Gedichte-Eiland

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Erich Kykal 09.08.2015 18:57

Ungereimt
 
Ich frage mich, worin liegt wohl das Glühen
in Versen, die kein Klingendes verbindet,
kein Reim, der sich den Worten schmiegend
ein Schloss im Himmlischen des Lesers fügt!?

Wo liegt die Kunst in bloß gereihten Sätzen,
gleich welcher Art ihr Dichberühren sei,
wenn nichts sie hält in einer klaren Ordnung
mit zartem Gleichklang, wo sie haltlos enden?

Ein nackter Rahmen nur für kalte Bilder,
entkleidet allem, was ein Fühlen bindet,
so ist die Form, die keine Reime runden.

Nur ein Skelett ist sie, bar ihres Fleisches,
und tanzt den Sinnen, ein Lebendiges
vorgaukelnd, klappernd ihre Strophen vor.

Dana 11.08.2015 17:22

Lieber eKy,
was mir hier fehlt, sind die Reime.;):D

Dennoch gefällt mir die "Darbietung" - und die ist gekonnt umgesetzt.

Ich war zunächst regelrecht verunsichert, suchte nach Binnenreimen, denn irgendwie fließt es.

Liebe Grüße
Dana

Erich Kykal 11.08.2015 19:41

Hi, Dana!

Ursprünglich war das ein simpler Beitrag zu einem anderen (reimlosen) Gedicht, mit dem ich dort zeigen wollte, dass mir gereimte Gedichte lieber sind und mir bei ungereimten immer etwas fehlt.
Irgendwie muss ich es dennoch geschafft haben zu beeindrucken, denn das Werk gefiel jenem Autor so gut, dass er es in seiner Anthologie publizieren wollte.
Dergestalt überzeugt stelle ich es nunmehr als eigenständiges Thema ein.;):rolleyes:

Das "Fließen", wie du sagst, entsteht hier nur durch Rhythmik und Melodie der Sprache und harmonischen Sprachfluss.

Vielen Dank fürs Vorbeischauen!:)

LG, eKy

Thomas 11.08.2015 22:44

Lieber Erich,

es wird dir wahrscheinlich nicht passen, aber das Gedicht beweist meiner Meinung nach genau das Gegenteil von dem, was es inhaltlich sagt. Es ist eben nicht nur Gerippe, auch ohne Reim. Ich finde das sehr interessant und kann verstehen, warum es auch anderen (und gerade "Nichtreimern") gefällt.

Liebe Grüße
Thomas

wüstenvogel 11.08.2015 23:03

Ungereimt
 
Hi Erich, dass dir als begnadeter Reimeschmied, (gut) gereimte Gedichte besser gefallen als ungereimte, kann hier wohl jeder nachvollziehen.

Ich mag beides - Gereimtes und Ungereimtes.
Für mich steht der Inhalt an erster Stelle,
das mag bei dir anders sein.

Dichtung hat für mich sehr viel mit "verdichten" zu tun,
also mit wenigen Worten viel aussagen, wobei hier natürlich die Grenze zum Aphorismus fließend ist.

Wenn Fried, der einer meiner (modernen) Lieblingsdichter ist, schreibt:

"Wer sagt, hier herrscht Freiheit, der lügt.
Freiheit herrscht nicht."

dann finde ich das großartig ausgedrückt.

Wenn jemand dagegen schreibt:

"Krrk!

gedichte gibt es die sich als wären sie
und sind noch unversprungen zersprossen nicht
entbohrn krrk! speuz krrk! hergeludert
hinge ballt? riss durch schnurrn? abspruch gloschn ...."
(Urs Allemann, Jahrbuch der Lyrik 2011)

(die 2. Strophe erspare ich uns)

dann finde ich das zum K......

Erich, bleib bei deinen Reimen
aus denen viele schöne Gewächse keimen ....

Liebe Grüße

wüstenvogel

Erich Kykal 12.08.2015 02:27

Hi, Thomas!

Gerade diese Antithese von Form und Inhalt macht das Stück ja so interessant - es passt mir also so gesehen durchaus, darf ich mir doch schmeicheln, selbst dann Gutes zu kreieren, wenn ich eine lyrische Form inhaltlich ableugne und gleichzeitig formal das Gegenteil beweise, ohne es gewollt zu haben.

Die Ironie der Sache ist mir nicht entgangen.


Hi, wüstenvogel!

Keine Sorge - von vereinzelten "Ausreißern" wie diesem abgesehen bleibe ich der reimenden Fraktion treu!;):D


Vielen Dank für eure profunden Beiträge!:)

LG, eKy

Falderwald 16.08.2015 19:00

Servus Erich,

das ist ein Text, der sich gekonnt und sinnig selbst vorführt.
Das muss man auch erst einmal so hinbekommen.

Selten habe ich etwas so Widersprüchliches gelesen, das sich in sich selbst auflöst, weil hier ja genau das geschieht, was der Protagonist eigentlich anprangert.
Es geht also doch, oder doch nicht?

Ist das nun Lyrik oder Prosa? :D

Aber ich verstehe schon, was du meinst...;)

Das war eine gute Idee und sie hat mir als solche auch ebenso gut gefallen...:)


Gern gelesen und kommentiert...:)


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald



Erich Kykal 16.08.2015 20:04

Hi, Faldi!

Danke für das - eigentlich unverdiente - Lob, denn als ich es schrieb, hatte ich keine Widersprüchlichkeit im Sinn.
Da wollte ich eher, dass sich Botschaft und Form in ihrer Aussage vereinigen sollten. Erst beim ersten Lesen erkannte ich, dass ich es wohl "zu gut" geschrieben hatte, sodass Inhalt und Form einander konterkarieren.

Natürlich ist es Lyrik, denn bis auf die Reime ist alles vorhanden: Form, Zeilenlänge und gleiche Auftakte, lyrische Sprachmelodie und Wortfindung.

Dennoch - würde ich es als Werk eines anderen Autors lesen, ich würde sagen: Welche Vergeudung von schöner Sprache an ein reimloses Gedicht! Wie schön hätte das mit Reimen erst werden können! Schade drum!
Da bin ich wohl stur ... :Aua:rolleyes:

LG, eKy

Falderwald 17.08.2015 20:02

Servus Erich,

die Frage, ob der Text nun Lyrik oder Prosa sei, war lediglich rein satirisch zu verstehen.
Das ist ja eine der schönen Widersprüchlichkeiten.
Das Sonett lehnt das Ungereimte ab, kommt selbst aber als solches daher und ist trotzdem lyrisch.

Prinzipiell könnte man nämlich jetzt eine Diskussion beginnen, wenn du selbst sagst, dass alle eigentlichen Formalitäten außer den Reimen gegeben sind, um als Lyrik durchzugehen, der Text dies aber mit dem zweiten Quartett selbst in Frage stellt.

So war meine diesbezügliche Frage gemeint, quasi um die Widersprüchlichkeiten zu verdeutlichen. ;):)


Liebe Grüße

Falderwald



a.c.larin 18.08.2015 12:58

lieber erich,

ich denke, dass durch dein gedicht schlichtweg bewiesen ist, dass poesie nicht gleichzusetzen ist mit " reime machen". sie kann sich ihrer bedienen, braucht sie aber nicht zwangsläufig.
mir sind die fehlenden reime erstmal gar nicht aufgefallen!

ist ja auch irgendwie logisch, denn " sinn" ist mehr als syntax, "liebe" mehr als küssen", lernen mehr als schule.

möglichweise findet das jeweils eine in dem jeweils anderen seinen ordnungsrahmen - möglicherweise aber auch nicht.

quod erat demonstrandum, wie der lateiner zu sagen pflegt.

lg, larin


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