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Chavali 26.09.2014 12:07

Fragen ohne Antworten
 
Man verliert leicht den Überblick, wenn man aus dem Bauch heraus verliebt ist.
Das hat mit dem Lebensalter nichts zu tun, die Synapsen verknüpfen sich auf immer gleiche Art.

Es gibt auch noch eine andere Art von Verliebtheit - die vom Kopf her.
Man redet es sich ein, weil man glaubt, davon Vorteile für sich, gleich welcher Art, zu haben.
Dann kann man erwarten, dass der Verstand ausreicht, sich über die Folgen klar zu sein.

Bei der Verliebtheit aus dem Bauch ist der Verstand ausgeknipst.
Die Frage ist: Wann setzt er wieder ein?
Kann das Jahre dauern? Viele Jahre?
Sieht man dann die/den Auserwählte/n in einem anderen Licht? Wie weit kann Blauäugigkeit führen?
Bis zur Selbstaufgabe?
Meist erkennt man diese nicht selbst, es bedarf eines verwunderten oder auch
energischen Anstoßes von außen.
Im besten Falle setzt dann das Nachdenken ein. Ist das so und warum? Was kann man tun,
um zu sich selber zurück zu finden? Binsenweisheiten helfen nicht.

Der Verstand ist plötzlich wieder da und die Erkenntnis einer ganzen Armee von Gedanken,
die man sich hätte vor der Bindung machen sollen.

Aber wie gesagt: Man verliert leicht den Überblick, wenn man aus dem Bauch heraus verliebt ist.



Lailany 26.09.2014 22:42

Liebe Chavi,
ich kann mich sehr gut in Deine Erzählung reinversetzen. Nein, nicht nur reinversetzen, in Deinen Worten konnte ich mich selbst erkennen, sie erinnern mich an durchlebte Situationen.
Du sagst es schon und auch ich bin der Meinung, dass Alter dabei keine Rolle spielt. Nicht zum Zeitpunkt des Verliebens und nicht im nächsten Stadium, der jungen Liebe. Sehr wohl aber später, denn jede junge Liebe wird irgendwann vom Alltag und seinen kleinen und großen Sorgen eingeholt.

Als junger Mensch hat man noch unzählige Wünsche, zB Karriere, eigenes Haus, Reisen usw... Man ist daher egoistischer, ungeduldiger, untoleranter, hat die eigenen Pläne und ihre Verwirklichung immer im Hinterkopf, wenn auch vllt unbewusst. Wenn der Partner nicht auf derselben Schiene ist, ist die Beziehung wohl schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Außer einer der beiden ändert sich (bzw seine Anforderungen ans Zusammenleben) total.
Aber letzteres gelingt nur bedingt und hält nicht für immer an. Irgendwann wird ihm der Verzicht bewusst und die Unzufriedenheit hält Einzug. Er ist ärgerlich und unzufrieden mit sich selbst und dem Partner, und bestrebt, sich von jetzt an für die Verwirklichung der eigenen Wünsche einzusetzen. Um das durchzuziehen, muss er entweder den Partner und dessen Einstellung ändern, oder aber sich selbst. Beides ist fast immer der Anfang vom Ende einer Beziehung.
Wie schnell und auf welche Weise die Änderung herbeigeführt wird, das hängt vom Charakter des Einzelnen ab. Die (Ver)Änderung hat natürlich Auswirkungen auf den Partner und das Zusammenleben. Das wird in der Regel nicht so einfach hingenommen, oder gar toleriert und schon ist der Wurm drin. Der ist hungrig, frisst, beisst und bleibt trotz ständigem Nagen unersättlich.
Und das geht an die Substanz. So geschwächt wird man erst grantig, dann aufbrausend, es kommt zu Ausfällen, von denen man oft genug selbst am meisten schockiert ist. Man schämt sich, zeigt sich von seiner besten Seite, will alles wieder heile machen.
Hier erinnere ich mich an Worte meiner Großmutter: Gebrochenes Porzellan kann man nicht kitten.
Das geht vllt für eine Weile gut, hält aber nicht lange an, will man nicht in Selbstverleugnung eine Lüge leben.

Als frisch verliebter älterer Mensch hat man zwar nicht mehr die zahllosen hochfliegenden Träume und Erwartungen vom Leben, dafür aber seine Eigenheiten, Macken, Prinzipien, die man über Jahre hinweg 'kultiviert' und gehätschelt hat und die man (und wenn auch bloß aus Prinzip!) nicht aufgeben will.
Anfangs mögen sie ja dem Partner interessant, originell, witzig und liebenswert erscheinen, das jedoch kann ganz schnell ins Gegenteil umschlagen.
Und damit sind wir wieder bei der oben schon erwähnten Änderung, Umerziehung angelangt, die mM nach nur äußerst selten funktioniert und anhält.

Liebe Chavi, wie Du siehst, hat mich Deine KG sehr berührt. Bei der Beschäftigung damit konfrontierte ich meine eigenen Gespenster und beim Niederschreiben des Kommis fand ich auch noch welche, die sich bis dato verborgen hielten.

Sehr gern gelesen und darüber nachgesonnen.

GLG von Ev:Blume::Kuss

Chavali 29.09.2014 10:47

Liebe Lai,

vielen Dank für deinen interessanten und tiefgehenden Kommentar.

Dem ist eigentlich nichts, aber auch gar nichts hinzuzufügen
(du könnstest als Psychologin durchgehen ;)).

Jede Beziehung hat ihren eigenen Charakter - was wohl mehr als Binsenweisheit durchgeht,
dennoch ihre Berechtigung hat.

Du hast ganz richtig herausgestellt, dass es beiderseits Macken und Eigenarten gibt,
die es zu tolerieren gilt.
Eine Änderung zu erwarten ist in den allerseltensten Fällen von Erfolg gekrönt,
weil sich einer der Partner verbiegen müsste.

Und wer will das schon? Hat man sich nicht gerade auch in die Macken verliebt..?
Als nicht mehr ganz so junger Mensch sollte eine gewisse Souveränität die Oberhand gewinnen und behalten.

Die Fragen bleiben ohne Antworten, die auch nicht nötig sind, weil diese Fragen rein rhetorisch sind.

Zitat:

Zitat von Lai
...wie Du siehst, hat mich Deine KG sehr berührt. Bei der Beschäftigung damit konfrontierte ich meine eigenen Gespenster
und beim Niederschreiben des Kommis fand ich auch noch welche, die sich bis dato verborgen hielten.

*lächel* das ist auch der Grund, weshalb Psychologen keine Ratschläge erteilen :D:Aua:D

Nochmals meinen Dank für dein Feedback :Blume::Herz::Blume:

Lieben Gruß,
Chavi

Falderwald 02.10.2014 20:00

Hi Chavi,

jetzt schleiche ich schon eine ganze Weile um diesen Text und euren Austausch herum, weil ich nicht wusste, ob ich mich als Kerl in ein solches Frauengespräch einbringen sollte.

Nun habe ich mich doch entschlossen, mich mit ein paar Worte einzubringen. :)

Schon der alte Schopenhauer hat gesagt, dass sich ein Charakter niemals ändere.
Er kann sich nicht ändern, denn er ist so, wie er ist.
Aber er ist lernfähig und kann sein Verhalten anpassen, wenn er erkennt, dass sein bisheriges Gebaren nicht zum Erfolg führt.

In vielen Fällen aber, wo Gefühle wie die Liebe oder das, was man für Liebe hält, dazukommen, ist eine Definiton für diesen Erfolg nicht immer klar zu treffen.

Was will man wirklich und was ist man bereit, dafür zu zahlen.

Es heißt ja nicht umsonst, Liebe bedeutet Nehmen und Geben.

Bei allen anderen Dingen des täglichen Lebens achten wir sehr darauf, nicht übervorteilt zu werden. Ständig entstehen Verträge mit anderen Menschen (schon wenn man einkauft, mit dem Bus fährt etc.), bei denen wir möglichst gut abschneiden wollen.

Bei Liebes- und Partnerschaftsangelegenheiten aber geben wir uns immer betont selbstlos, da von Vertrag zu sprechen, käme uns nie in den Sinn.

Zudem glauben wir immer, unsere Liebe sei das höchste Gut auf Erden und der Partner müsse dankbar sein, dass er sie von uns bekommt.

Nun habe ich die "Liebe" auch schon öfter kennengelernt und ich muss sagen, manche "Lieben" waren mehr als bedrückend.

Diese Bauchliebe ist ein ganz besonderes Phänomen, denn wenn man fasziniert ist von einem potentiellen (ich habe jetzt extra nicht "potenten" geschrieben :D) Partner, dann übersieht man gerne manches, was man an anderen durchaus negativ bemerkt.

Ich würde sagen, nach ca. vier Jahren hat es sich zum größten Teil herausgestellt, wie der andere tickt und ob man damit umgehen kann.
Der Rest erledigt sich nach dem siebten Jahr.
Wenn beide bis dahin überwiegend positiv zurückblicken können, haben sie es geschafft, wenn nicht, sind Probleme vorhanden, die wahrscheinlich schon länger schwelten.

Dann muss sich jeder selbst darüber klar werden, was er wirklich will, und welchen Preis er tatsächlich bereit ist, dafür zu bezahlen.
Das ist ein knallhartes Geschäft und Abwägen, denn schließlich geht es um nicht mehr und nicht weniger als das eigene Leben.

Und dieses Leben kann nur jeder für sich selbst ändern.
Die Ängste sind groß, weil das Gewohnte bedroht ist und eine ungewisse Zukunft winkt.

Doch wie wir alle wissen, geht das Leben immer weiter, bis es irgendwann von selbst endet.

Vor einer Bindung kannst du dir so viele Gedanken machen, wie du willst, wenn diese Bindung erst zustande gekommen ist, stellt sich diese Frage gar nicht mehr.

Es ist auch immer ein Versuch, ein gewagtes Experiment mit ungewissem Ausgang.

Und wenn das Leben nicht mehr lebenswert ist und man die Chance hat, etwas zu ändern, dann sollte man das tun, denn mit jedem Tag, der verstreicht, wird der Faden kürzer.

Also bleiben solche Fragen auch immer ohne Antworten. Diese finden sich nur in der eigenen Welt. :)


In diesem Sinne gern gelesen und klug mitbesenft...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Lailany 03.10.2014 03:13

Zitat:

Zitat von Falderwald (Beitrag 80230)
Es ist auch immer ein Versuch, ein gewagtes Experiment mit ungewissem Ausgang.
Falderwald

Kia ora Chavi und Faldi,
Dieser eine kurze Satz beschreibt alles, was mit Liebe, Verliebtheit und all ihren facettenreichen Konsequenzen zu tun hat. Garantie gibts keine. Nie.
Aber was wär ein Leben ganz ohne Risiko, Hochs und Tiefs? KEIN Leben, nur Existenz.

LG von Lai:Blume:

Chavali 09.10.2014 13:15

Hi Faldi,

für deinen ausführlichen Kommentar bedanke ich mich.
Du hast mit vielen interessanten Ausführungen aufgezeigt, dass es nur darum geht, mit den
Gegebenheiten umzugehen.

Die rhetorischen Fragen ohne Antworten bleiben und sie sollen und können auch gar nicht
beantwortet werden.

Ein gewagtes Experiment mit ungewissem Ausgang ist jede Beziehung.
Niemand kann voraussagen, wie sie sich entwickeln wird.



Kia ora Lai,

Zitat:

Garantie gibts keine. Nie.
Aber was wär ein Leben ganz ohne Risiko, Hochs und Tiefs? KEIN Leben, nur Existenz.
So ist es.
Dann lieber das Leben mit allen seinen Facetten - auch wenn manche Fragen ohne Antworten bleiben ;)


Danke auch dir :Blume:



Liebe Grüße an euch beide!
Chavi





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