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Quicksilver 16.01.2010 14:41

Bunt
 
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Er öffnete seine Augen und sah nichts außer die kahlen Wänden, fahlen Gesichtern, farblosen Anzügen und leblosen Maschinen. Die Welt um ihn war trist, grau und spröde. In ihrer Art auch unehrlich und gemein. „Wo bin ich hier gelandet?“ fragte er sich. „War das wirklich das, was ich wollte?“ Diese Gedanken kamen ihm nicht zum ersten Mal.

Tief in seinem Inneren hatte er immer gewusst, dass diese Welt existierte und er nur die Augen schloss um ihr zu entrinnen. Dies funktionierte viele, sorglose und glückliche Jahre äußerst erfolgreich. Es gab mal eine Menge Farbtupfer in seinem Leben und diese waren nicht wie die Farben, die hier vorherrschten, wie z.B. weiß gesprenkeltes Schwarz mit einer grauen Schattierung. Die Tupfer waren irgendwie – bunter...

„Früher“ seufzte er in sich hinein. Er konnte früher tun, was er wollte, konnte hingehen, wohin seine Lust und Laune ihn gerade trieb. Nun war er schon längst ein Gefangener in einem kalten, sterilen und öden Gefängnis. Er konnte sich nicht dagegen wehren - er dachte noch nicht einmal daran. Die Normalität, die im vorgegaukelt wurde, hielt ihn mit eisernen Klauen hier auf seinem Sitz. Der Gedanke an ‚früher’ ließ ihn zwar erschaudern und stimmte ihn melancholisch, doch vermochte er ihn nicht dazu zu bewegen, aufzustehen und gegen diese Welt aufzubegehren.

Ein lautes Rattern von einer der Maschinen ließ ihn zusammenzucken und unterbrach jäh seinen Gedankengang. Die Idee, die sein Unterbewusstsein nun schon so manches Mal durchgespielt hatte, wollte sich jedoch nicht so schnell geschlagen geben. Sie drang mit aller Macht an die Oberfläche und rang seinem Mund noch einen letzten Seufzer ab.

„Früher war alles viel bunter...“ hauchte er in den, mittlerweile vom Rattern der Maschine befreiten Raum hinein. Lediglich ein emsiges Tippeln und Tappeln war sonst für alle noch zu hören. Doch das unterstrich den Sehnsuchtshauch viel eher, als dass es ihn übertünchte. Erschrocken über seinen Ausspruch hob er blitzschnell seine Hände zum Mund. Ihm wurde erst jetzt klar, dass es schon zu spät war um die Worte zu unterdrücken. Sein Unterbewusstsein hatte gesiegt und er war sich sicher, nun den Hohn und die bohrend fragenden Blicke seiner Kollegen für alle Zeit gepachtet zu haben. Ebenso wie die Verachtung, die einem Träumer im Tristen nun einmal zuteil wurde.

Er hob endlich den Blick und war erstaunt, dass der Mann am Schreibtisch gegenüber ihn nicht anstarrte, sondern vielmehr beinahe katatonisch den Blick gesenkt hielt und seinen Mund das Wort ‚bunt’ formen ließ. Ein warmer, wohliger Windschwall schien über seinen Nacken zu rieseln, als wollte er von einer schönen Zeit in einem fernen Land künden. All seine kleinen Härchen richteten sich auf – ein Gefühl, welches er schon jahrelang nicht mehr verspürt hatte. Es erfüllte ihn durch und durch.

Jetzt wendete er den Blick zu seinem Tischnachbarn. Dieser zeigte eine ganz ähnliche Reaktion. Die Lippen formten dasselbe Wort, doch schienen seine Gedanken noch weiter entfernt zu sein, denn seine Augen erstrahlten in einem freudigen Glanz. Am Tisch nebenan waren ähnliche Verhaltensmuster zu erkennen und je mehr Tische er sich ansah, umso größer wurde die Anzahl der Lippen die das Wort „bunt“ murmelten, bis die stumme Welle schlussendlich den ganzen Raum überrollt hatte. Er kam sich vor wie in einem surrealistischen Bild, in dem die Flüsse aufwärts flossen und eins und eins nicht zwei ergaben.

Plötzlich überkam ihn der Drang aufzustehen und als er diesem nachgab, sah er, dass sich alle anderen im Raum ebenfalls aufrichteten. Er ließ sich fortan nur noch mit den anderen treiben. Die sanfte Strömung führte sie zur Farbe und wieder zum Raum zurück.

„Es ist so schön bunt hier“ seufzte Martin glücklich...

Pedro 27.01.2010 08:24

Hallo Quicksilver,

du beschreibst bildhaft, wie jemand in seinem Alltag zunaechst ziemlich zufrieden lebt, dann aufwacht, sich vergeblich bemueht, dem Trott zu entrinnrn. fast erstickt.
Schliesslich merkt er, dass es vielen anderen so wie ihm ergeht, dass man gemeinsam etwas aendern kann. (koennte ?)


Zum Text:

Zitat:

Er öffnete seine Augen und sah nichts außer kahlen Wänden, fahlen Gesichtern, farblosen Anzügen und leblosen Maschinen.
- außer kahle Wänden, fahle Gesichtern, farblose Anzügen und leblose Maschinen. ?

Zitat:

Der Gedanke an ‚früher’ ließ ihn zwar erschaudern
- erschauern ?

Zitat:

Doch das unterstrich den Sehnsuchtshauch viel eher (Komma)als dass es ihn übertünchte.
Zitat:

ihn nicht anstarrte (Komma)sondern vielmehr beinahe katatonisch den Blick gesenkt hielt
Ich konnte mich in deinen Text einfuehlen, wer haette nicht in seinem Alltag aehnliche Gedanken und Hoffnungen gehabt.

Dein Text hat mich zum Nachdenken angeregt.

Gruss

Pedro

Quicksilver 27.01.2010 10:19

Hallo Pedro,

die Kommafehler habe ich ausgebessert.

Zitat:

Zitat:
Er öffnete seine Augen und sah nichts außer kahlen Wänden, fahlen Gesichtern, farblosen Anzügen und leblosen Maschinen.
- außer kahle Wänden, fahle Gesichtern, farblose Anzügen und leblose Maschinen. ?
Hier bin ich selbst unsicher. Bist du ebenfalls unsicher oder soll das Fragezeichen ein Ausrufezeichen sein?;)

- erschaudern gefällt mir in diesem Kontext besser. Ich empfinde es als stärker.

Vielen Dank für deine eingehende Beschäftigung und deinen Kommentar.

Grüße
von
Quicksilver

Pedro 27.01.2010 17:23

Hallo Quicksilver,


Zitat:

Hier bin ich selbst unsicher. Bist du ebenfalls unsicher oder soll das Fragezeichen ein Ausrufezeichen sein?;)
-außer kahle Wänden, fahle Gesichtern, farblose Anzügen und leblose Maschinen. ?

Mist habe ich dir empfohlen, es muss heissen:

ausser kahle Waende, fahle Gesichter, farblose Anzuege und leblose Maschinen.
(Da bin ich mir sicher)

oder auser die kahlen Waende, die fahlen Gesichter, die farblose Anzuege und die leblosen Menschen.

Gruss

Pedro

Quicksilver 27.01.2010 22:58

Hallo Pedro,

das "die" wird eingefügt. Ich bin halt faul ;)

Danke nochmal

Viele Grüße
von
Quicksilver


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