Gedichte-Eiland

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Sidgrani 16.01.2012 14:01

Die andere Welt
 
Ich ziehe durch die dunkle Stadt,
ein Nebelstreifen dämpft das Licht,
der Mond, er scheint so trüb und matt
und Regen netzt mein Angesicht.

Die Straßen liegen menschenleer,
als ob sie längst vergessen sind,
das Atmen fällt auf einmal schwer,
am Häusereck, da steht ein Kind.

Die Schultern schmal, höchst dreizehn Jahr,
die Augen blicken leer und stumpf,
ihr Blick umfängt mich, mir ist klar,
ich schau direkt in einen Sumpf.

Dann strafft sich ihr verdammter Leib,
sie kokettiert mit bleicher Haut,
gekonnt verdrängt sie Kind, ist Weib,
hier steht sie bis der Morgen graut.

Mich fröstelt, ich hab kehrt gemacht,
nur langsam breche ich den Bann.
Ihr Schatten fließt schon in die Nacht,
er eilt ihr nur ein Stück voran.

Chavali 16.01.2012 19:48

Hallo Sid, (darf ich dich so nennen?) :)

dein Gedicht gefällt mir sehr gut!
Du schreibst in der Art, wie ich das gern mag.

Es erinnert mich an ein Lied von Joachim Witt - mir fällt jetzt der Titel nicht ein, irgendwas mit amour :confused:

Da ging es auch um dieses Thema, das du hier mit eingehenden Worten ansprichst.

Handwerklich perfekt gemacht. Fünfhebiger Jambus mit männlichen Kadenzen ;)

Der Inhalt berührt, macht traurig und auch ein wenig wütend, dass man dieses Kind nicht vor einem
solchen Schicksal bewahren konnte.


Lieben Gruß,
Chavali



edit:

bei youtube gefunden:

http://www.youtube.com/watch?v=xOSE7...eature=related


Das meine ich: Bataillon d'amour



LG Ch.

Dana 16.01.2012 19:56

Hallo Sidgrani,

einfühlsam und ohne Pathos hast die "die andere Welt" in einem der Rubrik entsprechenden Gedicht umgesetzt.
Einfühlsam, aber mit kaum "mitleidigen" Worten - das macht den Appell im Gedicht aus.
Ein Seher, der weiß, dass aus dieser Beobachtung nicht Aktivitäten zur "Weltverbesserung" folgen müssen. Ein Seher, der Kehrt macht und die Schatten bleiben sichtbar.
Die Wirklichkeit ist noch düsterer und nicht erst in dieser Zeit.

Um die Nachdenklichkeit zu unterstreichen, würde ich höchstens die letzten Verse ändern:

Zitat:

Ihr Schatten fließt schon in die Nacht,
er eilt mir nur ein Stück voran.
Ein gutes Gedicht.

Liebe Grüße
Dana

Sidgrani 17.01.2012 10:19

Hallo Chavali,

deine Worte freuen mich, danke.

Den Song kenne ich. Ich glaube, er hat mich auch ein wenig inspiriert, danke für den link.

Das Erschütternde an solchen Schicksalen ist für mich, dass sie sich quasi um die Ecke abspielen und wir achtlos daran vorbei gehen.



Hallo Dana,

auch dir danke ich für deine lobende Anerkennung.

Du hast recht, die Wirklichkeit ist für uns in unserer heilen "Parallelwelt" nicht annähernd vorstellbar, waren Sodom und Gomorra eigentlich schlimmer? Ich glaube nicht, eher das Gegenteil.

Ihr Schatten fließt schon in die Nacht,
er eilt ihr nur ein Stück voran.


Diese Zeilen müssen so bleiben, die Nacht steht hier für Verderben/Untergang, in die sie ihr Schatten (die dunkle Seite) unbarmherzig zieht.


Liebe Grüße
Sid alias Sidgrani :)


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