Gedichte-Eiland

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Seeräuber-Jenny 11.03.2009 23:58

Erlkönig besiegt
 
Ziellos treibe ich
durch dunkle Straßen,
bleich das Gesicht,
vom Wind zerzaust
mein wirres Haar.

Oben am Himmel,
hinter Nebelschleiern,
ein blassgelber Mond,
eingehüllt im Dunst
weißgrauer Wolken.

Mein rastloser Schritt
verliert sich einsam
auf nassem Asphalt.
Wie Irrlichter blendet
der Schein der Laternen.

Auf Zehenspitzen
durch raschelndes Laub.
Aus den Baumkronen
vernehme ich leise
Erlkönigs Raunen.

Im Namen seiner Söhne
lädt er mich zum Tanz.
Stehblues verspricht er,
Leidenschaften so heiß
und Wonnen so süß.

Im nachtschwarzen Kleid
mit einem Geschmeide
aus blauen Saphiren
und glänzenden Perlen,
kühlen Tränen gleich.

Im weißen Rolls Royce
versunken im Fond,
zum Schloss gefahren
von einem Chauffeur
gediegen in Grau.

Erlkönigs Söhne
empfangen mich
mit leeren Augen.
Sie geleiten mich
müde zur Tafel.

Ein Festmahl gar
wird aufgetragen
von einer Dame,
schwarz bekleidet
mit Schnurrbart.

Cognac und Scotch,
getrunken aus Stiefeln.
Champagner zerfließt
zwischen blutroten
welkenden Rosen.

Und Erlkönig spricht:
"Wir feiern im Jenseits.
Als Preis fordre ich
deinen Körper und
auch deine Seele."

Plötzlich packt mich
heilloses Entsetzen.
Bang frag ich mich:
"Ist mein Leben
verspielt und vertan?"

Lebenswille erwacht,
durchströmt meine Glieder.
Heiß siedet mein Blut.
Ganz laut schreie ich:
"Will leben! Will leben!"

Verfinstert sein Blick.
Seine eiskalte Faust
fährt mir ins Genick,
schubst mich unsanft
zur Kante der Klippe.

Doch ich kann Tai Chi,
stelle mich ganz ruhig hin
und mit gewaltiger Faust
schlägt er sich selbst k.o.
und ich bin frei!

Stolz und vergnügt
schreite ich voran,
trotz Sturm und Regen.
Hab keine Angst mehr:
Ich kann Tai Chi!

Chavali 12.03.2009 07:38

Liebe Jenny,

ein feines Stückchen ist dir da gelungen.
Eine gelungene Mischung aus Gesellschaftssatire und Angtbewältigung
(ich hoffe, ich habe das richtig verstanden?).
Die Länge hat mich gar nicht gestört, im Gegenteil, je länger, je spannender in diesem Fall.

Dein Werk ist ungereimt, aber es liest sich gefällig und flüssig.
Vielleicht ein wenig viel das Wörtchen mich?

Ein schönes Stück Prosalyrik :)


Lieben Gruß,
katzi

ReinART 12.03.2009 08:18

Liebe Jenny
ja, es ist ein spannende Geschichte und natürlich hat es Supikatzi richtig verstanden: Angstbewältigung, in einer Situation, wo die Nacht in der Stadt, einsam und bedrohlich wird.
Zitat:

Mein rastloser Schritt
verliert sich einsam
auf nassem Asphalt.
Wie Irrlicht blendet mich
der Schein der Laternen.

Auf Zehenspitzen
durch raschelndes Laub.
Aus den Baumkronen
vernehme ich leise
Erlkönigs Raunen.
Ich hätte hier noch einen kleinen Übergang geschaffen, mit dem die plötzliche , aus dem Unterbewusstsein aufsteigende Bedrohung, ersichtlicher wird.
Gerne gelesen und eine Zeile macht den Kohl auch nicht fetter.
Lieben Gruß
reinhard

Klatschmohn 12.03.2009 08:28

Liebe Jenny,

hier scheint für mich ein Traum verdichtet, der zuerst ganz sehnsüchtig und hingebungsvoll beginnt und in dem im Laufe des Gedichtes das Grauen überhand nimmt.
Wunderbar der Schluß: LI wird sich ihrer Fähigkeiten bewußt und wendet seine Fähigkeiten an.
Stolz und vergnügt
schreite ich voran,
trotz Sturm und Regen.
Hab keine Angst mehr:
Ich kann Tai Chi!


Das Ende erinnert mich an ein Lied von den "Black Föös"

"He du, ich kann Mikado"

Gerne gelesen,trotz der Länge,
Klatschmohn

Leier 12.03.2009 10:02

Liebe Jenny!

Das ist wieder einmal ein dolles Ding!
Auch wenn sie ungereimt sind:
Ich mag Deine Kurzverse.
Sinngemäß (erlköniglich) stimmt es nicht, denn im LyrI sehe ich kein tödliches Fieber am Wirken. Aber auch immanente" Fieber" können Phantasie und Angst hervorrufen.
Wie Du die Gegenwehr gegen diese blassen Söhne beschreibst: GUT!

Klitzekleine Anmerkungen:

--------------------------------------------------------------------------------

Ziellos treibe ich
durch dunkle Straßen,
bleich mein Gesicht,
vom Wind zerzaust
mein wirres Haar.

Oben am Himmel,
hinter Nebelschleiern,
ein blassgelber Mond,
eingehüllt im Dunst
weißgrauer Wolken.

Mein rastloser Schritt
verliert sich einsam
auf nassem Asphalt.
Wie Irrlicht blendet mich
der Schein der Laternen.

Auf Zehenspitzen
durch raschelndes Laub.
Aus den Baumkronen
vernehme ich leise
Erlkönigs Raunen.

Im Namen seiner Söhne
lädt er mich zum Tanz.
Stehblues verspricht er,
Leidenschaften so heiß
und Wonnen so süß.

Im nachtschwarzen Kleid
mit einem Geschmeide
aus grünen Smaragden (Pleonasmus. Smaragde sind per se grün. Wie wäre es mit "glitzernden Smaragden" oder "funkelnden Smaragden"?)
und aus blauen Perlen,
kühlen Tränen gleich.

Im weißen Rolls Royce
versunken im Fond,
zum Schloss gefahren
von einem Chauffeur
gediegen in grau. (in Grau)

Erlkönigs Söhne
empfangen mich
mit leeren Augen.
Sie geleiten mich
müde zur Tafel.

Ein Festmahl gar
wird aufgetragen
von einer Dame,
schwarz bekleidet (gekleidet?)
mit Schnurrbart.

Cognac und Scotch,
getrunken aus Stiefeln.
Champagner zerfließt
zwischen blutroten
welkenden Rosen.

Und Erlkönig spricht:
"Wir feiern im Jenseits.
Als Preis fordre ich
deinen Körper und
auch deine Seele."

Plötzlich packt mich
heilloses Entsetzen.
Bang frag ich mich:
"Ist mein Leben
verspielt und vertan?"

Wille erfasst mich,
durchströmt meine Glieder.
Heiß siedet mein Blut.
Ganz laut schreie ich:
"Will leben, will leben!" (Leben will ich! Will leben! ...?)
Verfinstert sein Blick.
Seine eiskalte Faust
fährt mir ins Genick,
schubst mich unsanft
rüber zum Abgrund. ("rüber" klingt mir zu salopp. Wie waäre es mit "an den Rand des Abgrunds" ?)
Doch ich kann Tai Chi,
stelle mich ganz ruhig hin
und mit gewaltiger Faust
schlägt er sich selbst k.o.
und ich bin frei!

Stolz und vergnügt
schreite ich voran,
trotz Sturm und Regen.
Hab keine Angst mehr:
Ich kann Tai Chi!
__________________


Dein Gedicht ist so vieldeutig, so subjektiv interpretierbar, daß es ein Vergnügen ist, darin zu gründeln!
Grandios.
Erlkönig, Faust, Teufel, Inferno, Widerstand, Selbstbewußtsein, Kraft, Stärke, Ängste, Zweifel: ALLES drin!
Grandios.

Lieben Gruß
von
cyparis

Seeräuber-Jenny 13.03.2009 23:58

Ahoi katzi,

du hast es richtig verstanden und ich danke dir für deinen lieben Kommentar. Prosalyrik, fein! Ich denke, es muss so lang sein, damit sich der Bilderbogen entfalten kann.

Aye, du hast recht. Das Wort "mich" kam reichlich oft vor. War mir gar nicht so bewusst. Gut, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast. Ein paarmal konnte ich es ersetzen.

Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny

;)

Ahoi Reinhard,

aye, wenn die Nacht bedrohlich wird, ist es von Vorteil, wenn man auf eine Kampfkunst zurückgreifen kann, und wenn der Angreifer die volle Wucht seines Angriffs selbst abbekommt, umso besser.

Habe soeben ein paar Versuche unternommen, einen Übergang zu schaffen. Es ist mir nicht gelungen, weil das Gedicht in sich geschlossen ist und offensichtlich durch eine weitere Strophe auseinandergerissen würde. Aber ich werde noch weiter darüber nachdenken.

Danke für dein Lob und deinen Vorschlag.

Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny

:)

Ahoi Klatschmohn,

aye, allein in der Nacht herum zu irren kann zum Albtraum werden. Aber wenn man Tai Chi oder Mikado kann, ist alles halb so wild. :D

Ja, das Gedicht ist schon ziemlich lang, deswegen habe ich mich bemüht, die Zeilen kurz zu halten.

Freut mich, dass es dir gefällt.

Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny

:o

Ahoi cyparis,

nein, es muss nicht notwendigerweise ein Fieber im Spiel sein:

Goethes "Erlkönig" liegt eine von Herder übersetzte dänische Ballade zugrunde, "Erlkönigs Tochter". Das dänische Wort heißt "Ellerkonge" und bedeutet "Elfenkönig". Die Worte "Ellerkonge" oder Elberich ("rich" bedeutet "König") und Alberich haben dieselbe ethymologische Wurzel. Der Zwerg Alberich ist der König der Unterwelt und taucht schon im Nibelungenlied auf. Die Wurzel "alb" bedeutet ursprünglich "weiß".

Der dänische "Ellerkonge" sei in Wahrheit der altenglische Gott Bran, der "König der Erlen", schreibt Robert von Ranke-Graves in "Die Weiße Göttin". Des Rätsels Lösung verbirgt sich in einer uralten walisischen Sage, der "Schlacht der Bäume", die von keltischen Druiden und später von Minnesängern mündlich überliefert wurde. Diese Sage schildert in verschlüsselter Form die Eroberung einen Totenstadt auf der Ebene von Salisbury während der Invasion Britanniens durch die Kelten. Die Götter kämpfen als Bäume gegeneinander.

(Quelle: Burkhard Schröder)


Habe das Gedicht auf deine Vorschläge hin noch ein bisschen verändert.

Die grünen Smaragde habe ich durch blaue Saphire ersetzt. Deswegen sind die Perlen nicht mehr blau, sondern glänzend.

Das Wort bekleidet habe ich gewählt, weil es sich sowohl auf ein Kleid als auch auf den Schnurrbart beziehen kann. Möglicherweise trägt die Dame auch nichts weiter als einen großen Schnurrbart.

Durch die Wiederholung "Will leben, will leben" wollte ich diesem Ausruf noch mehr Nachdruck verleihen. Nunmehr habe ich zwei Sätze mit Ausrufezeichen draus gemacht: "Will leben! Will leben!"

Aus rüber zum Abgrund wurde zur Kante der Klippe.

Gruselige Grüße
Seeräuber-Jenny


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