Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 27.01.2015 20:41

Der Gefangene
 
Er hatte oft den schmalen Weg genommen,
hinunter nach dem Dorf in morschen Schuhen
und weiter dorthin, wo die Toten ruhen.
Dort stand er lange Stunden wie beklommen

an jenem Grabe mit dem schlichten Steine,
darin er Frau und Kinder wusste liegen;
dann später war er wieder hochgestiegen,
als trüge er sein Leiden so ins Reine.

Wer wüsste nicht denselben Weg zu schreiten
und nicht Verluste auch, sie zu beklagen?
Wir gehen - oder fallen - durch die Zeiten,

und alles Weh, das wir im Herzen tragen,
kann uns die Seele schnüren oder weiten:
Es macht uns leben - oder ganz entsagen.

Lailany 28.01.2015 03:23

Kia ora Eky,
wieder eins Deiner berührenden Werke, die einem beim Lesen die Kehle trocken und die Augen feucht werden lassen.
Dass man bei Deinen Texten immer wieder rare lyrische Perlen entdeckt, ist ja eins Deiner Hallmarks und ich hab immer wieder meine helle Freude daran, sie als 'ganz besonders fein' hervorzuheben:

'darin er Frau und Kinder wusste liegen'.... wunderschön formuliert. :Blume:

In S3 Z2 komm ich nicht ganz klar, worauf sich 'sie' bezieht und lese ich mir immer wieder ein 'die' ein.

S2 Z3:
Hier gefiele mir sogar ein weiteres 'und' noch besser als das lapidar simple 'dann', das sich bei Deiner hochglanzpolierten Sprachführung als besonders mausgräulich hervortut. ;)

Tja, Deine Fangemeinde ist verwöhnt. :) Selbst schuld. :p

Sehr gern gelesen und besenft.

HG von Lai:Blume:

Erich Kykal 28.01.2015 17:20

Hi, Lai!

Danke für die "Fangemeinde" - ich wusste nicht, dass ich eine habe. Einzelne vielleicht, die meinen "altmodischen" Stil zu schätzen wissen - aber gleich eine ganze Gemeinde?!;):D Das freut den alten Reimeschinder!:Kuss

S3Z2 - ist korrekt so. Wen oder was zu beklagen? - "sie", die Verluste.

Bei dem "dann" habe ich selbst länger hin und her überlegt, ob das oder ein "und" besser wäre - letztlich richtete ich mich nach Sprachflüssigkeit und Satzmelodie, und da erschien mir das "dann" etwas bündiger.
Dass es dir zu lapidar erscheint, will ich schweren Herzens (;):p) in Kauf nehmen.

Vielen Dank für die freundlichen Gedanken!:)

LG, eKy

Chavali 28.01.2015 17:37

Servus Erich :)

da bin ich auch mal wieder bei dir!
Ein Sonett, das anspricht und tiefes Mitgefühl auslöst.
Zitat:

darin er Frau und Kinder wusste liegen;
Diese Formulierung bzw. Satzverdrehung finde ich im Gegensatz zu Lailany nicht so gelungen.

Ansonsten bin ich auch wieder ganz angetan von diesem Text, denn fast niemand hier versteht es so wie du,
tiefe innere Gefühle zu verdichten und philosophische Schlussfolgerungen zu ziehen.
Der arme Mann ist Gefangener seiner eigenen Trauer und vermag sich nicht mehr daraus zu befreien.

LG Chavali



Dana 28.01.2015 18:45

Lieber eKy,

ich war zwischendurch Sekretärin einer Domgemeinde und damit ein Gemeindeglied.;)
Wären die Kommentare darauf beschränkt, hättest du sie (die Gemeinde) eh.:D

Nun aber zum Sonett:

Du lässt abermals ein Leben in die Leben einfließen und vollendest es in Lyrik.

Die erste Strophe und die ersten Verse der zweiten benennen ein Schicksal - die weiteren führen zum "Umgang" mit Schicksal und Schmerz an sich.
Darin liegen Antworten und Möglichkeiten, wie sie im Einzelnen gegeben und durchlebt werden.
Ein Jeder für sich - aber über die (deine) Lyrik berührend und tröstend ob der Unterschiedlichkeit.
Ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr gut ich es finde.

Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal 28.01.2015 21:51

Hi, Chavali!

Danke für das Lob!:)

S2Z2 - An sich bin ich auch kein Freund von Inversionen, aber hier gefiel mir die Wendung sprachmelodisch sehr gut, daher gestattete ich mir diese Ausnahme.


Hi, Dana!

Auch dir herzlichen Dank für die wohlwollenden Worte!:)


LG, eKy


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