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Walther 03.10.2010 19:33

Beerdigung im November
 
Beerdigung im November


Im Augenwinkel glitzern ein paar Tränen,
Denn kalter Wind sticht diesen scharfen Schmerz.
Das Eisschwert fährt ihm in sein wundes Herz.
Ein Fehler, sich in Sicherheit zu wähnen:

Sie zu verbergen, täuscht er vor, zu gähnen,
Und beugt den Kopf leicht schamvoll erdenwärts.
Das Mannsein ist Konzept, kein Jungenscherz:
Ein Weinen, das zerbeißt man zwischen Zähnen.

Doch sie erkennt die Tiefe des Gefühls
Und legt die Hand ihm auf den breiten Rücken.
Inmitten des Geschiebes und Gewühls

Will ihr die warme Geste fast nicht glücken.
Es stiehlt sich in die Blässe des Gesichts
Ein Lächeln, als er sagt: „Schatz, es war nichts!“

Blaugold 03.10.2010 23:26

Hallo Walther

Formal gelungen, inhaltlich triffst du die beschriebenen Gefühle zu so einem Ereignis ebenso. Gefällt mir gut, dass dazu noch die Scham, Trauer offen zu zeigen, mit ausgedrückt wird. Denn es gehört vielleicht auch Ehrlichkeit sich selbst gegenüber dazu, sie geschehen zu lassen. Ich weiss, dieses "mannhafte" Unterdrücken von Emotionen gehört wohl auch in unserem Kulturgebiet zum Bereich "Selbstbeherrschung" und nach außen gezeigte Stärke; es hat in der Gemeinschaft jedoch ursprünglich den Sinn, den anderen Trauernden (Weibern und Kindern) ein Vorbild von Mut und Zuversicht zu geben, an dem man sich "aufrichten" kann. Im Laufe der sozialen Entwicklung ist so ein Verhalten meiner Ansicht nach allerdings vollkommen fehl in männlich geprägte Selbstsicht geraten. Trauern und Tränen schwächen im Grunde nicht, sie sind Mechanismen, um leichter loslassen zu können. So man/frau denn will.

So wie du es ausgedrückt hast, finde ich Folgendes am Gedicht weniger gut: Die Doppelpunkte in den Zeilen 1,3 und 7. (Müssen die sein?)
und bis auf die erste Zeile der Strophe 1 die anderen drei!

Mir fiel zumindest für Zeile 2 und 3 ein:

Im Augenwinkel glitzern ein paar Tränen.
Der kalte Wind begünstigt seinen/diesen Schmerz.
Ein Eisschwert sticht ihm in sein wundes Herz.

Ein Fehler, sich in Sicherheit zu wähnen.


denn ein Eisschwert, das in das Herz fährt ... :o
und die letzte Zeile beginnt nun leider wie die dritte - aber die gefällt mir sowieso nicht besonders gut ... :rolleyes:

Blaugold

Walther 04.10.2010 15:16

Lb. Blaugold,

die erste Strophe habe ich, Deinen Hinweisen in einigen Punkten folgend, etwas umgestaltet. Ich hoffe, so "rutscht" sie besser.

Vielen Dank für Deine Vorschläge und Tips.

LG W.

Dana 04.10.2010 20:45

Lieber Walther,

immer wieder "dichtest" du Themen an, die den Leser ansprechen, berühren und zur Diskussion anregen - so sehr, dass man im "Übereifer" das Sonett super findet.;)
Vielleicht ist das die Balance überhaupt. Was will der Dichter sagen und wie sagt er es?
Das Formale will ich im Übereifer gar nicht so sehr betrachten. Es wird schon gut sein - schließlich bist du ein vertrauter Sonettschreiber. :)

Aber zum Thema: Männer weinen nicht.

Es seid nicht nur ihr Männer, die damit zu "kämpfen" haben.
Frauen sind mit diesem Zwang nicht minder belastet - zumindest jene, die in diese Erziehung hineingewachsen sind.
Ein Paradox ist, dass wir (Männer und Frauen) wissen, dass Tränen reinigen, erleichtern - und genau dort wurde eine Grenze gezogen. Männer weinen nicht - Frauen immer und auf Kommando. Beides stimmt nicht.

Ich wusste schon von Kind an, dass Männer nicht weinen. Mir tun heute noch die weinenden Jungen leid, die schlicht "weggelacht" wurden.
Noch heute erwische ich mich selbst dabei:
Kommt ein weinendes Mädchen zu mir (Schule), fange ich es mit offenen Armen auf und tröste.
Einen weinenden Jungen auch, aber der bekommt als "Bonbon" oft zu hören:
"Na! Ein Indianer kennt keinen Schmerz."
Ich ohrfeige mich dafür jedes Mal, aber es kommt immer wieder durch.
Daran erkenne ich, wie sehr dieses Paradox gelungen ist.

Als ich das erste Mal (als kleines Mädchen) einen MANN weinen sah, dachte ich, die Welt wäre untergegangen, denn wenn ein Mann weint, dann muss etwas ganz Schlimmes passiert sein.
Ebenso geht das ganz Schlimme einer Frau unter, denn Frauen weinen schnell und immer.

Ein Abwägen ist mir erst bei meinen eigenen Kindern gelungen - Junge und Mädchen.
Wie schwer es ist und wie tief diese Einstellung greift, wurde mir erst bei meinen erwachsenen Kindern klar.
Die Tochter kommt und weint, wenn sie traurig ist. Sie lacht aber auch, wenn sie glücklich ist.
Sohnemann ist und bleibt ein kleiner "Indianer", den ich bestimmt nicht "heranziehen" wollte.

Spannend, dein Werk, lieber Walther, und gut.
Das Weinen und Lachen sollten wir uns alle je nach "Bedarf" leisten.

Liebe Grüße
Dana

Walther 04.10.2010 21:17

Lb. Dana,

auch wenn das manche nicht so recht verstehen wollen, "bedichte" ich den Alltag. Das Signet "Gelegenheitsdichter" ist Konzept UND Poetologie. Der wahre Held ist in den modernen Zeiten in unseren Breiten der Mensch, der mit Anstand, Würde, Toleranz und Respekt sein Leben in seinem Umfeld menschlich und verantwortungsbewußt, mit Familien- und Gemeinsinn, bewältigt. Klaglos, mit Freude und herzlicher Wärme. Haß und schlechte Gefühle gibt es genug, finde ich.

Es ist kaum zu glauben, aber es sind viele, die genau das fraglos tun. Denn ohne sie, also, ohne Menschen wie den Unterzeichner und seine LyrIchs, würde diese Welt, in der wir alle leben, nicht "funktionieren".

Wie man hoffentlich merkt, fälle ich sehr selten apodiktisch Urteile. Vielmehr will ich nur ein wenig zum Nachdenken, zum Schmunzeln, zum verständnisinnig Schmunzeln anregen, verbunden mit ein bißchen Unterhaltung, mehr nicht. Das mag dem Einen oder der Anderen zu wenig sein. Mir sind Komplimente wie das Deine Beifall und Grund genug, es weiter zu versuchen, genau dieses - unser - Leben zu begleiten und zu dokumentieren.

Wenn das gelingt, bin ich einen kleinen Moment einer der glücklichsten Menschen der Welt. Danach tauche ich wieder in meinen Alltag ein und lebe und wirke dieses Leben. Wie es sich gehört und wie man von mir erwarten darf.

Danke und Gruß W.


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