Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 14.03.2014 16:45

Alter Zausel
 
Die Lebenslust scheint von mir abzuprallen,
selbst alte Narben tun mir nicht mehr weh.
Erschiene jetzt die vielzitierte Fee,
ich würde ihr die krummen Fäuste ballen.

Von jedem Glauben bin ich abgefallen,
und alle Jugendträume sind passé.
Auf kahle Gipfel fällt ein kalter Schnee,
und ohne Feuer sind die hohen Hallen.

Das Unbegehren wurde mein Begleiter,
die Ausweglosigkeit ist mein Revier.
So gehe ich, mal traurig und mal heiter

durch hohle Tage als ein grimmer Spötter.
Zynismus schreibt mir Sätze ins Brevier
vom Fall der Ungeliebten und der Götter.

Falderwald 14.03.2014 18:59

Servus Erich,

das ist ein ausgesprochen schönes Sonett, das mir gut gefällt.

Der Protagonist kann einem aber auch leid tun, hat er doch eigentlich sein Leben schon beschlossen.
Abseits aller Begehrlichkeiten scheint er sich seinem Grimm und Spott über Gott und die Welt hingegeben zu haben und bereit, selbst dem Glück, hier in Form der holden Fee, eine Abfuhr zu erteilen, falls es sich ereigne.
Es scheint ein hartes Resümee zu sein, ein schonungsloses Urteil über seine Welt, die er sich in seinen Jugendträumen wohl anders ausgemalt hatte.
Die Realitäten zeigen ihm nun ein anderes Gesicht.

Man könnte meinen, der alte Schopenhauer spräche aus diesen Zeilen, denn sein Bild stand mir vor Augen.
Es könnten seine Worte und seine Erkenntnisse, also die Welt als Wille und Vorstellung, sein.
Auch er war geneigt, Spott und bitteren Zynismus zu verwenden und er hat sogar ein paar Sonette geschrieben.
(Aber, das muss ich hier auch sagen, Schopenhauers Sonette waren sprachlich weniger elegant und gediegen, als das deinige. ;))

Im Prinzip aber ist der Protagonist, der alte Zausel, eigentlich schon für scheintot zu erklären, denn eine Lebensfreude spricht nicht mehr aus den Zeilen.
Er sieht sich selbst als Ungeliebten und gefallen wie die Götter.

Ich würde sagen, das nennt man Jammern auf sehr hohem lyrischen und sprachlichen Niveau.
Man könnte vielleicht auch sagen, es handele sich eher um eine Abrechnung.
Doch letztlich kann eine solche nur gegen das eigene Schicksal, also gegen sich selbst als Summe aller seiner Erfahrungen, erfolgen.

Seinen Frieden hat er aber noch nicht gefunden...


Gerne gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Erich Kykal 14.03.2014 20:08

Hi, Faldi!

Du analysierst meine Zeilen auf's Genaueste!

Du hast geschickt vermieden, es anklingen zu lassen oder gar nachzufragen, aber ja, natürlich bin ich der alte Zausel!:rolleyes:

Manchmal ist mir nach "Sudern auf hohem Niveau", quasi als Seelenhygiene für die eigene Psyche, zum Teil ist es aber auch sicher ein gerüttelt Maß zelebriertes Selbstmitleid angesichts so vieler verpasster Gelegenheiten und verpfuschter Chancen, wie sie wohl jedes Leben bietet.
Verdient habe ich natürlich keinerlei Mitleid - ich habe mein Los selbst gewählt, und zumeist fühle ich mich damit, nun, vielleicht nicht gerade überglücklich, aber zumindest ausgeglichen. Nur ab und zu eben muss ich mir - eben zu besagtem Ausgleich - den Frust von der Seele dichten.
Dadurch entstehen viele Werke, die den Anschein erwecken, ich wäre ein zutiefst depressiver, unglücklicher, vereinsamter und gescheiterter Charakter. Nun, das ist - je nach Blickwinkel des jew. Betrachters - natürlich Ansichts- und Definitionssache. Ich kann nur sagen: Es könnte viiiieeeel schlimmer sein!;):D

Und außerdem - wenn ein schönes Gedicht bei rausspringt, wer wäre ich, groß meckern zu wollen...:cool:

LG, eKy

Falderwald 14.03.2014 20:54

Servus Erich,

weißt du, ich kann viele Dinge durchaus nachfühlen und so auch mitempfinden.

Doch ist es auch klug, in den Gesang des Selbstmitleides einzustimmen?
Was ist dazu zu sagen, wie können die persönlichen Erfahrungen da weiter helfen, wie soll dies über Allgemeinplätze hinausgehen?

Gibt es einen Trost für verpasste Gelegenheiten und Chancen?

Antworten auf solche Dinge stehen immer im Konjunktiv und der hat ja nun wirklich noch niemandem wirklich weiter geholfen.

Aber ich denke, du hast recht, es könnte alles noch viel schlimmer sein.

Und wenn solche Zeilen dabei herauskommen, dann ist das ja auch ein Lichtblick.

Wollte ich nur mal gesagt haben...;)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald

Erich Kykal 14.03.2014 21:53

Hi, Faldi!

Vielen Dank für die einfühlsamen Zeilen, aber wie gesagt: Meist bin ich zufrieden mit meinem Leben, und es war meine eigene Wahl.
Mitgefühl also überflüssig, aber als freundlich gemeint erkannt und aufgenommen.:)

LG, eKy

Dana 17.03.2014 20:54

Wenn alle "Zausel" sich zum Dasein äußern würden, dann wäre dieser ein Jemand, der etwas hinterlässt.:D

Lieber eKy,

das Schöne am Forum ist, dass man direkt mit dem "Schöpfer" spricht. Ist ein Gedicht gut, dann lässt man Kommentare und Antworten nicht aus.;) (Manchmal tue ich es bewusst.)

Egal wie man sich auf Denken einlässt - es wird immer unterschiedliche Betrachtungen geben.

"Alter Zausel" spricht eigentlich nur von höchster Philosophie, insbesondere im Fall der Götter.;)

Der Zausel scheint mit allen Unzulänglichkeiten umgehen zu können.
Jene, die es nicht können, hinterlassen nicht mal einen Zettel.:D

Mir gefällt es sehr, auch wenn ich hier und da noch nicht ganz einstimme.:cool:

Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal 18.03.2014 00:04

Hi, Dana!

Bei diesem Gedicht wusste ich selbst nicht so recht, wo ich eigentlich hinwollte. Es entstand eben so beim Dichten, während ich mit sprachlichen Bausteinen jonglierte, wie von selbst, von einer tieferen Ebene meiner selbst diktiert, wenn man so will.
Das hört sich jetzt viel gewichtiger an, als es wohl ist, aber manchmal entstehen so Gedichte, die ich selbst nicht ganz durchschaue, oder nur auf einer eher instinktiven Metaebene.
Was soll's - es hört sich gut an, also warum nicht!:D

Vielen Dank für deine Gedanken!:)

LG, eKy


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