Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 02.02.2019 14:15

Der lustige Zyniker
 
Er fand sich gut dabei, wenn er mit Worten
die ganze Welt nach seinem Spott bemaß,
doch glich, wenn er sich ganz darin vergaß,
sein Mund der dunklen Mitte von Aborten.

Der stillen Weisheit unscheinbare Pforten
verschlossen sich vor seinem Übermaß,
und alle Hitze, die sein Witz besaß,
versengte jene, die darin verdorrten.

Er spürte nicht der trauten Augen Kühle
auf seinem Drang, der keine Zote scheute,
und nicht das leise Sterben der Gefühle,

die alle anderen für ihn empfanden.
Erst irgendwann, als er zu spät bereute,
erkannte er, weswegen sie verschwanden.

Walther 02.02.2019 17:14

Düster, lb. eKy, sehr düster. aber gut. lg W.:)

Erich Kykal 02.02.2019 17:56

Hi Walther!

Ja, der alte Spötter lässt kein Fettnäpfchen aus, wenn er mal ein Publikum hat und in Fahrt ist - da leiden Einfühlungsvermögen und Feingefühl! :rolleyes::Aua

Allzu lauter Humor, Brüllwitze auf Kosten der ganzen Welt, schneidender Zynismus, der alles entkleidet - das mögen viele nicht, teils aus Angst, selbst dranzukommen, teils, weil sie es oberflächlich und selbstgerecht finden, und leise suchen sie das Weite ...

Seltsamerweise erkennt die "Stimmungskanone", die sich ebenso distanzieren würde wie die anderen, stünde er auf deren Seite der "Bühne", selbst immer nie oder viel zu spät, dass das Fett aus den Näpfchen allzu weit gespritzt ist!
Wenn der "Schmäh fliegt", wie man bei uns sagt, ist es oft schwer, die feine Grenze dessen zu erkennen, was den noch augenzwinkernden Humor von ätzender Herabwürdigung trennt!
Zusätzlich schwer, da jeder diese Grenze woanders zieht - die sozial allgemein verträgliche Schnittmenge des kleinsten gemeinsamen Nenners menschlichen Witzes ist zuweilen recht schmal gstrickt ...
Wer also allzu hoch fliegt mit seinem Schmäh, der muss damit rechnen, sich unbemerkt ins soziale Abseits zu manövrieren, gerade in unseren Zeiten betulicher politischer Korrektheit in allen Lebenslagen.

Interessanterweise ist man ja nicht immer so ein unempathisches Ekel - und ja, natürlich spreche ich da oben von mir selbst - nein, meistens ist man bloß ein freundlicher Satiriker. Aber manchmal ist man eben enthemmt von guter Laune oder äußeren Einflüssen, und man steigert sich hinein, oder man ist einfach zutiefst erbost ob so offensichtlicher Dummheit oder Kurzsichtigkeit eines Gegenübers, dass man sich gehen lässt und so richtig zu ätzen beginnt!
Und dann ist es schwer, von dem einmal gewonnenen Drehmoment wieder runterzukommen! Dann übersieht man leicht den Punkt, an dem man einfach nicht mehr unterhaltsam ist, sondern nur noch fanatisch, engstirnig und verletzend rüberkommt. Als Grenzasperger tu ich mir zusätzlich schwer mit dieser feinen Linie - ich kränke oft, ohne es überhaupt zu bemerken!

LG, eKy

Walther 08.02.2019 11:21

Hi eKy,

wer tut das nicht? engagierte menschen neigen dazu, etwas zu deutlich, zu klar und zu hart zu argumentierten. nicht jeder ist ein diplomat ...

ich beispielsweise auch nicht.:Aua:(:cool:

lg W.

Erich Kykal 09.02.2019 03:33

Hi Walther!

Du sprichst von grundlegenden Defiziten. Ich meinte eher stimmungsgetriebene - von allzu euphorischer Laune hingerissen verliere ich zuweilen das gesunde Maß verträglichen Umgangs und Humors - wohl die Folgen eines übergroßen Egos, das sonst immer das Gefühl hat, sich im sozialen Kontext zurücknehmen zu müssen, um gesellschafts(v)erträglich zu sein.
Die Endorphine gehobener Stimmung enthemmen es ab und an, und dann will es glänzen, alle und alles für sich einnehmen, gierig nach Applaus. Es versucht mit allen Mitteln zu beeindrucken - mit den beschriebenen Folgen. Es ist wie ein intellektueller Rausch, und weil man immer mehr will, legt man immer weiter nach - eben leider bis über die Schmerzgrenze, die man in diesem Zustand nicht erkennt.

LG, eKy

Walther 09.02.2019 17:16

Lieber eKy,

das mit der diplomatie ist eigentlich immer eine formfrage.

lg W.

Weiße Wölfin 10.02.2019 14:06

Hallo Erich,

die zuletzt beschriebene Dynamik der endorphingetriebenen Stimmungskanone kenne ich auch.
Ich führe es - bei mir - auf eine großes Bedürfnis nach Anerkennung zurück, das sich dann irgendwie verselbständigt. So, als wäre ich einerseits die Erwachsene, die um Regeln, Normen und den ganzen Sozialkram weiß und andrerseits ein Kind, das völlig außer Rand und Band gerät und in mancher Situation die Oberhand übernimmt.
Als ich noch Alkohol getrunken habe, war das manchmal schon echt peinlich --- ich war derart hingerissen von mir und meinem - vermeintlich - sprühenden Wortwitz, dass ich tw. stundenlang meine Klappe nicht halten konnte ....

Danke für dieses Gedicht und Deine ehrliche Reflektion.

lG volleer

Erich Kykal 10.02.2019 15:22

Hi volleer!

Du beschreibst es gut - dieses Hungern nach Anerkennung, Respekt oder gar Bewunderung, meist geboren aus einem diesbezüglichen Defizit in Kindheit und Jugend - das kann ich nur zu gut nachvollziehen!
Zumindest mir erging es so, und bis heute giere ich nach jeder Form von Belobigung, um die Lücke in meiner Rüstung des Selbstbewusstseins zu füllen, die dieses Kindheitstrauma hinterließ.

Vielen Dank für das ehrliche Echo! :)

LG, eKy

Weiße Wölfin 10.02.2019 15:45

Hallo Erich,

wenn eineR mit offenen Sinnen durch die Welt geht,
dann ist sichtbar: sie ist voll von anerkennungssüchtigen Erwachsenen.

Warum manche dann dannundwann zu Stimmungsüberschwenglichkeiten tendieren und andere nicht, weiß ich nicht. Vllt. liegt es am Naturell oder wie groß die Defizite in der Kindheit waren. Vllt. sind es auch diejenigen, die im Innersten ein fröhliches und ungebändigtes Kind beherbergen .... das immer die Nase raussteckt, wenn es frischen Wind spürt. ....

Auf jeden Fall finde ich es besser, drüber zu sprechen, als es mit der Contenance des - vermeintlich - reifen Erwachsenen wegzuwischen.

lG volleer

Erich Kykal 10.02.2019 16:15

Hi volleer!

Ich pflichte bei.

LG, eKy


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