aussprache <büfe:>, weil sie unserem Ohr eher schmeichelt das die unsäglich norddeutsch-teutonische und wortwörtliche Aussprache mit gefühltem Dreifach-"t" hinten dran, die wie "zu fett" klingt!
Hier bei uns würde der Reim auf "Bett" und "Sonett" also kaum funktionieren...


Ja, das gekonnte Sich-selbst-auf-die-Schippe-Nehmen ist (gerade bei in nördlichen Breiten lebenden Germanen!;):p) eine schwer erlernte Kunst. Das selbstbezogene Augenzwinkern steht jenen gut, die andere durch den Kakao ziehen, sonst könnte man ihnen Selbstgefälligkeit unterstellen - nein, gleiches Recht für alle, und das schließt eben den Verarscher mit ein!;):)

Sehr schön gedichtet!:D

LG, eKy

Falderwald 09.06.2014 16:36

Servus Erich,

dieses "anstatt als" wollte ich unbedingt vermeiden, ich hatte eine ähnliche Version, die ich wieder verworfen habe. Hingegen klingt "posieren" tatsächlich schöner.
Was hältst du davon?

...ich stoße lieber selbst mich vom Podest,
anstatt in hoher Tugend zu posieren.

In Strophe 2 gibt es zum einen die Kavaliere.
Das sind die Leute, die sich an den Konventionen der Gesellschaft und dem Urteil der anderen orientieren. Auch Biedermänner, Kleinbürger oder Spießer genannt. Das sind wir alle auf unsere Art und Weise. Wir empfinden uns als charakterfest und bleiben uns selbst möglichst treu.

Zum anderen gibt es den Dichter (aus der 1. Strophe) und der will genau dasselbe Recht für sich in Anspruch nehmen und zwar in der Form, dass er eben kein edler Dichter sein will, der sich nur der schönen und romantischen Lyrik verschrieben hat und dass er sich den Teufel darum schert, was man von ihm erwartet. Seine Scham kennt keinen Anstandsrest, d.h. bei jedem ist irgendwann eine Grenze erreicht, bei ihm aber nicht, er lässt sich durch kein (schlecht gemachtes) Gewissen zensieren.

Und er wird auch ganz bestimmt nicht in freudiger Erwartung vor dem moralischen Serviertisch stehen und dabei artig wie ein Hündchen mit dem Schwänzchen wedeln, nur um gutes Wetter zu machen. (Büfett ist übrigens die korrekte deutsche Bezeichnung und der einzige Eintrag beim Duden. Dort wird Buffet lediglich als besonders österreichisch und schweizerisch erwähnt. Klingt aber wirklich schöner, doch wenn die deutsche Variante mir den Reim gibt...;))

Und das zweite Terzett spricht ja eigentlich auch für sich, er ist und bleibt eben bis zu seinem Ende ein Spottvogel.

Du liegst richtig, denn wer für sich in Anspruch nimmt hemmungslos über alles schreiben zu dürfen, der darf sich selbst dabei nicht vergessen. Er ist schließlich ein Teil dieser Welt, die er ins Visier genommen hat. Da ist es nur recht und billig, auch ab und zu mal in den Spiegel zu schauen. ;):)

Sehr schön kommentiert, vielen Dank dafür...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald



Chavali 09.06.2014 16:47

Hi Faldi,

ich mag, wenn sich jemand selbst aufs Korn nehmen und über sich selbst lachen und auch mal spotten kann.
Das sind große Charaktere :D
Ganz anders als jene, die kleingeistig über jedes harmlose oder auch mal weniger harmlos spottende Wort
gleich ihren Schwanz einziehen und beleidigt abrücken.

Andererseits gehen ja solche Spottvögel meistens ganz schön krass vor und übertreiben in maßloer Satire.
Da das richtige Maß zu finden, ist nicht immer leicht.
Hauptsache, sie vergessen sich selber dabei nicht und davon ist ja bei deinem Protagonisten nicht auszugehen :p


Gern gelesen und darüber nachgedacht hat mit liebem Gruß,
Chavi


Falderwald 14.06.2014 11:12

Hi Chavi,

ja, wer austeilt muss auch einstecken können und wenn er es sich selbst besorgen muss...:D

Aber ich stimme dir zu, es gibt so kleingeistig-eitle Naturen, die zwar gern im Rampenlicht stehen würden, aber bei der geringsten kritischen Satire empfindlich getroffen aufschreien, als hätte sie der Teufel persönlich heimgesucht.
Wenig belastbar, so etwas.

Dabei war es oftmals nur der kleine Spottvogel mit seinem Gezwitscher, der ein wenig von den Dächern gepfiffen hat.

Wie auch immer, das richtige Maß ist stets relativ und hängt vom Standpunkt des Betrachters ab.
Und der ist von Vogel zu Vogel unterschiedlich. :)


Vielen Dank für deinen Kommentar...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Schamansky 14.06.2014 17:26

Aufs Souveränste sonettiert und gespottet.

Auch die Aussage steht wie eine Mauer. Wer sich selber nicht permanent tierisch ernst nehmen muß, ist meistens ernster zu nehmen als jemand, der sich selber zu ernst nimmt. Authentizität und Souveränität beweist man nicht durch Gefallenwollen und erst recht nicht durch Selbstüberschätzung und Mimosentum.

Ausnehmend gern gelesen.

Falderwald 14.06.2014 18:47

Moin Schamansky,

wow, was soll ich dazu sagen?

Da kann ich mich nur über die lobenden Worte aus berufenem Munde bedanken.

Zitat:

Authentizität und Souveränität beweist man nicht durch Gefallenwollen und erst recht nicht durch Selbstüberschätzung und Mimosentum.
Genau das war es, was ich ausdrücken wollte.

Scheiß auf alle Konventionen und mach dein Ding. ;)

Vielen Dank für deinen zustimmenden Beitrag...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

ginTon 14.06.2014 18:58

Hi Faldi,,

interessantes Gedicht. Obwohl ich daraus gar nicht so sehr Spott herauslesen
kann sondern eher Humor und ein sich nicht verbiegen lassen...:p

Spott ist das bewusste Lächerlichmachen („Verspotten“) eines Menschen, einer bestimmten Gruppe oder deren echter oder vermeintlicher Werte. Er wird als Entblößung und daher oft schmerzhafter als eine äußerliche (= körperliche) Verletzung empfunden. Treten Verachtung und Ehrabschneidung hinzu, wird von Hohn gesprochen, beinhaltet der Spott eine starke Schadenfreude, so spricht man von Häme. Gegenteil des Spottes als Waffe ist etwa das Lob, Gegenteil des Spottes als Form ist der Ernst.

das habe ich dazu gefunden, bin aber eher für:
Die eine Hälfte der Welt lacht über die andre, und Narren sind sie alle. (Morales)

oder warte hehe nein, das ist noch besser :D
Ein gerupfter Spatz verspottet das Gefieder seiner Artgenossen. (Sorbisches Sprichwort)

gerne mit beschäftigt...LG gin

Falderwald 17.06.2014 18:53

Hi gin,

man kann auch ziemlich ernst spötteln, finde ich.

Ich weiß ja, was Spott bedeutet und hier werden gleich mehrere verspottet.
Zum einen ist es der sogenannte Spießer, zum anderen der Dichter selbst, weil er ebenfalls ein Spießer ist, sich im Gegensatz zum ersteren aber auch dessen durchaus bewusst zeigt, dass er so ist.

Wie sagt ein deutsches Sprichwort?

"Wer einen Hinkenden verspotten will, muß selber gerade sein." In diesem Sinne.

Oder aus Russland:

"Besser eine kluge Verspottung als eine dumme Vergötterung."

Also mehr Spott kann ich hier leider nicht liefern. :D


Vielen Dank für deinen Kommi...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Narvik 23.06.2014 13:50

Hallo Falderwald,

Spott kann manchmal sehr hilfreich sein. Er kann zum Selbstschutz und als Waffe eingesetzt werden. Man sollte ihn aber auch vorsichtig dosieren, da er zu argen Verletzungen führen kann.
Deine Zeilen halten sich aber nicht damit auf, irgendjemanden zu verspotten, sondern sie beziehen sich auf die eigene Person. Und das halte ich für durchaus gelungen. Denn mit solchem Spott lässt sich das Leben manchmal leichter ertragen und nehmen.

Herzliche Inselgrüße

Narvik


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