Gedichte-Eiland

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Ibrahim 07.11.2012 09:52

Das Einhorn im Stadtpark
 
Ein Pferd, aus edlem Marmorstein geschlagen,
erhebt sich in bedrohlicher Pesade.
Der Narwalzahn auf seiner Stirne zeigt gerade
ins Reich des Einhorns, scheint zu sagen,
komm doch mit mir, mein Rücken wird dich tragen.

Ich lasse mich vom Mythenross gewinnen,
hab schon die Ruhebank im Park verlassen,
gerade kann ich noch die Mähne fassen,
da zeigt das kalte Steingebilde meinen Sinnen
ein Bild, dem mag mein Wille nicht entrinnen.

Schon wärmen heiße Ströme aus den Nüstern
die Wangen mir im Flug durch Wolkenschwaden.
Das Einhorn galoppiert, ich hör Tiraden
vom Wundervogel, hör die Elfen flüstern
aus Regenbögen, die sich nie verdüstern.

Ich lausch dem Lachen unbeschwerter Kinder,
die zum Erstaunen weiße Flügel tragen,
mich höflich nach dem Ziel der Reise fragen.
Ein Hase grüßt mich, lüftet den Zylinder,
im Vollmond grasen quergestreifte Rinder.

Da fragt mich jemand, reißt mich aus den Träumen,
ob diese Bank wohl Platz für ihn noch hätte,
er liebe diese wunderbare Stätte
und möchte heut den Ausritt nicht versäumen.
Dann setzt er an, das Standbild aufzuzäumen.

Chavali 07.11.2012 16:50

Hallo Ingo,

ein wundersamer Traum in wunderbare Worte gesetzt.
Gefällt mir sehr.
Wozu solche Steinfiguren einen manchmal zu inspirieren vermögen!

Lediglich hier komme ich etwas ins Trudeln
Zitat:

wo, Schande solches Anbot zu versäumen,
Gedanken kalten Stein zum Leben zäumen.
Das verstehe ich vom Sinn her nicht und es ist auch ein wenig seltsam ausgedrückt.
Anbot soll sicher poetisch für Angebot sein - habe ich aber noch nie gehört.
Für die Betonung gekürzt?
Ein Neogolismus ala Ingo Baumgartner...?;)

Und die letzte Zeile ist auch irgendwie verquer.
Wahrscheinlich wolltest du damit ausdrücken, was ich in oben von der Inspiration sagte.

Alles in allem ein wunderschönes Gedicht!

Lieben Gruß,
Chavali

Ibrahim 07.11.2012 17:06

Hallo Chavalli!
Vorerst herzlichen Dank für den auführlichen Kommentar!

Zum Anbot - nein kein Neologismus, sondern (vielleicht nur österreichische) Form von Angebot. Ein Anbot machen - zum Beispiel Handwerker, ....

Letzte Zeile - ohne vorletzte ganz unverständlich:
wo, ....., Gedanken kalten Stein zum Leben zäumen.
ein Pferd (auf)zäumen - es fertig zum Ausritt machen etwa)
Gedanken zäumen einen Stein zum Leben (auf) - machen ihn lebendig.
Zugegeben, Chavalli - eine schwere Kost :D :D
LG Ingo

Falderwald 15.11.2012 18:39

Hallo Ibrahim,

ein ganz wunderbarer Text, der mich in seinen Bann gezogen hat, ist dir hier gelungen.

Er mutet wirklich märchenhaft an und fließt fast von selbst durch alle Zeilen.

Ich könnte jetzt auch keine Strophe besonders hervorheben, denn sie sind alle gelungen und traumhaft schön.


Gerne gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Ibrahim 16.11.2012 15:14

Ein Lob von Falderwald, das baut auf. Danke dir herzlich
LG Ingo

Erich Kykal 16.11.2012 18:17

Hi, Ibrahim!

Ein stilistisch sehr gelungenes Gedicht - bis auf 2 Details:

S1 - Wortwiederholung "-horn" in "Narwalhorn" und, eine Zeile drunter, "Einhorns". Die Korrektur hier ist simpel und sowieso richtiger: Da das "Horn" des Narwals ein Zahn ist, schreib doch einfach: "Narwalzahn".

Die letzten beiden Zeilen des Gedichts wirken leider durch den Einschub sehr überkonstruiert, stilistisch bemüht (zB "Anbot", "zum Leben zäumen") und dem Reim geschuldet. Diese Conclusio würde ich auf jeden Fall nochmals überarbeiten oder lieber gleich neu schreiben. Das Werk hätte es verdient!


Sehr gern gelesen!

LG, eKy

Thomas 16.11.2012 20:40

Hallo Ibrahim,

ganz ohne Kritik und Anmerkung - es ist ein schönes, phantasievolles und phantasieanregendes Gedicht, wie man es gerne liest.

Liebe Grüße
Thomas

Dana 16.11.2012 21:26

Hallo Ibrahim,

Zitat:

Zitat von Ibrahim
wo, Schande solches Anbot zu versäumen,
Gedanken kalten Stein zum Leben zäumen

.

So las ich alle Strophen, ungezäumt, ließ diesen Jemand Platz nehmen und sah weiter, was ich sah.:)

Wunderschön und wunderbar,
liebe Grüße
Dana

Ibrahim 17.11.2012 08:24

Hallo Erich!
Herzlichen Dank für den Kommentar und die Hinweise.
Narwalhorn, ja, der korrekte Narwalzahn schien mir allgemein für zu unverständlich.
Zur Überkonstruktion: Ich wollte unbedingt das Bild unterbringen, wie Gedanken ein Steingebilde aufzäumen und damit zum Leben erwecken können. Zugegeben etwas verwirrend. :D
LG Ingo
Hallo Thomas!
Danke dir fürs Lesen und natürlich auch fürs "Gefallen". :)
LG Ingo

Hallo Dana!
Freut mich, dass du den "Ausritt auf dem Einhorn" mitgemacht hast. Danke.
LG Ingo

Erich Kykal 17.11.2012 14:38

Hi, Ibrahim!

Und grade WEIL du das "unbedingt" unterbringen willst, wird es leider kein Werk sein, das man in hundert Jahren vielleicht noch zitiert.

Bedenke dies: Alle Gedichte, die die Zeitenläufte überlebt haben und sozusagen Teil des deutschen Sprachgutes geworden sind, haben das nicht wegen irgendwelcher speziellen Intentionen ihrer Autoren geschafft, wie sozialkritische Aussagen oder auf Kosten des Gesamteindrucks unbedingt unterzubringenden Bildern. Sowas kann - mit zunehmender zeitkultureller Distanz - irgendwann ohnehin kaum mehr nachvollzogen werden.
Nein, wenn sie heute noch im allgemeinen Sprachschatz gebildeter Schichten sind, dann ihrer sprachlichen Perfektion wegen, die die Gefühlsebene des Lesers perfekt mit dem Inhalt kurzzuschließen weiß, und manchmal sogar nur wegen der magisch schönen Sprache an sich.

Ich sage nicht, dass man ALLES der Sprache unterordnen sollte, aber gerade bei Lyrik scheint sie mir nun mal das Wichtigste überhaupt zu sein, besonders bei diesem hypnotisch getragenen, fließenden Stil.

So, Ende der kleinen Vorlesung. Nun mach weiter, wie du meinst....:cool:;):D

LG, eKy


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