Gedichte-Eiland

Gedichte-Eiland (http://www.gedichte-eiland.de/index.php)
-   Finstere Nacht (http://www.gedichte-eiland.de/forumdisplay.php?f=18)
-   -   Depressiver Schub (http://www.gedichte-eiland.de/showthread.php?t=11828)

Erich Kykal 09.05.2014 17:56

Depressiver Schub
 
Ein unerhörtes, stummes Weltverzehren
entweiht die Früchte, die dein Leben trug,
die bange in dir reiften, nie genug
behütet vor Versagen und Entbehren.

Ein Sog greift nach den schemenhaften Bildern,
die wie geronnen lagen in der Zeit,
verwirbelt ihren Sinn und trägt sie weit
nach jenem Ort, den keine Worte schildern.

Dort sickern sie mit all den großen Plänen
dem Dunkel zu, das deinen Namen kennt,
weil er wie Feuer auf den Wogen brennt
im Ozean der ungeweinten Tränen.

Dana 09.05.2014 19:09

Lieber eKy,


Zitat:

Zitat von Erich Kykal
Ein Sog greift nach den schemenhaften Bildern,
die wie geronnen lagen in der Zeit,
verwirbelt ihren Sinn und trägt sie weit
nach jenem Ort, den keine Worte schildern.

und du hast doch Worte für den Ort gefunden.

Depressionen sind für die meisten "unfassbar", im wahrsten Sinne des Wortes.
An sich eine verständliche Tatsache. Andere Schmerzen sind nachvollziehbar, Wunden sichtbar und für beide gibt es eine Erklärung und eine Behandlungsmethode.
Was jedoch kränkend und gemein ist, wenn Betroffene mit dummen und unsachlichen "Anmerkungen" abgetan werden.

Drei sehr gute einfühlsame Strophen, die nicht nur lyrisch gekonnt umgesetzt sind. Sie stehen einer "fachlichen Erklärung" sehr nah. So ist Depression über Bilder verständlicher geworden - für mein Gefühl.

Ein großes Gedicht.

Liebe Grüße
Dana

Falderwald 09.05.2014 20:54

Servus Erich,

in einen Menschen, der wirklich Depressionen hat, kann ich mich, der solche nicht kennt, nur schwerlich hineinversetzen.
Sicherlich weiß ich um jene Emotion, die man im Allgemeinen als deprimiertes Gefühl bezeichnet, auch bescheid, aber um diese tückische seelische Erkrankung ganz sicher nicht.

Ich bin heute depressiv, habe ich auch schon des Öfteren gesagt und meinte wahrscheinlich damit nur eine tiefe Niedergeschlagenheit.
Und dieses Gefühl als Erfahrung reicht mir persönlich schon, auf einen solchen dauerhaften Gemütszustand kann ich gerne verzichten.

Deshalb kann ich auch deine Zeilen gut nachvollziehen und kenne auch den Ort der ungeweinten Tränen, wo du das innere dringliche Gefühl des Weinenmüssens verspürst, aber es dennoch nicht kannst.

Dein Text ist sehr anschaulich und berührend, auch wenn ich, wie schon gesagt, wahrscheinlich nicht einmal annähernd nachvollziehen kann, wie es in einer solch kranken Seele wirklich aussehen könnte.
Vielleicht hast du es auf den Punkt bringen können.


In diesem Sinne gerne gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Chavali 09.05.2014 21:35

Servus Erich,

es muss schrecklich sein, in so ein Loch zu fallen.
Dass alles, was gut und wichtig ist, plötzlich eine ganz andere Dimension einnimmt
und nichts mehr ist, wie es war.

Deine Zeilen lassen ahnen, wie tief diese psychische Störung geht:
Nichts zu kennen als Niedergeschlagenheit und das permanent.

Wenn es allerdings - wie du im Titel anklingen lässt - nur ein Schub ist,
ist es vielleicht behandelbar und noch heilbar?

Du hast diesen Zustand in gekonnter Manier verdichtet.

LG Chavali


Erich Kykal 09.05.2014 22:00

Hi, ihr drei!:D

Ich kann mich der ungeliebten Tatsache rühmen, zuweilen schon eine Depression mitgemacht zu haben. Natürlich gibt es Abstufungen, und ich denke, erst ein einziges Mal war es wirklich "echt" schlimm!
Aber auch dabei kommt es zu "Schüben", d.h., die Depression klingt ab, schlummert eine Weile, nur um dann umso heftiger wieder einzusetzen! Nicht dass es dir in den Zwischenphasen gut ginge, es fühlt sich nur weniger schrecklich an.
Bei den Schüben aber geht es dir wirklich dreckig: alles erscheint sinnlos, ja, das Leben, das Existieren selbst tut irgendwie weh, ist schmerzhaft und bereitet beständige innere gefühlsmäßige Qual. Weinen wäre da eine Erleichterung, doch das vergönnt dir dieser Zustand nicht - dein Geist ist gefangen in einer antriebslosen, phlegmatischen Hülle, die in einem Kokon der gefühlten Sinnlosigkeit vegetiert und bloß "funktioniert".
Zum Glück für mich konnte ich das Schlimmste intellektuell abfedern, und selbst im schwärzesten Loch glomm doch immer der Funke Hoffnung, es würde auch wieder anders werden.
Letztendlich musst du dich selbst aus diesem Abyss hieven, wie auch immer. Hilfe von außen mag unterstützen, aber die innere Kraft dazu kannst du nur in dir selber finden - oder auch nicht. Zum Glück bleibt so eine Depro eben nicht immer gleich stark, und mit etwas Glück ebbt sie irgendwann sogar von alleine ab.

Vielen Dank für eure prompten Reaktionen und Rückmeldungen! Da scheine ich einen Nerv getroffen zu haben...;):D

LG, eKy

Narvik 11.05.2014 12:22

Hallo Erich Kykal,

depressive Schübe sind etwas Schreckliches für die Betroffenen.
Ich hatte eine alte Tante, die nach dem Tode ihres Mannes in schlimmen Depressionen fast versunken ist. Der einst lebenslustigen Frau kam plötzlich jegliche Lebensfreude abhanden und ich glaube fast, sie ist letztendlich auch daran zugrunde gegangen.
So wie du es beschreibst, muss es wohl auch ihr ergangen sein. Als Außenstehender ist es sehr schwer, sich in einen solchen Menschen hineinzuversetzen. Wir haben damals alles getan, um ihr wieder ein wenig Lebensmut zu vermitteln, doch deine Zeilen sagen aus, warum das schließlich nicht gelingen konnte. Wer in einem solch tiefen Loch steckt, braucht viel eigene Kraft, um sich daraus zu befreien. Diese Kraft hatte sie wohl nicht mehr.
Sehr gelungen ist der Ozean aus ungeweinten Tränen. Dieser Ozean muss auch in ihr getobt haben, denn wir haben sie niemals weinen gesehen.

Herzliche Inselgrüße

Narvik

Erich Kykal 11.05.2014 17:06

Hi, Narvik!

Mein Beileid von wegen der Tante! Ja, man muss sehr intensiv "noch" leben wollen, um da rauszufinden. Das Nicht-weinen-Können ist typisch für Depression: Solch ein Ausdruck von Emotion wäre viel zu lebendig für das innere Sterben, das einen befallen hat. Tragend, überragend und alles andere begrabend ist nur die dumpfe, wesenlose, sinnlose Gegenwart einer undefinierbaren Lebenswunde, durch die einem jegliche Freude und jeglicher Antrieb unweigerlich entrinnt. Wie ein am Sein Erfrierender, der nicht sterben kann, treibt man erstarrt in einer kalten inneren Leere.

Das Gedicht entspricht meiner eigenen Erfahrung, spiegelt wider, wie es mir erging. Ich bin froh, nicht mein ganzes Leben so verbringen zu müssen, aber ich muss immer damit rechnen, dass mich mal wieder so ein Schub heimsucht - umso kostbarer die Momente, in denen man die Süße der Welt zu schmecken vermag...

Vielen Dank für deine Gedanken und Eindrücke!

LG, eKy

juli 11.05.2014 20:00

Hallo eKy :)
 
Gestern habe ich Dein Gedicht gelesen und ich war innerlich tief berührt.
Du beschreibst in 3 S. die Depression. Depression geht weit über eine (normale)Traurigkeit hinaus.

Besonders die 2te S. sagt es:

Ein Sog greift nach den schemenhaften Bildern,
die wie geronnen lagen in der Zeit,
verwirbelt ihren Sinn und trägt sie weit
nach jenem Ort, den keine Worte schildern.
<---

Du hast für einen Zustand Worte gefunden. Wenn man in diesem Zustand ist gibt es ja kaum Worte.
Du sagst das auch hier in den Kommentaren. Manchmal ist der Zustand so schlimm, das fremde Hilfe notwendig wird. :)


Noch nachdenklich
sy

Erich Kykal 11.05.2014 22:12

Hi, Sy!

Danke für deine Gedanken! Ich denke, man muss es erlebt haben, um es zu verstehen. Es gibt eben kein "warum", keinen logischen Grund, keine Erklärung, die den Zustand begreifbar macht oder gar wegargumentiert.

LG, eKy


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 16:50 Uhr.

Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg