Gedichte-Eiland

Gedichte-Eiland (http://www.gedichte-eiland.de/index.php)
-   Denkerklause (http://www.gedichte-eiland.de/forumdisplay.php?f=15)
-   -   Scherbengericht (http://www.gedichte-eiland.de/showthread.php?t=11104)

Erich Kykal 19.08.2013 09:34

Scherbengericht
 
Wie frisch das Gras nach einem Sommerregen
uns wieder leuchtet in der Unschuld Grüne!
Ihm gleich zu tun auf eines Lebens Bühne
war Trachten oft, doch seltener ein Segen.

Wir können kaum den Schuldenberg bewegen,
und selten rinnt Vergebung aus der Sühne.
Der Sünde Schatten hinter uns: Ein Hüne,
den Wunden tausend Finger aufzulegen.

Uns reinzuwaschen vom Geruch der Taten,
die wir getan, doch die nicht wohlgeraten,
dies meinte: Uns vor allem - zu vergessen.

Doch solch Entsagen hieße, zu verderben,
denn niemals kann, liegt erst ein Krug in Scherben,
die Scherbe je den Sinn des Krugs ermessen!

Dana 19.08.2013 18:50

Lieber eKy,

inzwischen weiß ich, dass die Sprache aus dir fließt und der tiefe Sinn sich dem Leser erschließt.:)
Das ist wieder so ein Sonett, das sprachlich fließt und tief greift. Die "Leserin", mein "kleines Ich", weiß nicht, wie und wo der Kommentar beginnen soll.;)
Zustimmung und Staunen greifen ineinander, einmal ob der Kunst und noch mehr ob des Inhalts.
So ist das Sein dem, der es in seiner "Wirklichkeit" betrachtet und unverzaubert, lyrisch bezaubernd, verdichtet.:)

Mir gefallen die Scherben im Scherbengedicht sehr.

Und:

Zitat:

Zitat von Erich Kykal
Doch solch Entsagen hieße, zu verderben,
denn niemals kann, liegt erst ein Krug in Scherben,
die Scherbe je den Sinn des Krugs ermessen!

Doch, das kann sie, die Scherbe!:)
Das einzelne Sein mag einen sinnlosen Scherbenhaufen ergeben. Doch findet man einst die geschriebenen Verse dazu und kann sie dem "Krug" zuordnen, geschieht

Zitat:

Zitat von Erich Kykal
Wie frisch das Gras nach einem Sommerregen
uns wieder leuchtet in der Unschuld Grüne!
Ihm gleich zu tun auf eines Lebens Bühne

Deine Werke werden jene "Scherben" sein! Ich ahne es und habe mit meinen Ahnungen schon so manchen erschreckt.:eek:

(Wie soll ich dir sonst meine Bewunderung aussprechen?)

Um zu reden:

Ein Leben, das von Sorglosigkeit, Leichtigkeit und ohne jede Mitteilung gelebt wird, formt keinen Krug und bleibt somit scherbenlos.
Sei stolz auf die Scherben, mit denen du dich so faszinierend mitteilen kannst.

Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal 19.08.2013 19:24

Hi, Dana!

Was soll ich sagen zu soviel Lob, ja fast schon nach Anbetung klingend!? (Anbetung meiner Lyrik natürlich, das verwechsle ich schon nicht, keine Sorge...:rolleyes:) - Zumindest "Dankeschön!", schätz ich mal...

Das war wieder eins von diesen Gedichten ohne emotionalen Vorschub, einfach so mit einem Naturbild begonnen (es regnete kurz, als ich begann) und dann dem Unterbewussten erlaubt, den Inhalt zu tragen, wohin es wollte.
An manchen Stellen musste ich diesmal relativ lange herumkonstruieren - mit einigen Details bin ich noch nicht so recht glücklich.

LG, eKy

Chavali 19.08.2013 19:29

Oh ja, Erich,

erst die Scherben machen ein gelebtes Leben aus!
Damit will ich nicht die negativen Ereignisse hochloben, aber auch sie gehören dazu.
Jede Scherbe kann einen Menschen ein bisschen stärker machen!

Dein tiefphilosophisches Gedicht lässt den Leser aufmerken und (wenn er es denn versteht)
über eigene Scherben nachdenken.

Sehr gern gelesen, bestaunt und einen kleinen Gedanken dazu hinterlassen hat
mit liebem Gruß
Chavali

Erich Kykal 19.08.2013 19:42

Hi, Chavi!

Schön, wenn man so ein postives Verständnis vom Zerbrechen eines Lebens hat - warum aber sehnen wir uns dann aber lebenslang im Grunde nach der Kindheit zurück, oft nicht auf einer kognitiven, wohl aber auf einer atavistischen, unterbewussten Ebene?
Das Geborgenseinwollen in Unschuld und Reinheit, in Unwissen über alles, was einem zustoßen kann, all das spiegelt sich in solch regressiven Tendenzen.
Mit dem Kruggleichnis meinte ich fogendes:

Der intakte Krug sind wir, das Gute - wie auch unsere Schattenseiten, all das, was wir gerne verdrängen und beiseite schieben wollen. Indem wir aber ebendas tun, indem wir unsere Makel leugnen und tunlichst vergessen, zerbrechen wir das Ganze, das wir sind und uns ausmacht, und als bloßes Fragment verlieren wir Sinn und Zweck dessen, was wir waren: Nicht perfekt, vielleicht schuldig - aber ein Ganzes. Und wer kann schon sagen, zu welchem Zwecke wir an unseren Schatten reifen müssen?

Vielen Dank für deine Gedanken!

LG, eKy


Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 17:56 Uhr.

Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2025, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg