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Thomas 17.02.2013 20:12

Sonett 130 - William Shakespeare
 
Übertragung
Shakespears Sonett 130

Des Liebchens Augen sind nicht wie der Sonne Licht,
Korallen sind viel röter als ihr Lippenpaar
und weiß wie Schnee ist ihre Brust beileibe nicht,
ein krauser Bund aus schwarzen Fäden ist ihr Haar.

Ich sah damastne Rosen, weiße und auch rote,
auf ihren Wangen hab ich solche nie gesehen;
Parfüms verbreiten meistens eine bessre Note
als Düfte, die aus meines Liebchens Atem wehen.

Ich höre sie sehr gerne reden, aber sie,
das weiß ich, klingt nicht wie Musik der Himmelssphäre;
auch eine Göttin schreiten sah ich leider nie,
mein Liebchen, wenn es läuft, folgt ganz der Erdenschwere.

Und dennoch, Liebe, bist du himmlisch rein und selten,
dass die Vergleiche lügen und für dich nicht gelten.



Anmerkung:

Original Sonett 130 von William Shakespeare

My mistress' eyes are nothing like the sun;
Coral is far more red than her lips' red;
If snow be white, why then her breasts are dun;
If hairs be wires, black wires grow on her head.

I have seen roses damasked, red and white,
But no such roses see I in her cheeks;
And in some perfumes is there more delight
Than in the breath that from my mistress reeks.

I love to hear her speak, yet well I know
That music hath a far more pleasing sound;
I grant I never saw a goddess go;
My mistress when she walks treads on the ground.

And yet, by heaven, I think my love as rare
As any she belied with false compare.



Wie so oft in Shakespeares Sonetten bringt das letzte Zeilenpaar eine entscheidende Wende oder Ironie zum Ausdruck. In diesem Fall ist es die doppelte Bedeutung von " my love" - meine Liebe/Geliebte. Ich habe das versucht hervorzuheben, indem ich für "mistress" das Wort "Liebchen" wählte.

Shakespeares Liebchen sieht man als ganz natürliches Mädchen vom Lande, welches in seiner Art den höflich-kunstvoll gekünstelten Liebschaften der kultivierten Gesellschaft gegenübergestellt wird, indem der Reihe nach die üblichen Vergleiche mit der Sonne, dem Schnee, etc. aufgezählt und für unpassend erklärt werden. Damit ist das Sonett jedoch gleichzeitig eine Polemik gegen die schwülstige und verlogene Liebeslyrik, die sich in übertriebenen Vergleichen ergeht. Wahre Liebe tut das nicht und Shakespeares Liebchen könnte auch gar nichts damit anfangen.

Eine dritte Ebene der Ironie kommt hinzu, wenn man das Gedicht heute liest bzw. überträgt, denn die Form des Sonetts wirkt heute recht kunstvoll, manche meinen sogar steif und unfrei, während es damals in der von Shakespeare entwickelten Form etwas ganz Neues und Frisches war. Deswegen ist es meiner Meinung nach beim Übertragen wichtig, möglichst normale Worte und Wendungen zu gebrauchen, keine Inversionen zu verwenden und alles zu versuchen, die strenge Form des Sonetts nicht in den Vordergrund treten zu lassen.

Da die deutsche Sprache ein wenig mehr Silben für den gleichen Inhalt braucht als die englische, habe ich pro Zeile (nicht wie Shakespeare fünf, sondern) sechs Jamben gewählt, was das Sonett im Deutschen aber gut verträgt, da es im Deutschen ursprünglich im sechsfüßigen Alexandriner bekannt wurde und erst später auf fünf Füße gestellt wurde.



Falderwald 23.02.2013 10:25

Hi Thomas,

ich finde, das ist eine durchaus gelungene Übersetzung dieses Shakespear-Sonetts, welches die Ironie auf der einen Seite gut herüberbringt, auf der anderen Seite aber auch zeigt, wie egal der Liebe solche Dinge sind.
Denn gleichgültig wen diese Liebe "trifft", sie trifft immer einen ganz normalen Menschen, auch wenn man das vielleicht nicht wahrhaben will, weil dieser Mensch dem Liebenden eben etwas ganz Besonderes ist.

Aber es ist durchaus hilfreich, um diese Dinge zu wissen, damit man die eigenen Ansprüche an den/die Geliebte(n) nicht zu hoch stellt, denn nur so wird man letztendlich vor Enttäuschungen geschützt.

Und wie heißt es doch so schön:

Wo die Liebe hinfällt, dort bleibt sie liegen.

Trotzdem ist auch gar nicht dagegen einzuwenden, wenn Klaus Lage singt:

Ihr müsst sie nur einmal mit meinen Augen sehen, die absolute Frau, ihr würdet mich verstehen.

Trotzdem beinhaltet dieses Sonett neben Ironie und Wirklichkeit auch Humor und Weisheit.

Und so gerüstet, kann doch eigentlich nichts mehr schief gehen, oder?


Gerne gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Erich Kykal 23.02.2013 11:45

Hi, Thomas!

Mir verbleibt nur, mich Faldis Lob und Meinung anzuschließen: eine ausgesprochen gelungene Übersetzung/Übertragung!

Sehr genossen und gerne gelesen!

LG, eKy

Thomas 24.02.2013 21:20

Lieber Falderwald, lieber Erich,

herzlichen Dank für eure Kommentare. Ich muss gestehen, dass es mich ein wenig stolz macht, dass ihr, die ihr euch beide mit der Form des Sonetts wirklich sehr gut auskennt, meine Übertragung positiv seht.

Vielen Dank und liebe grüße
Thomas

P.S.: Ich spreche von Übersetzung, wenn der Inhalt eines Gedichtes möglichst korrekt, ohne Beachtung der Form, in eine andere Sprache übersetzt wird. Wenn dieses zusätzlich in der gleichen, oder einer angemessenen anderen poetischen Form geschieht, nenne ich das eine Übertragung.

Dana 25.02.2013 20:16

Lieber Thomas,
und nun ein Kommentar von einer "Sonettunbekümmerten", mangels Talent.:o

Eine schöne und gute Übertragung, die meiner Meinung nach Liebe besser nicht erklären kann. Ganz bestimmt wäre Shakespeare glücklich darüber.

Wo Dichter sich um Lyrikglanz bemühen, schafft es der Volksmund mit nur einem Satz: "Wat dem eenen sien Uhl, is dem annern sien Nachtigall.":D

Man erkennt den anfänglichen Humor in Widerrede, das Ausweichen der einst geltenden und erforderlichen Übertreibung in Wort und Bild und lächelt ob der wahren Liebe in den zwei letzten Versen.:)

Thomas, sie haben gute Arbeit geleistet. :)

Liebe Grüße
Dana

Valenice 26.02.2013 09:49

Hallo Thomas!

Mir gefällt deine Übertragung auch sehr gut. Besonders hervorheben möchte ich den Riem Himmelsphäre/Erdenschwere. Ich selbst habe ihn so zuvor noch nicht gelesen. Er passt hier ausgezeichnet. :)

Liebe Grüße
Valenice

Thomas 02.03.2013 20:00

Liebe Dana,

vielen Dank für deinen lieben Kommentar. Ich denke deine Bemerkung bezüglich der letzten beiden Zeilen ist ganz typisch für Shakespeares Sonette. Er hat meiner Meinung nach die Form des Sonetts (4/4//3/3 - antithetisch, statisch) weiterentwickelt (4/4/4//2 - entwickelnd, dynamsich) wobei die beiden Schlusszeilen sehr oft eine neue, oder tiefer Sichweise der in den drei aufeindander aufbauenden Strophen davor ermöglichen.

Liebe Grüße
Thomas


Hallo Valenice,

vielen Dank für deine positive Bestätigung.

Liebe Grüße
Thomas


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