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Chavali 03.11.2014 16:53

Es ist zu spät
 


Wir haben damals so viel gute Zeit versäumt
in Kindertagen und noch mehr,
du hast von Eisenbahn und Schlittenfahrt geträumt,
von Teddybären, Feuerwehr.

Die Kumpels später in der anderen Schule:
Sie mobbten dich, du schwiegst dich aus.
Sie schimpften dich nur Königskind von Thule,
du bliebst mit Büchern still zu Haus.

Und niemand wusste, was du heimlich dachtest,
wie weh dir tat, dass man dich nicht verstand;
und keiner sah, dass du die Nächte wachtest
und niemand reichte dir die Hand.

Und heute sind zwei ferne Leben einsam,
sie sehnen sich nach Jugendzeit zurück.
Es ist zu spät für das verlorene Gemeinsam!
Es ist zu spät für ein Familienglück.


**********************************



Version nach Erich Kykal:


Wir haben so viel gute Zeit versäumt,
in Kindertagen damals und noch mehr,
von Eisenbahn und Schlittenfahrt geträumt
hast du, von Teddybär und Feuerwehr.

Die Kumpels später an der neuen Schule:
Sie mobbten dich, du aber schwiegst dich aus.
Sie schimpften täglich König dich von Thule,
weil du mit deinen Büchern bliebst zu Haus.

Und niemand wusste, was du heimlich dachtest,
wie weh dir tat, dass man dich nicht verstand;
und keiner sah, dass du die Nächte wachtest
und niemand reichte jemals dir die Hand.

Und heute sind zwei ferne Leben einsam,
sie sehnen sich nach Jugendzeit zurück.
Zu spät für das verlorene Gemeinsam!
Und auch zu spät für ein Familienglück.





Erich Kykal 03.11.2014 17:41

Hi, Chavi!

Erst die Anmerkungen:

Wir haben damals so viel gute Zeit versäumt
in Kindertagen und noch mehr,
du hast von Eisenbahn und Schlittenfahrt geträumt,
von Teddybär und Feuerwehr.

S1 folgt dem Hebungsrhythmus 6-4-6-4. Ungewöhnlich, aber okay. Warum dann aber der schroffe Wechsel bei S2, obendrein mit einem betonten Auftakt vorneweg in einem Gedicht mit ansonsten unbetonten? Da MUSS man stolpern!

Später die Kumpels der neuen Schule: Betonter Auftakt! Das ließe sich durch eine schlichte Umstellung vermeiden: "Die Kumpels später der neuen Schule:"
Sie mobbten dich, du schwiegst dich aus.
Sie schimpften dich täglich König von Thule,
weil du mit Büchern bliebst zu Haus.

Hier haben wir plötzlich Hebungsrhythmus 4-4-4-4.

Und niemand wusste, was du heimlich dachtest,
wie weh dir tat, dass man dich nicht verstand;
und keiner sah, dass du die Nächte wachtest
und niemand reichte dir die Hand.

Hebungsrhythmus 5-5-5-4.

Und heute sind zwei ferne Leben einsam, Leerstelle zuviel nach "ferne".
sie sehnen sich nach Jugendzeit zurück.
Es ist zu spät für das verlorene Gemeinsam!
Es ist zu spät für ein Familienglück.

Hebungsrhythmus 5-5-6-5. Keine Strophe folgt der anderen. Das ergibt ein sehr indifferentes und zerstückeltes Gefüge, auf das sich ein Leser sehr konzentrieren und sehr wahrscheinlich ein paarmal stolpern und neu ansetzen muss.

Sprachlich/inhaltlich hast du das Beschriebene gut eingefangen und verdichtet. Warum ist dir so oft nur scheinbar das Gleichmaß rhythmischer Sprache zuwider? :confused:

Ich wage hier mal - zum Vergleich - eine durchgehend 5-hebige Version, die sich durch ein paar simple Umstellungen und Beifügungen leicht bewerkstelligen lässt. Urteile selbst, was dir besser gefällt:


Wir haben so viel gute Zeit versäumt,
in Kindertagen damals und noch mehr,
von Eisenbahn und Schlittenfahrt geträumt
hast du, von Teddybär und Feuerwehr.

Die Kumpels später an der neuen Schule:
Sie mobbten dich, du aber schwiegst dich aus.
Sie schimpften täglich König dich von Thule,
weil du mit deinen Büchern bliebst zu Haus.

Und niemand wusste, was du heimlich dachtest,
wie weh dir tat, dass man dich nicht verstand;
und keiner sah, dass du die Nächte wachtest
und niemand reichte jemals dir die Hand.

Und heute sind zwei ferne Leben einsam,
sie sehnen sich nach Jugendzeit zurück.
Zu spät für das verlorene Gemeinsam!
Und auch zu spät für ein Familienglück.



Verzeih, sollte ich mit dieser Spielerei zu weit gegangen sein. Ich bin eben ein sehr "rhythmischer" Charakter, was Gedichte angeht...:rolleyes:

Sehr gern gelesen!:) (Abgesehen von der tragischen Lovestory habe ich meine ganze "schulische" Jugend in deinen Zeilen wiedergefunden! War kein so dolles Bild... zum Glück bin ich da lange drüber weg!

LG, eKy

Chavali 03.11.2014 18:16

Servus Erich,

deine Version stelle ich oben mit ein. Ist sehr schön gleichmäßig und gekonnt geglättet.
Danke dafür :Blume:

Nein, du bist nicht zu weit gegangen mit deinen Vorschlägen. Deine Variante gefällt mir sehr gut!
Zitat:

Sprachlich/inhaltlich hast du das Beschriebene gut eingefangen und verdichtet. Warum ist dir so oft nur scheinbar das Gleichmaß rhythmischer Sprache zuwider?
Ich kann mir schon gut vorstellen, dass du als
Zitat:

"rhythmischer" Charakter,
es fast unerträglich findest, wenn die Heber und Auftakte nicht vollkommen gleichmäßig sind.
Ich möchte deine Einwände auch nicht missen ;)

Und zuwider ist mir die Gleichmäßigkeit auch nicht.
Was ich so manches Mal meine: Die Gleichförmigkeit kann beim Lautlesen eine leiernde Melodie erzeugen.

Danke dir nochmals! Und auch für dein "Geständnis" - ich denke, es ging und geht wohl vielen Kindern so.
Wenn sie kein Haudrauf sind, sind sie Außenseiter - von der Gesellschaft verachtet.


Liebe Grüße!
Chavi



Erich Kykal 03.11.2014 18:24

Hmm - kommt eben immer darauf an, WIE man's liest!;):p:Kuss

Chavali 03.11.2014 21:17

Zitat:

Zitat von Erich Kykal (Beitrag 81454)
Hmm - kommt eben immer darauf an, WIE man's liest!;):p:Kuss

ok, das ist wahr ;) das gilt dann aber auch für nicht so allzu Glattes :o:p

schau mal hier, das geht aber nun gar nicht:
Zitat:

Zitat von Erich
täglich König dich von Thule,

:D


LG Chavi




Chavali 04.11.2014 09:55

Hey Alexander,

du hast dir ja viele Gedanken gemacht - das ist schön und freut mich :)
Danke!

Erichs Vorschläge griffen doch massiv in meine Version ein, deshalb habe ich sie als eigenständige oben mit eingestellt.
So einzelne Stellen oder Worte bin ich durchaus bereit, zu ändern, wie hier:
Zitat:

Man könnte "Teddybären, Feuerwehr" machen. Indem man die Konjunktion raus haut und einen Plural verwendet, wirkt es ernster.
ok, das ist überlegenswert.
Zitat:

Ansonsten tut mir eine Sache weh, aber ich will immer ehrlich sein. Nirgends im Text kommt eine Inversion vor, alles ist in einem sehr vernünftigen Hochdeutsch verfasst, bis auf diesen Vers:
Zitat: weil du mit deinen Büchern bliebst zu Haus.
Ja, tatsächlich, ist mir gar nicht aufgefallen :o
Unter der Vielzahl deiner Ideen könnte ich mir diese herauspicken:
Zitat:

Du bliebst mit Büchern still zu Haus.
Nochmals Dankesgrüße für den lobenden Kommi:Blume:
Chavali







Lailany 07.11.2014 08:30

Liebe Chavi,
ja, Kinder sind oft grausam und zum Außenseiter zu werden, dazu brauchts meist gar nicht viel, auch nichtige Dinge wie zB Klamotten können Grund für Gespött sein. Und nicht alle Eltern können finanziell mithalten und ihren Kids alles bieten, was die Konsumgesellschaft als schick und 'muss man haben' vorschreibt.

Zu der Zeile, über die schon diskutiert wurde, hätte ich einen Vorschlag:
sie schimpften dich nur Königssohn von Thule... oder
Königskind von Thule... oder
Kleiner Prinz von Thule

Was meinst Du?

Gern gelesen und mich damit beschäftigt. :)

LG von Lai:Blume:

Chavali 07.11.2014 12:30

Liebe Lai,

das ist es *freu* - ich hab das Königskind eingefügt. Super Idee! Danke :Blume:

Danke auch für deinen Beitrag dazu.
-
Was mir nicht gelungen erscheint an der Aussage meines Textes:
Mir kam es nicht so sehr auf die Mobbinggeschichte an, sondern auf das Fazit.
Dass man Versäumtes nie mehr nachholen kann.


Liebe Grüße,
Chavi


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