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Pedro 17.01.2010 09:45

Inshallah
 
Inshallah



Er sah auf den Wecker auf dem Nachttisch. 10.00 Uhr war es. Er hatte noch eine Stunde Zeit.
Länger geschlafen als sonst hatte er. Lange hatten sie in der Nacht diskutiert.
Hakim zog sich so an, als würde er zu einem Fest gehen. Als er in die Küche kam, sah er seine Frau, sie bereitete das Mittagessen vor. Sein Sohn spielte in einer Ecke mit einem Feuerwehrauto. Sie brachte ihm Kaffee „Zum Mittagessen bin ich wieder da“, sagte er.
Er stieg die schmale Treppe aus dem zweiten Stock hinunter. Als er aus der Haustür kam, blendete ihn die Sonne, er konnte zunächst nur Schatten erkennen.
Er ging in Richtung Wochenmarkt. Hier war er oft zur U-Bahn gegangen und zur Arbeit gefahren.

Das Gedränge wurde immer größer, überall Menschen, die verkauften und kauften, Blumen, Obst und Gemüse, Gewürze, Töpfe aus Ton.
Er dachte an seine Eltern und Geschwister. Sie lebten nicht mehr; irrtümlich war ihr Haus von einer Bombe getroffen worden, wie man ihm gesagt hatte.
Sein Vater war Bauer gewesen, sie bescheiden gelebt. Was in den Städten passierte, bekamen sie kaum mit.
Ein paar Schafe und Ziegen hatten sie , Olivenbäume und einen kleinen Hund.
Aber plötzlich flogen Flugzeuge über sie, zum ersten Mal sah er Panzer vorbeifahren, Männer in Uniform aus anderen Ländern kamen und blieben.

Hakim drängte sich durch die Menschenmassen. Er war jetzt etwa in der Mitte des Marktes. Zwei Polizisten kamen ihm entgegen, sahen ihn kurz an, gingen weiter.
Ihm wurde immer heißer, er griff unter seinen Mantel und fasste die Schnur an. Ihm wurde erst jetzt richtig bewusst, was er da machen wollte; seine Sicherheit verlor sich ein wenig, er versuchte sich zu beruhigen.
Für seine Familie würde gesorgt werden, sie würde Deutschland verlassen. Er war jetzt und hier im Einsatz, im Dschihad, im Einsatz für die Sache Gottes.
Ihm waren in der letzten Nacht nicht die beiden Grabesengel erschienen, hatten ihn nicht über seinen Glauben befragt; er würde direkt ins Paradies eingehen.
Er tauschte dieses diesseitige Leben für ein jenseitiges ein, damit die nach ihm kamen, sich nicht mehr fürchten , nicht mehr trauern müssten.

Alles begann sich um ihn herum zu drehen, zu kreisen. Er hörte Geräusche, Verkehrslärm, Stimmen, als hätte er Wasser in den Ohren.
Er zog an der Schnur.
Und dann sah er seine Frau und seinen Sohn. Sie liefen ihm winkend entgegen. Jetzt waren sie schon fast bei ihm.
„Allah’u Akba“, flüsterte er.

Falderwald 25.01.2010 22:49

Hallo Pedro,

ja, Gott (Allah) ist der Größte.

Wieviele (junge) Menschen wurden im Namen eines Gottes schon verführt, ausgenutzt und ihr Leben letztendlich weggeworfen...

Du beschreibst in deiner kurzweiligen Geschichte einen Kämpfer, der sich im heiligen Krieg befindet.
Wir nennen so etwas einen Selbstmordterroristen.

Die Ironie in deiner Geschichte ist, daß er nicht nur seinen Anschlag verübt, sondern auch seine eigene Familie mit in die Luft sprengt.

Alles im Namen der Religion und für einen Glauben, der äußerst zweifelhaft erscheint, wenn er solche Dinge von seinen Anhängern verlangt.

Gott, Allah, Jehova oder wie man ihn sonst noch nennen mag, gilt als Schöpfer des Lebens und würde niemals Mord, Totschlag oder Terrorattentate befehlen oder gutheißen.
Dahinter stecken immer Menschen, welche die Gläubigkeit ihrer Artgenossen benutzen, um ihre eigenen Ziele durchzusetzen.

Verstehen kann man so etwas nicht.

Du beschreibst hier in anschaulichen Bildern einen kleinen schrecklichen Teil unserer heutigen Realität.


In diesem Sinne gerne gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Pedro 26.01.2010 11:09

Hallo Federwald,

freut mich, dass du meinen Schreibversuch gerne gelesen hast. "Gerne" meine ich in Anfuehrungsstrichen. So wie du den Text verstanden hast war es gemeint.

Gruss

Pedro

Quicksilver 26.01.2010 19:43

Hallo Pedro,

dein aufzählender, Stakkato-ähnlicher Stil, verbunden mit der sehr einfachen Sprache in dieser Geschichte, unterstützt recht gut eine hintergründige Wahrheit an solchen Vorkommnissen:

Die Selbstmordattentäter sind meist nicht gebildet genug, um zu erkennen, dass sie benutzt werden.

Falderwald muss ich korrigieren. Der Glaube des Islam an sich verlangt so etwas nicht von seinen Anhängern. Es sind vielmehr die, die Macht innerhalb der jeweiligen Institution innehaben. Das war und ist im Christentum und jeder anderen religiösen Institution nicht anders. Es ist sogar in keiner sonstigen Institution anders ;)

Diese Stelle unterstreicht das besonders:
Zitat:

irrtümlich war ihr Haus von einer Bombe getroffen worden, wie man ihm gesagt hatte.
Ich an Stelle des Attentäters müsste mich doch fragen, warum der Imam oder wer anders mich dafür aussucht? Wenn er doch so sehr davon überzeugt ist, dass einen Märtyrer im Himmel 72 Jungfrauen und ewige Glückseligkeit erwarten, warum tut dieser gläubige Mensch es dann nicht selbst? Warum geht er nicht mit gutem Beispiel voran?

Gute Denkanstöße lieferst du hier.

Grüße
von
Quicksilver

Falderwald 26.01.2010 20:43

Hallo Pedro, hallo Quicksilver,

ich habe mich vielleicht etwas missverständlich ausgedrückt und bezog dies auch nicht speziell auf den Islam.

Zitat:

Zitat von Quicksilver
Der Glaube des Islam an sich verlangt so etwas nicht von seinen Anhängern. Es sind vielmehr die, die Macht innerhalb der jeweiligen Institution innehaben.

Zitat:

Zitat von Falderwald
Alles im Namen der Religion und für einen Glauben, der äußerst zweifelhaft erscheint, wenn er solche Dinge von seinen Anhängern verlangt.

...

Dahinter stecken immer Menschen, welche die Gläubigkeit ihrer Artgenossen benutzen, um ihre eigenen Ziele durchzusetzen.

Ich hätte schreiben sollen: Im Namen einer Religion und für einen Glauben, der äußerst zweifelhaft erscheint, wenn er solche Dinge von seinen Anhängern verlangt.

Im Grunde ist jede Religion an sich friedlich.
Es kommt eben immer nur darauf an, wie sie von den jeweiligen und augenblicklichen Funktionären missbräuchlich ausgelegt wird.

Das wollte ich nur noch mal kurz klarstellen...:)


Liebe Grüße

Falderwald

Pedro 27.01.2010 07:53

Hallo Quicksilver,

Zitat:

Der Selbstmordattentäter sind meist nicht gebildet genug, um zu erkennen, dass sie benutzt werden.
- die Selbstmordattentaeter stammen meist aus der Oberschicht, haben oft ein Studium abgeschlossen.

Zitat:

Falderwald muss ich korrigieren. Der Glaube des Islam an sich verlangt so etwas nicht von seinen Anhängern. Es sind vielmehr die, die Macht innerhalb der jeweiligen Institution innehaben. Das war und ist im Christentum und jeder anderen religiösen Institution nicht anders.
- zumindest im Christentum (Altes Testament) verlangt ein Gott, dass seine Anhaenger alle umbringen, die ihnen (ihm) im Wege stehen, Maenner, Frauen, Kinder, Tiere. (So haben es Menschen, die damals in einer Institution Macht hatten, aufgeschrieben.)
Soweit mir bekannt ist, galten die 10 Gebote (Du sollst nicht toeten) zunaechst nur fuer eine "auserwaehlte"Gruppe untereinander.

Zitat:

dass einen Märtyrer im Himmel 72 Jungfrauen und ewige Glückseligkeit erwarten,
- habe gehoert, dass die Vorstellung "Jungfrauen" wegen eines Uebersetzungsfehlers entstanden sei


Zitat:

Gute Denkanstöße lieferst du hier.
- das freut mich

Gruss

Pedro

Quicksilver 27.01.2010 10:14

Hallo Pedro,

Zitat:

- die Selbstmordattentaeter stammen meist aus der Oberschicht, haben oft ein Studium abgeschlossen.
Ich gebe zu, dass ich das nicht widerlegen kann. Wenn dem aber wirklich so ist, hast du durch die Sprache in dieser Geschichte einen falschen Eindruck erweckt. Sie ist sehr einfach gehalten und die Gedanken des Attentäters wirken auf mich nicht so, wie die eines durchschnittlich gebildeten Menschen.

Zitat:

- habe gehoert, dass die Vorstellung "Jungfrauen" wegen eines Uebersetzungsfehlers entstanden sei
Gehört habe ich das auch. Da ich aber keine arabische Sprache beherrsche, kann ich es nicht abschließend beurteilen ;)

Grüße
von
Quicksilver

Pedro 04.02.2010 08:28

Hallo Quicksilver,

Zitat:

die Gedanken des Attentäters wirken auf mich nicht so, wie die eines durchschnittlich gebildeten Menschen.
- ich habe geschrieben, dass die Attentaeter "meist" aus der Oberschicht stammen.
- ich kann nicht nachvollziehen, dass die Gedanken des Attentaeters in meiner Geschichte niederes Niveau haben.

Ich danke dir, dass du dich mit dem Text beschaeftigst. Vielleicht sollte ich da was aendern, verdeutlichen.

Gruss

Pedro

Quicksilver 11.02.2010 09:16

Hallo Pedro,

die niedere Bildung habe ich u.a. an folgendem festgemacht:

Zitat:

Er dachte an seine Eltern und Geschwister. Sie lebten nicht mehr; irrtümlich war ihr Haus von einer Bombe getroffen worden, wie man ihm gesagt hatte.
- Gesagtes ohne Beweise einfach so hinzunehmen spricht nicht für einen kritischen, intelligenten Charakter

Zitat:

Sein Vater war Bauer gewesen, sie bescheiden gelebt. Was in den Städten passierte, bekamen sie kaum mit.
Ein paar Schafe und Ziegen hatten sie , Olivenbäume und einen kleinen Hund.
Aber plötzlich flogen Flugzeuge über sie, zum ersten Mal sah er Panzer vorbeifahren, Männer in Uniform aus anderen Ländern kamen und blieben.
- Du beschreibst nach diesen Eindrücken nicht, dass er zur Schule ging, den Wohnort, das Land wechselte oder dergleichen. Dementsprechend geht man davon aus, er sei immer noch "fremd" in dieser neuen Welt. Dass er mit der U-Bahn stets zur Arbeit fuhr, ändert daran nichts. Auflösen könntest du diese Diskrepanz, wenn du kurz erwähnst, als was er gearbeitet hat und seit wann er in Deutschland?! lebt.

Die Punkte sind natürlich rein subjektiv und verstärken sich durch die auch sonst sehr einfach gehaltene Sprache.

Gruß
von
Quicksilver

Pedro 12.02.2010 10:29

Hallo Quicksilver,

ich habe hier versucht, in einer Momentaufnahme einen Sachverhalt zu schildern.
Es handelt sich um einen Auszug, eine Zusammenfassung eines längeren Textes, den ich einmal geschrieben habe.
Ich habe hier nicht ausgeführt, dass er damals, als seine Familie starb, ein Kind war, später eine Ausbildung als Arzt in seinem Land erhielt, als "Sclhäfer" ausgebildet wurde, nach Deutschland kam, hier als Krankenpfleger arbeitete.

Dieser langer Text war für mich unbefriedigend. Ich merkte, dass ich seine Mentalität nicht verstand, dem Leser nicht übermitteln konnte. Den Werdegang eines religiösen Fanatikers zu schildern, haben schon andere vergeblich versucht. (Updike: Der Terrorist)

Ich danke dir, dass du dich mit meinem Text so ausführlich beschäftigt hast,
eventuell muss ich ihn noch einmal überarbeiten.

Gruß

Pedro


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