Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 16.06.2012 13:28

Ein Sterben im Grünen
 
Der Alternde sitzt stumm in seinem Garten,
als atme er sich still durch seinen Tag.
Auf nichts und alles scheint er so zu warten,
wie Kiesel, glattgeschliffen von der Zeit,
in deren Fluss von je sein Dauern lag;
aus dem ein Augenblick ihn nun befreit.

Ein Mittag liegt wie Fieber auf den Feldern,
beinahe greifbar in der lichten Luft.
Ein zarter Hauch rinnt aus den hohen Wäldern,
erinnert ihn an Harz und trocken Reiser
und schattenkühlen Glockenblumenduft.
Die Welt um ihn wird langsam immer leiser.

Er wächst in alles Grün und diese Stille,
wie Kinder wachsen in den Lauf der Welt,
als wäre so zu lauschen all sein Wille,
und alle Sehnsucht ihm gestillt darin,
und der Moment, der für ihn innehält,
des Lebens Höhepunkt und wahrer Sinn.

a.c.larin 17.06.2012 14:48

ein schönes, getragenes gedicht über einen denkwürdigen moment....
besonders zu bemerken wäre da noch das ungewöhnliche reimschema!
da lohnt es sich, zweimal hinzuschauen. :)

gerne gelesen!

(obwohl der titel, anders zäsiert, uns wohl mehr spaß machen würde:
einst erben im grünen! :D )

lg, larin

Erich Kykal 17.06.2012 16:53

Hi, larin!

In den ersten Jahren meines lyrischen Wiedererwachens (05-08) schrieb ich viele Gedichte mit diesem Reimschema, weil es mir damals sehr gefiel. Keine Ahnung, ob es eine Bezeichnung hat. Ich spielte damals einfach mit verschiedensten Abfolgen, ohne jedes Vorwissen.
In "Weltenwege" wirst du noch einige davon finden.

Vielen Dank für Kommi und Lob. Ich erachte dieses Gedicht als "guten Durchschnitt".

LG, eKy

Hans Beislschmidt 18.06.2012 14:36

Hi Eky,
Dieses friedliche Hinübergleiten im Einklang mit der Natur und dem Sein ist zwar ein schöne Wunschvorstellung - wir wissen aber, dass das Ende meist kläglich, schmerzhaft und einsam ausfällt. Wünschen wir, dass es uns einmal so beschieden ist.
Gruß vom Hans

Erich Kykal 18.06.2012 19:03

Darauf ein mindestens 10-faches Prosit, Hans!!!

Verdient hätt ich's ja, denn bei Eltern und Tanten habe ich das Sterben verpasst - und zu meiner Schande muss ich gestehen: Ich war hinterher irgendwie erleichtert, nicht dabei gewesen zu sein, umso mehr, da ich später schon zwei meiner geliebten Katzen in meinen Armen habe sterben sehen müssen!!! Bei umso geliebteren Menschen wäre es mir wohl gänzlich unerträglich gewesen - und dennoch schimpft ein Teil von mir mich einen elenden Feigling, denn man hatte mir bei meiner Mutter gesagt, dass es "bald" sein würde, aber ich habe den Mut nicht aufgebracht, über Nacht im Krankenhaus zu bleiben, verleugnete es, schob es von mir, meinte noch im Gehen: "Na dann bis morgen!" Das wird mich verfolgen bis ins eigene Grab, genau wie ihr letzter Blick!

LG, eKy

eva 18.06.2012 20:22

Zwar stimme ich Hans weitgehend zu, hoffe aber dennoch insgeheim darauf, daß es einem helfen kann, sich auf ein solches "Übergehen" in etwas anderes einzustimmen, weil mir der Gedanke einfach so gefällt. Und das Gedicht auch.:)

Erich Kykal 18.06.2012 20:25

Hi, Eva!

Danke für deine Gedanken. Ja - es ist ein Ideal-, ein Wunschbild vom Sterben, so man sich denn derlei wünschen mag.
Die Realität in Hospizen, Altersheimen und Krankenhäusern erstickt in Plastikschläuchen und Desinfektionsmitteldünsten...

LG, eKy

Hans Beislschmidt 19.06.2012 07:56

Noch mal ich ...
Du solltest dir keine Vorwürfe machen Erich, denn das Ende ist meist ohne diese bewusste Wahrnehmung. Da ist ein Abschied im beiderseitigen Einvernehmen weitaus besser. In meiner Zeit als Hilfspfleger im Krankenhaus habe ich mich schnell an das Formelle von Ab und Zugang gewöhnen müssen und fand es teilweise gefühllos, wie das Pflegepersonal die Lebenszeit der Zugänge abtaxiert haben. Es ist wie bei einem Motor, der plötzlich zum Stottern kommt und stehen bleibt. Die Feststellung - „der geht heute nacht ex“, hat sich allzu oft bewahrheitet und die Fahrt in das Leichenzimmer hat dazu beigetragen den Tod gehörig zu entmystifizieren. Das ist und muss so sein, dort wo ständig gestorben wird, sonst könnten diese Menschen nicht ihre Arbeit, die ja dringend gebraucht wird, machen.
Gruß vom Hans

Erich Kykal 19.06.2012 12:36

Dem Personal habe ich auch keine Vorwürfe gemacht, das bezog sich eher auf das sterile, unpersönliche Ambiente dieser Orte und manche zweifelhafte Segnungen der Gerätemedizin.

Und natürlich auf mich: Ich HÄTTE bleiben können, aber ich konnte irgendwie nicht, verdrängte, irgendwie hoffend, dass sie bis morgen leben würde, wenn ich nur einfach weitermachte wie üblich.
Als hätte ich durch mein Verhalten auf geheime Weise mehr Lebenszeit für sie beschwören können. Und aus Feigheit vor dem letzten Moment...

Dana 19.06.2012 22:12

Lieber eKy,

mir gefällt alles hier - vorab dein wunderschönes Gedicht. Von wegen:
Zitat:

Zitat von Erich Kykal
Ich erachte dieses Gedicht als "guten Durchschnitt".

Guten Durchschnitt schreibst du schon lange nicht mehr. Wenn du mit den Fingern über den Bildschirm fährst, wirst du keine "Schleimspur" erspüren - ich meine es wirklich so.
Du bist für mich ein Dichter, der sich in Kommentaren und Antworten hinter einer Fassade versteckt, die den einfühlsamen Denker und Menschen "abschattet" (nicht "abschottet" - dafür sprechen deine Gedichte.)

Diesen "Wunschtraum" kann ich nur unterstreichen und jedem gönnen.
Wie Hans schon schrieb, sehen Realität und unser eigner Umgang damit ganz anders aus.
Dennoch - evtl. ist alles anders. Wir, aus unserer Sichtweise, prangern den "Feigling" in uns an oder die "Maschinerie", die in Heimen und Krankenhäusern stattfindet. Jener Alternde ist vielleicht ganz bei sich und erwartet nicht das, was wir glauben versäumt zu haben.
Man bedenke nur, wie tausende Menschen weltweit täglich sterben und stelle das Anliegen deines Gedichtes dagegen. Jenen würde ich die Behütung im Altenheim und zu Hause gar wünschen - ohne zu wissen, was im endgültigen "Abgang" tatsächlich stattfindet.
Menschen sind meist ihrem Kummer, Krankheit und Sorge sich selbst überlassen. Du kannst noch so viel mit dem Freund, Freundin, Vater, Mutter, Sohn, Tochter oder Arzt besprechen. Sie trösten, helfen - das Ding an sich bleibt deines.
Das Wichtigste ist evtl. nur, dass kein Groll oder gar Hass unbesprochen, unverziehn für beide Seiten zurückbleibt.
(Dieses Thema hatte ich heute mit meiner Tochter, als wir zur Entspannung 7,5 km um den See gingen. Für sie wäre es das Schlimmste, das Leid der Eltern zu sehen, wenn sie von uns ginge. Sie verlangte, dass wir fröhlich lebten. Ich verlangte diesen Wunsch umgekehrt, wobei wir uns dabei verprachen, dass wir "von Oben" darauf achten würden. ;):rolleyes:)
Ob wir in der letzten Stunde dabei gewesen sind, mag unbedeutend sein.
Der Alternde hat in der letzten Stunde mit sich zu tun - diesen Frieden sollte er haben.
Diesen hast du in deinem Gedicht lyrisch, sprachlich und anrührend wiedergegeben.

Hesse:
"Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
uns neuen Räumen jung entgegen senden,
des Lebens Ruf an uns wird niemals enden ...
Wohlan denn Herz, nimm Abschied und gesunde."

Ein gutes und schönes Gedicht, das ein "Mitreden" abverlangt.;)

Liebe Grüße
Dana


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